Berlin. Tape TV-Gründer Conrad Fritzsch spricht im Interview über die Neuausrichtung der Berliner Internetplattform für Musikvideos. Fritzsch glaubt, dass in Zukunft „jeder das guckt, was er gerade sehen will - ohne dass er weiß, was er überhaupt sucht.“
Auf Tape TV können Menschen Musikfernsehen im Internet gucken. Jetzt hat das Berliner Unternehmen sein Angebot aufgebürstet. Die Musik soll sich künftig stärker den Vorlieben der Nutzer anpassen - was auch dazu dient, Werbung zu personalisieren. Conrad Fritzsch gründete das Unternehmen gemeinsam mit Stephanie Renner. Mit Fritzsch sprach dapd-Korrespondentin Jessica Binsch.
Bei Tape TV können Menschen Musikvideos im Internet gucken. Jetzt soll die Webseite personalisierter werden. Was bedeutet das?
Conrad Fritzsch: Früher wäre Individualisierung ganz einfach gewesen: Auf einem Kanal laufen die Beatles, auf einem die Rolling Stones – das hätte fast den ganzen Markt abgedeckt. Jetzt gibt es im Internet eine riesige Menge an Inhalten, aber der Zugang ist eine Katastrophe. Du siehst das, was alle sehen. Das ist ein reines dummes Massegesetz.
Wie analysiert Tape TV den Musikgeschmack der Nutzer?
Fritzsch: Die beiden Kernfunktionen von "lieben" und "hassen" sind das Wichtigste. Das ist schlauer geworden. Es geht nicht nur darum, was du magst und in der Vergangenheit mochtest. Sondern es geht auch darum, was dir Freunde empfehlen oder wann du auf "Like" klickst. Das wird in Zukunft immer stärker einfließen. Du musst nicht entscheiden, sondern wir erkennen, was du hören willst. Am Ende des Tages wird Internet das Fernsehen retten. Alle gucken einen Sender, und jeder guckt das, was er gerade sehen will - ohne dass er weiß, was er überhaupt sucht.
Welche Funktionen sind mit der Neuausrichtung dazugekommen?
Fritzsch: Im Grunde genommen kannst du Tape anschalten und es ist wie damals MTV ein kompletter Sender. Wir füllen das mit Musikvideorotationen, aber auch mit den Shows, die wir produzieren. Wir sind völlig überrascht, dass es sich doch wieder so stark in die Richtung von MTV entwickelt hat, aber mit der Genetik vom Netz. Jetzt ist es plötzlich eine wirkliche Alternative zum Fernsehen.
30 Jahre MTV
Drei Millionen Deutsche schauten im Mai Videos auf der Webseite. Ist Tape TV ein Nischenprodukt?
Fritzsch: Die Idee ist, jetzt bis zum Ende des Jahres auf vier Millionen Nutzer in Deutschland zu wachsen. Das ist das Potenzial, was wir sehen. Wir kratzen gerade den Mainstream an.
Tape TV finanziert sich durch Werbeeinnahmen. Wie verändert sich das mit der Neuausrichtung?
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Fritzsch: Jetzt vermische ich die sozio-demografischen Daten mit Interessen. Das bedeutet, dass ich Werbung viel schlauer ausstrahlen kann. Wir haben bei Tape TV eine Klickrate von bis zu fünf Prozent. Ein paar Werbeformen funktionieren gar nicht, da klicken nur 0,1, 0,5 Prozent der Nutzer drauf. Jetzt gucken wir, wer klickt da eigentlich? Wenn wir rauskriegen, welche Werbung funktioniert, können wir intelligenter Werbung machen. In Zukunft werden Leute, die mit Werbung gut interagieren, Werbung bekommen, die anderen können bezahlen.
Tape TV hatte letztes Jahr eine Expansion in Europa angekündigt. Warum hat sich das verzögert?
Fritzsch: Wir sind in England und Frankreich sehr aktiv unterwegs gewesen und haben Kooperationsparter gesammelt. Wir starten jetzt erstmal richtig durch mit der neuen Version von Tape TV, deswegen gab es eine Verzögerung. Wir wollen dieses Jahr noch England und Frankreich anschalten.
Dabei hilft es, dass Tape TV gerade eine Geldspritze bekommen hat. Wie viel Geld wurde investiert?
Fritzsch: Jetzt wurden fünf Millionen investiert. Das hört sich viel an. Aber wenn wir ein weiteres Land wie Frankreich anschalten und Angebote für mobile Geräte entwickeln, kostet das viel Geld. Wir haben die Vision, Tape TV irgendwann weltweit anzubieten. (dapd)