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Stera A. ist angeklagt, weil sie die unerwünschte Braut ihres Bruders ermordet haben soll. Doch Stera A. will Stimmen hören. Ihr Verteidiger meint: Sie ist nicht verhandlungsfähig.

Erst war es ihr Bruder. Dann ein vermummter Unbekannter. Und nun ein Geist: eine geheimnisvolle Stimme, die ihr das Töten befahl. Angeklagt des Mordes aber ist Stera A. selbst: Sie soll im Februar in Bottrop ihre Freundin Amal umgebracht haben, hingemetzelt geradezu mit 22 Stichen eines Küchenmessers. Doch zur Verlesung dieser Anklage kommt es am Dienstag nicht. Die 2. Große Strafkammer des Essener Landgerichts wird zunächst herausfinden müssen: Ist diese Frau überhaupt verhandlungsfähig?

Nein, sagen ihre Verteidiger, die auf eine Einstellung des Verfahrens hoffen, wenigstens aber einen Aufschub. Ja, sagt der Arzt, der die 23-Jährige derzeit in einem Justizkrankenhaus betreut. „Keine Beeinträchtigungen“, erklärt der Mediziner. Um dann umständlich zu schildern, wie er seine Patientin nach einem Selbstmordversuch mit Schnürsenkeln im Juni erlebt: als Getriebene einer inneren Stimme, einer Gestalt, die sie immer begleitet, „schon seit Dezember“ – also schon vor der Tat. „Ich sollte töten“, habe die Erscheinung ihr befohlen, sie werde auch nicht festgenommen, so habe die Deutsch-Irakerin erzählt.

Krankheitsbild echt oder nicht echt?

Dennoch, sagt ihr Arzt, sei die Angeklagte „zuverlässig, offen, um Problemlösungen bemüht“. Da aber sitzt dieses zarte Persönchen mit tief liegenden dunklen Augen, gehetzt sieht Stera A. aus, starr ist der Blick. Ins Leere? Oder hinüber zur Mutter des Opfers, die ganz in Schwarz erschienen ist, immer wieder von Weinkrämpfen geschüttelt; sie hat eine ihrer Töchter verloren, die auch erst 23 war, und deren vierjährige Tochter ihre Mutter. Die Angeklagte, unter dem Einfluss von Medikamenten, sitzt regungs- und wortlos, sie will auch mit keinem Gutachter mehr reden.

„Wenn sie Stimmen hört, wäre sie natürlich nicht verhandlungsfähig“, sagt der. „Eine akute schizophrene Psychose schließt das aus“, so Psychiater Prof. Norbert Leygraf. Die Frage sei aber: Ist das angebliche Krankheitsbild der 23-Jährigen echt oder nicht echt? Leygraf nämlich hält manches in der Schilderung des Kollegen für „absolut untypisch“ und äußert den „Verdacht, dass es nicht so weit her ist mit der Schizophrenie“. Alles nur simuliert? Die Kammer will nun weitere Experten hören, die Stera A. seit ihrer Festnahme betreut haben.

Familie war mit Heirat nicht einverstanden

Die war schon am Tag nach dem Tode Amals erfolgt. Nach Hilferufen aus deren Bottroper Wohnung hatten Nachbarn damals die Polizei gerufen. Die fand die hübsche junge Frau hinter ihrer blutverschmierten Tür, verblutet. An der Tatwaffe, laut Staatsanwaltschaft einem „Schinkenmesser“, fanden die Ermittler Spuren von Stera A. Die schob die Schuld bisher wechselnd auf ihren Bruder oder den unbekannten Vermummten.

Für die Ankläger aber ist die Sache offensichtlich: Die Freundinnen hätten sich anlässlich eines Gesprächs über Hochzeits-Vorbereitungen gestritten. Amal, Tochter libanesischer Eltern, habe Steras Bruder Houzan heiraten wollen. Damit sei aber dessen Familie nicht einverstanden gewesen, zumal das Gerücht ging, die allein erziehende Amal habe bereits eine Abtreibung hinter sich. Im Verlauf des Streits soll Stera A. vergeblich versucht haben, Freundin und Bruder zu entzweien, dann habe sie das Messer aus der Küche geholt und es der Fliehenden zwölfmal in den Rücken gerammt. Als das Opfer zu Boden ging, trafen weitere zehn Stiche Oberkörper und Hals.

Zweifel ausräumen

Stera A. wäre durchaus in der Lage, diese Mordanklage zu verstehen, hat ihr behandelnder Arzt vor Gericht gesagt – wenn sie denn verlesen würde. Doch die Zweifel daran müssen erst ausgeräumt sein. Würde eine schon länger andauernde Psychose aber tatsächlich bestätigt: Dann wäre die junge Frau wohl verhandlungs-, womöglich aber auch schuldunfähig.