Duisburg. In Duisburg wird in einer Woche, dem Jahrestag der Loveparade-Katastrophe, der Opfer gedacht. Und „Der Graf“ singt „Geboren um zu leben“. Im Interview spricht der Frontmann der Band „Unheilig“ über Verlust, Trauer – und seinen Auftritt bei der Gedenkfeier.
21 Menschen kamen bei der Loveparade 2010 zu Tode, Hunderte wurden verletzt. In Duisburg wird in einer Woche, dem Jahrestag der Katastrophe, der Opfer gedacht. Die Gedenkfeier ist öffentlich (Beginn 15 Uhr), bis zu 20 000 Besucher können teilnehmen. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren.
Neben Redebeiträgen wird es Musik geben. „Der Graf“ singt „Geboren um zu leben“ – ein Lied über Trauer und Verlust. Der Frontmann der Band „Unheilig“ wird nur am Klavier begleitet. Mit ihm sprach Holger Dumke über einen schwierigen Auftritt.
Das wird sehr emotional bei der Gedenkfeier in der MSV-Arena. Wie bewältigt man so einen Auftritt?
Ich werde sicher sehr nervös sein. Das ist etwas anderes, als wenn man ein normales Konzert spielt. Hier geht es darum, den Angehörigen das Mitgefühl auszusprechen und den Toten Ehre zu erweisen. Ich werde mein Bestes geben.
Dass Sie „Geboren um zu leben“ singen, ist ein Wunsch der Angehörigen. . .
Ja. Es gab eine offizielle Anfrage. Ich war erst sehr überrascht, aber dann natürlich gerührt. Mir war aber von Anfang an klar, der Auftritt muss klappen – auch wenn es nicht einfach ist, das mitten in einer laufenden Tournee möglich zu machen. Wir wollen, dass beim Auftritt in Duisburg alles stimmt, bringen deshalb zum Beispiel auch auf eigene Rechnung einen Techniker mit. Das muss gut werden!
Wie haben Sie selbst den 24. Juli 2010 erlebt?
Ich war damals unterwegs gewesen und hab es abends in den Nachrichten gehört. Ich wollte es nicht glauben. Und verstehen kann ich es bis heute nicht. Die Bilder von Menschen, die einfach nicht aus dem Gedränge rauskamen, lassen einen nicht los.
Lassen Sie uns über Trauer sprechen. Wie gibt man Trauernden Halt?
Indem man die Trauernden anspricht. Indem man überhaupt den Mut hat, sie anzusprechen. Es ist immer richtig, den Trauernden entgegenzugehen – selbst wenn man erst nicht weiß, was man sagen soll. Einfach da sein.
Hilft es, wenn man gemeinsam trauert?
Definitiv. Ich habe die Erfahrung gemacht, als ein enger Freund von mir gestorben ist – ein Herzinfarkt plus Schlaganfall hinterher. In dieser Zeit war es für mich wichtig zu erfahren, dass ich nicht alleine auf der Welt bin. Dass jemand anderes gesagt hat: Ich bin für Dich da.
Wie lange hält Trauer an?
Der Verlust eines Menschen währt ewig. Das kann man auch nicht wieder gut machen, die Menschen sind einfach nicht mehr da. Die Trauer aber erlebt unterschiedliche Phasen. Am Anfang ist man am Boden zerstört, aber man denkt auch an die schönen Augenblicke mit dem Menschen, und man merkt dann: Diese Erinnerungen bleiben. Das ist das Positive. Die schwierigste Phase der Trauer ist, wenn man wieder Freude empfinden will und man deshalb plötzlich ein schlechtes Gewissen hat. Diese Phase beschreibe ich auch in meinem Lied „Geboren um zu leben“.
Der nächste Schritt ist, dass man seinen Frieden schließt. Man merkt, wie schnell das Leben vorbei sein kann, wie unwichtig viele Kleinigkeiten sind, über die man sich im Alltag ärgert. Und dass man die Zeit, die man hat, nutzen soll.
Die Wunden der Loveparade scheinen nur schwer zu verheilen. Warum?
Weil nicht mit offenen Karten gespielt wird. Erst wenn Du keine Fragen mehr hast, kannst Du Deinen Frieden schließen. Du musst ein Verständnis dafür entwickeln können, was passiert ist. Die Möglichkeit, dieses zu entwickeln, muss man den Angehörigen endlich geben.