Essen. Die Einkommens-Statistik zeigt: In den rheinischen Metropolen liegt das Einkommen deutlich über dem im Ruhrgebiet. Doch eine kleine Gemeinde im Märkischen Kreis sticht alle aus.

Reiches Rheinland. ­Armes Ruhrgebiet. Die neuen Zahlen des Statistischen ­Landesamtes bestätigen fast alle (Vor-) Urteile. Düsseldorf führt mit einem verfügbaren Jahreseinkommen von 22.520 Euro pro Kopf die Liste der Großstädte in NRW an. Auch die rheinische Metropole Köln liegt mit 20.298 Euro im Jahr weit vorn. Im Revier erreicht nur Mülheim mit 22.272 Euro solche Größenordnungen.

Denn im übrigen Ruhr­gebiet wird weit weniger gut verdient. Die Einkommen in Duisburg liegen mit 16. 000 Euro deutlich niedriger, die verfügbaren Einkommen in Oberhausen, Bochum und Dortmund pendeln zwischen 16.644 und 17.333 Euro. Nur Essen nähert sich mit 19.064 Euro pro Kopf rheinischen Verhältnissen an.

Krise trifft Besserverdiener

Landesweit lag der Schnitt bei 19.682 Euro – und alle NRW-Bürger zusammen verdienten im Jahr 2009 die unvorstellbare Summe von 352,2 Milliarden – mehr als der Bundeshaushalt. Einen kleinen Ausgleich zwischen dem „reichen Rheinland“ und dem „armen Ruhrgebiet“ haben die Statistiker gefunden. Die Krise von 2008/2009 traf Besserverdiener offenbar härter. Erstmals nach einem langen Aufschwung der Einkommen sanken die verfügbaren Summen. So verloren Düsseldorfs Einwohner pro Kopf 575 Euro gegenüber 2008. In Duisburg legten sie dagegen zu – um ein Abendessen in einem guten Restaurant: plus 68 Euro.

Schalksmühle ist die Stadt mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen in ganz NRW. „Ich kann die Frotzeleien der Kollegen schon verstehen“, sagt Jörg Schönenberg und lächelt ein bisschen. Er ist der Bürgermeister von Schalksmühle. Mit 47.023 Euro je Nase ist der 11.000-Seelen-Ort im Märkischen Kreis der reichste im Land.

Kranenburg Schlusslicht

Dabei ist Schönenberg froh, dass ihn die Kollegen aus dem Ruhrgebiet und von anderswo nicht heimlich anpumpen wollen. Er wüsste ja nicht mal, wo er das Geld abholen sollte: „Schöne Höhenlagen“ gebe es, sagt er, natürlich mit einigen schönen, bebauten Grundstücken. Das wisse man. Und auch eine gut etablierte und wohl gut verdienende Elektroindustrie. Viele Familienbetriebe darunter. Doch es gibt auch das Steuergeheimnis, und Millionäre bleiben deshalb oft unbekannt: „Namen?“, sagt Schönenberg, „Namen? Die kann ich gar nicht nennen.“ Dann weist er darauf hin, dass es durchaus auch weniger gut verdienende Schalksmühler gebe und dass die Kommune selbst auch nicht unbedingt immer in Geld schwimmt.

Statistik, räumt er ein, das ist wohl so eine Sache.

Das sieht Norbert Jansen genau so. Jansen ist Hauptamtsleiter in Kranenburg. Nur stoßen bei ihm die Nachrichten aus dem Statistischen Landesamt sauer auf. Denn Kranenburg im Kreis Kleve stellt das andere Ende der offiziellen Einkommenstatistik von Nordrhein-Westfalen dar. Mit 13 995 Euro pro Einwohner wird hier am wenigsten verdient, sagen die nüchternen Zahlen. Und das bedeutet: Viel weniger als beispielsweise im Ruhrgebiet. Sollten sich die Duisburger mit ihren 15 968 Euro pro Kopf vergleichen, könnten sie sich gleich richtig reich fühlen.

Zuzug aus Holland

Aber Kranenburg ist nicht arm. Im Gegenteil. Es ist ein ungeheuer attraktives niederrheinisches Städtchen mit 10 000 Einwohnern, Zuzugs-Tendenz nach oben. Genau das ist das Problem.

Denn nach Kranenburg sind in den letzten Jahren 2000 bis 3000 Niederländer eingewandert. Sie wohnen hier. Das Wohnen ist preiswerter als im eigenen Land. Zum Arbeiten fahren ungefähr 1500 zurück über die Grenze. Sie bleiben Niederländer, und was sie verdienen, fließt nicht in die Kranenburger Statistik ein. Das drückt den Schnitt hier wie im „zweitärmsten“ Ort von NRW, Selfkant im Kreis Heinsberg. Auch die Selfkanter liegen an der Grenze.

Kranenburgs Bürgermeister kennt das jährliche Spiel mit den Zahlen. Er hat schon in der Landeshauptstadt Düsseldorf beim Statistischen Landesamt protestiert: Immer als die ärmste Gemeinde dargestellt zu werden! Das geht auf die Dauer auf die Nerven und ans Renommee. „Aber der Protest hat nichts genutzt“, sagt Norbert Jansen. Man wird weiter damit leben müssen. Statistik ist so eine Sache.