Düsseldorf. Nach den Schweizer Haftbefehlen gegen drei Finanzbeamte aus NRW wegen Wirtschaftsspionage eskaliert der Streit. NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans kritisiert im WAZ-Interview die Haftbefehle und deutet an, auch weiterhin CDs mit Steuersünder-Daten zu kaufen.
Die Schweizer Justiz hat drei Haftbefehle gegen NRW-Steuerfahnder erlassen. Was sagt der Dienstherr?
Norbert Walter-Borjans: Die Haftbefehle müssen vom Tisch. Ich sage meinen drei Steuerfahndern jede Unterstützung zu. Ich erwarte das übrigens auch von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. So kann man nicht ernsthaft über Verträge reden, die Steuerflucht verhindern sollen. Nicht die Fahnder sind Täter, sondern die, die in der Summe Milliarden am deutschen Finanzamt vorbeischleusen. Das müssen die Ehrlichen mitbezahlen. Dagegen arbeiten unsere Fahnder mit Rieseneinsatz. Sie zu Kriminellen abzustempeln, zeugt nicht gerade vom ehrlichen Willen der Schweiz, endlich das Image des Steuerfluchtparadieses abzulegen, wie es immer wieder behauptet wird.
Wie bewerten Sie den Vorwurf der Wirtschaftsspionage?
Walter-Borjans: Der Finanzverwaltung Nordrhein-Westfalen wurden und werden immer wieder Daten von Steuerhinterziehern angeboten. Deren Verwertung ist in Deutschland nicht rechtswidrig. Unsere Steuerfahnder müssen nicht ausschwärmen, um Schweizer Bankmitarbeiter zur Kooperation anzustiften. Wir wollen keine Spionage und wir brauchen sie auch gar nicht. Anders herum wird ein Schuh draus: Es gibt Lehrmaterial von Schweizer Banken, wie man Steuerhinterzieher anwirbt.
Werden Sie weitere Steuer-CDs ankaufen?
Walter-Borjans: Am besten wäre es, wenn der Ankauf von Daten deutscher Steuerhinterzieher überflüssig wäre, weil es keine Hinterziehung mehr gibt. Solange das nicht der Fall ist, sind wir auf Informationen angewiesen - wie bei jeder anderen Form von schwerem Gesetzesverstoß auch. Steuerflucht in dieser Höhe reißt ein empfindliches Loch in unsere Kassen. Das ist kein Kavaliersdelikt, das nur andere betrifft.
Droht jetzt das Aus für das Steuerabkommen mit der Schweiz?
Walter-Borjans: Die Haftbefehle gegen Steuerfahnder sind ein massiver Einschüchterungsversuch. Die Schweizer Bundesbehörde behelligt nicht die Täter und ihre Helfer in den Schweizer Banken, aber sie verfolgt die Gesetzeshüter in unseren Reihen. Das ist völlig verquer und belastet natürlich die Gespräche zwischen der Schweiz und Deutschland über ein Steuerabkommen. Die Ironie der Geschichte ist: Genau deshalb brauchen wir ein Abkommen, das die Beziehungen endlich auf eine geregelte Basis stellt – und endlich ein Ende macht mit der Belohnung von Steuerhinterziehern. Sie dürfen nicht besser wegkommen als die ehrlichen Steuerzahler. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber leider nicht überall.
Wie hoch schätzen Sie die Summe des „Fluchtgeldes“ aus NRW bei Schweizer Banken?
Walter-Borjans: Ich halte Schätzungen für realistisch, dass deutsche Straftäter etwa 150 Milliarden Euro Schwarzgeld auf Schweizer Konten versteckt haben. Nach anderen Hochrechnungen entgehen uns allein in NRW drei Milliarden Euro durch Steuerhinterziehung. Das bedeutet: NRW auf die Neuverschuldung von drei Milliarden Euro im vergangenen Jahr komplett verzichten können. Wer allerdings behauptet, dass man mit dem gegenwärtigen Verhandlungsstand des Abkommens davon doch schon viel bekommen würde, der lügt sich etwas in die Tasche. Große Schlupflöcher bleiben und die Ehrlichen müssen sich fragen, wie dumm es war, nicht auch betrogen zu haben.