Gelsenkirchen. Dirk L., Polizist aus Gelsenkirchen, wird verdächtigt, seine Frau getötet zu haben. Von ihr fehlt seit 29. Mai jede Spur, eine Leiche wurde jedoch nie gefunden. Jetzt steht der 44-Jährige vor Gericht. Angeklagt sind aber andere Delikte: Brandstiftung, Einbruch und Besitz kinderpornografischer Schriften.
Fahrig wirkt er. Eingefallen. Dirk L. (44), der Gelsenkirchener Polizist, der nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft für den Tod seiner Ehefrau verantwortlich sein soll, sitzt seit Dienstag vor Gericht. Aber nicht um Mord oder Totschlag geht es vor dem Amtsgericht Gelsenkirchen-Buer, sondern um „Abfallprodukte“ der Ermittlungen gegen ihn.
Staatsanwalt Marcus Schütz hat angeklagt, was ihm für eine Verurteilung aussichtsreich erscheint: Brandstiftung, Einbruch, Besitz kinderpornografischer Schriften. Nur für den Hauptvorwurf fehlt weiterhin das entscheidende Glied in der Beweiskette – die Leiche der Vermissten. Seit dem 29. Mai 2010 fehlt jede Spur von der 44 Jahre alten Annette L. früher selbst Polizistin und Mutter von vier Kindern aus der Ehe mit Dirk.
Schnell geriet der Polizist in Verdacht, nachdem er seine Frau erst mit Verspätung als vermisst meldete. Sein Doppelleben kam heraus: Dass er ein Verhältnis mit einer Kollegin unterhielt, die ein Kind von ihm erwartete; dass er zwar in einem schmucken Wohnhaus lebte, aber erhebliche finanzielle Probleme hat. Als herauskam, dass er eine Zweitwohnung hatte, rundete dies das Bild von einem Doppelleben ab.
Leiche der Frau bis heute nicht gefunden
Leichenspürhunde schlugen an, doch ihre Spur führte nicht zur Leiche. Die Matratze aus dem Ehebett fanden Passanten im Wald: Verbrannt. Den Mercedes der Vermissten spürten die Fahnder in einem anderen Wald auf: Verbrannt. DNA-Spuren stärkten den Verdacht gegen Dirk L., aber der letzte Beweis fehlte.
Jetzt führt die Justiz doch den Prozess gegen ihn. Es liegt auf der Hand, dass sie ihn damit aus der Reserve locken wollen. Moralisch haben es schon viele versucht, ihn aufgefordert, seinen Kindern das Begräbnis der Mutter zu ermöglichen. Jetzt setzt die Justiz ihn mit der Anklage unter Druck: Kinderpornografische Bilder wurden in seinem Computer sichergestellt. Im Haus einer Bekannten soll er Feuer gelegt haben, weil er eine Ausrede brauchte, um ein Treffen mit seiner Freundin abzusagen. Benzin hatte er laut Anklage im hölzernen Treppenhaus verschüttet. Gefährlich, weil oben der Sohn (12) der Bekannten schlief. Zum Glück zündete die Lunte nicht. Dann der Einbruch ins Marler Haus seines Vaters, wo er EC- und Kreditkarten gestohlen haben soll.
„Verteidungsunfähig“
Im Prozess hören Amtsrichter Helmut Rottländer und die Schöffen dazu von Dirk L. wenig. Bis zum Mittag hatte sein Verteidiger Axel Nagler versucht, den Prozess platzen zu lassen. Sein Mandant sei „verteidigungsunfähig“, deshalb solle das Verfahren ausgesetzt werden. Nicht nur, dass Dirk L. unter dem Druck stehe, als Mörder seiner Frau verdächtigt zu werden. Sein 13-jähriger Sohn sei zudem an Krebs erkrankt und bedürfe der intensiven Betreuung durch den Vater. Das Gericht weist den Aussetzungsantrag zurück. Er diene nur der Verschleppung, weil eine Pflegekraft für den Prozesstag hätte bestellt werden können. Die folgenden Befangenheitsanträge werden ebenfalls als Verschleppung zurückgewiesen. So wird verhandelt, aber der Angeklagte schweigt. Anwalt Nagler: „Er kann sich nicht verteidigen, weil wir die Verteidigung wegen der angesprochenen Probleme nicht besprechen konnten. Zeitweise leidet der Mandant sogar an Gedächtnisverlust und ist selbst in psychotherapeutischer Behandlung.“
Vor dem Saal dreht es sich in den Gesprächen unter den Zeugen, darunter viele Ermittlungsbeamte, doch wieder nur um den Hauptvorwurf. Wo ist die Leiche der vermissten Polizistin? „Jeden von uns könnte man auch heute noch mitten in der Nacht wecken“, sagt ein Polizist, „und wir würden sofort mit der Schaufel anfangen zu graben“.