Hamm. . Kohle gefördert wird im Bergwerk Hamm schon seit Oktober 2010. Jetzt bauen 50 chinesische Facharbeiter die Maschinen und Teile ab, um sie ins Reich der Mitte verschiffen und dort wieder aufbauen zu können.

Wenn die letzten verbliebenen Kumpel im stillgelegten Bergwerk Ost in Hamm zur Arbeit gehen, treffen sie dort derzeit rund 50 Chinesen zum gemeinsamen Einsatz. Seit Anfang August helfen sie den Arbeitern aus Fernost beim Abbau der Maschinen, um sie dann in das rohstoffhungrige Reich der Mitte zu verschiffen.

Nach dem Ende des Zechenbetriebs verschwinden damit nun auch die Relikte des Montanzeitalters. Die Bergleute aus Hamm nehmen das Ende der Zeche mit Zuversicht: „Die ist nicht tot, die lebt woanders weiter!“

Am 30. September 2010 hatten die Bergleute in Hamm, der östlichsten Zeche des Ruhrgebiets, zum letzten Mal Kohle aus dem Schacht geholt. Damit ging eine über 100-jährige Tradition zu Ende.

5500 Kumpel arbeiteten hier

Das Bergwerk Ost in Hamm entstand im Jahr 1998 durch die Zusammenlegung der Bergwerke „Haus Aden/Monopol“, „Heinrich-Robert“ und Hamm/Herringen. Zum 1. Oktober 2010 war Schluss mit Bergbau in Hamm, die Betreiberin Deutsche Steinkohle AG schloss die östlichste Zeche des Ruhrgebiets. Bis zu 5.500 Kumpel standen einst in Lohn und Brot, am Ende waren es rund 2.000. Das Bergwerk war das letzte, das Kokskohle abgebaut hatte.

Im Zentrum der Stadt deutet heute kaum mehr etwas auf den Bergbau hin. In der neu gestalteten Fußgängerzone wird für ein Erlebnisbad und den Tierpark geworben. Nur auf der restaurierten Fassade des ehrwürdigen Bahnhofsgebäudes schmiegen sich hoch oben zwei Statuen von Bergmännern an eine riesige vergoldete Uhr.

90 Tage Zeit für den Abbau

Im Bergwerk Ost sind sie derweil mit dem Abbau beschäftigt. Einige wenige fahren hinunter, die Stollen sollen gewartet und mit Beton gefüllt werden. Die anderen, die nach oben fahren, zerlegen Maschinen. Die chinesischen Arbeiter bauen für die Firma Pingdingshan Coal Mine Machinery die kompletten Aufbereitungsanlagen auseinander, mit denen im Bergwerk Ost früher Kohle von Stein getrennt wurde. 90 Tage haben sie dafür Zeit. Sie wohnen in einem Containerdorf auf dem Gelände.

Der Kohlestaub liegt zentimeterdick im Inneren des gewaltigen Backsteingebäudes, wo die Mitarbeiter ein scheinbar unüberschaubares Durcheinander an Förderbändern, Rohren und Stahl-Ungetümen entwirren. Ein Winkelschleifer kreischt, Funken sprühen, es riecht verbrannt. Durch kleine Fenster fallen lange Lichtkegel in die düstere Halle. Einige rußverschmierte Chinesen schwingen riesige Hämmer, andere hieven mit einem Kran ein langes Stück Stahlrohr eine Etage tiefer.

„Jeder trägt vorschriftsmäßige Ausrüstung“

Rudolf Roth sieht dem Treiben gelassen zu. Der 54-Jährige hat vor 40 Jahren in Hamm seine Ausbildung gemacht, heute ist er stellvertretender Bereichsleiter im Tagesbetrieb. „Sentimental werde ich nicht“, versichert er. Noch sei genug zu tun hier, den Verkauf der Anlagen hält er für richtig.

Dass bei dem Abbau der Anlagen die Sicherheitsstandards eingehalten werden, ist für ihn besonders wichtig. „Jeder hier trägt vorschriftsmäßige Ausrüstung, schauen Sie mal“, erklärt er in bester westfälischer Mundart durch seinen Schnauzbart. „Sie hätten mal hören sollen, wie die Leiterin Frau Pang einen der Arbeiter zur Schnecke gemacht hat, weil der keinen Sicherheitsgurt um hatte“, sagt Roth.

„Ja, das habe ich mir anders vorgestellt“, sagt Kasimir Palubitzki. Der 51-jährige Pole ist im Auftrag der Oberhausener Firma IVT hier, um die Arbeiten zu begleiten. „Die Chinesen scheinen echte Fachmänner zu sein.“ Bei China und Bergbau denken die meisten ja eher an die vielen Grubenunglücke in den vergangenen Jahren.

China sucht gezielt nach Anlagen

„Die Maschinen werden die Situation dort verbessern“, ist sich Karsten Gutberlet sicher. Er ist von der RAG-Tochter Mining Solutions, die darauf spezialisiert ist, Bergbau-Anlagen aus Deutschland nach Osteuropa und Fernost zu exportieren. Vieles hier wurde erst in den vergangenen Jahren gebaut oder gewartet, eine Entstaubungsanlage und ein Wasserfilter sind darunter.

Insgesamt 75 Kernmaschinen, 60 Förderanlagen und 24 Pumpen haben sie penibel nummeriert und fotografiert. Über den Preis schweigen sich die Beteiligten aus. „Die Chinesen kaufen heute nicht mehr alles, sie suchen gezielt“, weiß Gutberlet. Der Verkauf der Bergbau-Anlagen in Hamm ist das zweitgrößte Projekt nach dem Abbau der Kokerei Kaiserstuhl in Dortmund von 2006 - damals hatten chinesische Arbeiter die gesamte Anlage abgebaut und verschifft.

Eigenen Koch mitgebracht

Das Verhältnis zwischen den Bergleuten und den chinesischen Arbeitern ist den Angaben zufolge gut - auch wenn die Sprachdifferenzen natürlich eine Verständigung nicht ganz einfach machen.

Zu Tisch gehen die Chinesen aber allein, sie haben ihren eigenen Koch mitgebracht. „Es gibt nicht wirklich chinesisches Essen hier“, erklärt Zejun Xiao mit Hilfe einer Dolmetscherin. Ansonsten gefällt es dem 68-Jährigen in Deutschland. Den Kölner Dom haben sie sich gemeinsam angeschaut und natürlich das berühmte Bier gekostet. Doch auch die Bergbau-Technik aus Deutschland weiß er zu schätzen: „Ich freue mich, dass die prächtigen deutschen Maschinen bald in meiner Heimat wieder auferstehen - wir können sie dringend gebrauchen.“ (dapd)