Bagdad/Istanbul. Wahlen alleine machen noch keine Demokratie - das zeigt sich im Vorfeld der Wahl der Provinzräte im Irak deutlich. 14 Kandidaten wurden getötet. In den Tagen vor dem Urnengang nahm die Gewalt zu.
Seit zehn Jahren experimentieren die Iraker jetzt schon mit der Demokratie. Doch die Politik im einstigen Reich von Saddam Hussein wird bis heute von korrupten Gestalten dominiert, in deren Taschen ein Großteil der staatlichen Öleinnahmen versickert. An diesem Samstag sollen die Provinzräte gewählt werden.
Die Al-Kaida-Terroristen haben ihre Operationen während des Wahlkampfes ausgeweitet. Ihr Ziel ist es nach Einschätzung von Beobachtern, die Wähler abzuschrecken. Am Donnerstag starben in Bagdads westlichem Vorort Al-Amirija 30 Menschen durch eine Explosion in einer Teestube. Damit die Extremisten den Wahltag nicht für Autobomben-Anschläge nutzen können, soll ein Fahrverbot erlassen werden.
Der Leiter der UN-Mission im Irak, Martin Kobler, appellierte wenige Stunden vor Öffnung der Wahllokale an die Sicherheitskräfte, dafür zu sorgen, dass die Wähler ohne Angst zu den Urnen gelangen können. Die politischen Führer erinnerte er daran, dass der demokratische Fortschritt abhängig ist von "ihrer Bereitschaft, gemeinschaftlich für transparente und friedlichen Wahlen zu sorgen, frei von Einschüchterungsversuchen und politischer Einmischung".
Wahl nur in 12 von 18 Provinzen
Unter den Kandidaten sind viele ausgebuffte Profiteure, aber auch einige Dutzend Idealisten. Doch die Chance, dass Neulinge ohne Kapital diesmal einen echten Wandel herbeiführen werden, ist angesichts der gewaltgeladenen Atmosphäre gering. Nach Angaben der Wahlkommission zogen alleine in der Stadt Mossul 14 Bewerber ihre Kandidatur zurück, nachdem sie Todesdrohungen erhalten hatten.
Am vergangenen Sonntag wurde der Kandidat Nadschim Harbi, der für die säkulare Liste Irakija antrat, von einer Bombe zerfetzt. Auch drei seiner Brüder kamen bei dem Anschlag um. Harbi ist der 14. Kandidat, der in diesem Wahlkampf ermordet wurde.
Die Zahl der Terroranschläge und Attentate hat seit der Eskalation des Parteienstreits in Bagdad im vergangenen November wieder zugenommen. Die UN-Mission zählte alleine im März 456 Tote, darunter 227 Angehörige der Sicherheitskräfte. Am 6. April sprengte sich während einer Wahlkampfveranstaltung in Bakuba ein Selbstmordattentäter in die Luft; 23 Menschen starben.
Gewählt wird nur in 12 der 18 Provinzen. Die drei kurdischen Autonomieprovinzen Erbil, Suleimanija und Dohuk haben sich vom Rest des Landes schon in vielerlei Hinsicht abgekoppelt. Sie wollen ihre Provinzräte erst am 21. September wählen. In der nördlichen Provinz Tamim mit Hauptstadt Kirkuk fällt die Wahl wegen des seit Jahren andauernden Konflikts zwischen Kurden, Araber, Turkmenen und Christen komplett aus. Nach einer Serie von Terroranschlägen im März hatte der schiitische Regierungschef Nuri al-Maliki zudem beschlossen, die Wahl in den vorwiegend von Sunniten bewohnten Provinzen Anbar und Ninive auf einen nicht näher bestimmten Zeitpunkt zu verschieben.
Serie von Protestkundgebungen reißt nicht ab
Seine Kritiker finden das nicht logisch. Denn viele Anschläge richteten sich gegen Ziele in der Hauptstadt Bagdad, und dort wird gewählt. Al-Maliki liegt mit den politischen Führern der Sunniten ohnehin seit mehr als vier Monaten im Clinch. Nachdem die Justiz gegen mehrere von ihnen Ermittlungen wegen angeblicher Terroraktivitäten aufgenommen hatte, begann eine Serie von Protestkundgebungen, die seither nicht abreißt. Zentren des Widerstandes sind vor allem die Provinz Anbar und die Stadt Mossul.
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Die Demonstranten fordern unter anderem die Freilassung von Häftlingen, die seit Jahren ohne Anklage einsitzen, sowie mehrere Gesetzesänderungen. Doch das eigentliche Problem liegt tiefer: Viele Angehörige der sunnitischen Minderheit fühlen sich seit Saddams Sturz durch die US-Armee 2003 von der Regierung benachteiligt, in der die schiitische Bevölkerungsmehrheit das Sagen hat.
Insgesamt bewerben sich diesmal mehr als 8171 Kandidaten um 447 Sitze in den Provinzräten. 117 Sitze sind für Frauen reserviert. Rund 14 Millionen Wähler wurden registriert. Mit den Ergebnissen wird erst gegen Mitte der Woche gerechnet. (dpa)