London. Die Erfolgsgeschichte des Mixed-Pärchen Sabine Lisicki, Christopher Kas geht weiter: Nach dem Sieg über die Italiener Roberta Vinci und Daniele Bracciali stehen die Berlinerin und der Trostberger im olympischen Halbfinale. Bei den Herren unter den besten Vier: die Nummer eins der Welt, Roger Federer.

Als letztes Mixed-Pärchen waren sie selbst zur eigenen Verblüffung gerade noch in den olympischen Wettbewerb hineingerutscht. Doch jetzt können Sabine Lisicki und Christopher Kas auf dem heiligen Rasen von Wimbledon sogar noch Gold, Silber und Bronze gewinnen: „Das ist die verrückteste Geschichte meines Lebens“, sagte Kas, als er am Freitagabend an der Seite seiner tüchtigen Berliner Partnerin mit einem 4:6, 7:6 (7:2), 10:7-Sieg gegen die Italiener Roberta Vinci und Daniele Bracciali ins Halbfinale gestürmt war.

Mit harten Schlägen, beeindruckender Kampfmoral und Nerven wie Drahtseilen meisterte das Duo bei seinem ersten gemeinsamen Turnierauftritt jede noch so knifflige Situation.

„Wir verstehen uns prächtig, leben von den Emotionen dieses Olympia-Auftritts“, sagte die fast zu Tränen gerührte Lisicki, die bei den „Big Points“ des turbulenten Duells ihre gewohnte Coolness ausspielte. In der Runde der letzten Vier spielen die Deutschen nun gegen die Briten Andy Murray/Laura Robson (Großbritannien) oder Samantha Stosur und Lleyton Hewitt aus Australien. Die Rechnung ist einfach: Gewinnt das spätberufene schwarz-rot-goldene Doppel, geht es am Sonntag um Gold. Und selbst im Falle einer Niederlage bliebe immer noch eine zweite Chance, das Match um Bronze. „Das hätte mir vor zwei Wochen mal einer erzählen sollen. Den hätte ich für verrückt erklärt“, sagte Kas.

Achterbahnfahrt auf Centre Court

Während das deutsche Pärchen sein nächstes Olympia-Abenteuer bestand, hielt Roger Federer seinen Goldtraum in einem Gänsehaut-Spiel auf dem Centre Court aufrecht: Der Schweizer balancierte am Abgrund einer Niederlage, schickte seine Fans auf eine Achterbahnfahrt zwischen Hoffnung und Verzweiflung, ehe er in dem denkwürdigen Halbfinal-Marathon gegen den Argentinier Juan Martin del Potro mit 3:6, 7:6 (7:5) und 19:17 triumphierte und erstmals ins olympische Einzelfinale vorrückte. Vier Stunden und 26 Minuten Spielzeit zeigte die Anzeigetafel an - für das längste Drei-Satz-Match der gesamten Profitennis-Ära.

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Federer, 2008 in Peking schon Goldjunge im Doppel mit seinem Freund Stanislas Wawrinka, spielt nun im Finale gegen Andy Murray (Großbritannien) oder Novak Djokovic (Serbien). Im Damenwettbewerb schaffte Maria Scharapowa (Russland) durch einen 6:2, 6:3-Sieg über Landsfrau Maria Kirilenko als erste Spielerin den Finaleinzug.

Kas mussten um Teilnahme bangen

Kas, der Pfundskerl aus Trostberg, hatte sogar um die Reise zu den London-Spielen bangen müssen, eine Verletzung in der Gesäßmuskulatur sorgte für großes Zittern: „Ich war fast schon draußen aus der ganzen Nummer.“ Inzwischen aber, bei der plötzlichen Zugabe der Mixed-Auftritte mit Partnerin Lisicki, verdrängt Kas die Schmerzen ganz einfach und lässt sich wie „Bumm-Bumm-Biene“ („The Times“) von der fröhlichen Party-Atmosphäre anstecken: „Man muss auch mal für Deutschland leiden. Wir wollen eine Medaille holen, das zählt. Und dafür geben wir alles", sagte Kas. Und seiner Mitstreiterin geht es da nicht anders: „Der Spaß ist unglaublich. Das ist ein einziges großes Fest hier.“

„Ich habe die vielen deutschen Fahnen da gesehen und mir gedacht: Die Leute können wir doch nicht enttäuschen", sagte Kas später. Im sogenannten Match-Tiebreak behielten die Deutschen kühlen Kopf, steckten eine kleine Aufholjagd der Rivalen weg und konnten sich schließlich glückselig in die Arme fallen. „Das Wunder von London geht weiter“, formulierte Kas druckreif. Kein Wunder: Sein Vater ist ja Sportreporter. (dapd)