Lünen. .

30 Tage ohne Alkohol und Lügen fällt Mariwan Hasan nicht schwer. Schließlich ist Ramadan – der Fastenmonat der Muslime. Nur der Essensverzicht fordert all seine Willenskraft: Hasan ist Verkäufer in einem Dönerladen.

30 Tage nicht zu lügen – für Mariwan Hasan die leichteste Übung. Einen Monat keinen Alkohol – geschenkt. Nur diese eine Kleinigkeit mit dem Essensverzicht erfordert dann doch seine ganze Willenskraft. Die Versuchung dreht sich vor ihm, unaufhaltsam, zehn Stunden am Tag, fünf Tage in der Woche. Hasan ist Verkäufer. In einem Dönerladen.

Höchststrafe für einen, der das Produkt, das er verkauft, so sehr liebt wie Mariwan Hasan. „Ich esse vier bis fünf Döner in der Woche“, gesteht er freimütig. Zu verdenken ist es ihm nicht: Der intensive Geruch von gegrilltem Kalbfleisch erfüllt den Imbiss, die paradiesische Versuchung hängt hier nicht am Baum, sondern dreht sich am Spieß.

„Allein der Geruch sättigt mich ein wenig“, erzählt Hasan und erklärt in demselben Atemzug, warum selbst das zu seinem Verhängnis werden kann: „Ich darf während Ramadan kein Sättigungsgefühl verspüren. Deswegen muss ich mir solche Bemerkungen in den kommenden Wochen ersparen.“

Minutengenauer Kalender im Ramadan

Hasans Chef gesellt sich dazu. Es ist Ertekin Okumus (36). Er kramt eine Tabelle hervor, nicht größer als der Flyer, mit dem er für seinen Laden wirbt. Es ist ein Kalender. Eigens für den Ramadan. Er beginnt mit dem heutigen Tag. Mittwoch, 11. August. Sonnenaufgang: 4.34 Uhr. Sonnenuntergang: 21.03 Uhr. Zwischendrin noch vier Gebete, alle mit minutengenauer Uhrzeit vermerkt. Essen und Trinken sind nicht vermerkt. „Das halten wir immer ein“, sagt er. Das Schmunzeln, das seinen Satz begleitet, ist von Stolz erfüllt.

Mariwan Hasan hält sich nun schon seit 19 Jahren daran. Ab der Pubertät sollen Muslime nämlich mit dem Fasten beginnen. Zeit genug für Hasan, um genügend Tricks gegen plötzliche Hungerattacken parat zu haben. „Morgens esse ich viel Brot und Fleisch, halt etwas, was lange vorhält, trinke zudem mehr als üblich. Nach Feierabend, wenn sich der Hunger bemerkbar macht, werfe ich sofort die Sportklamotten über und gehe joggen. Und abends, nach Sonnenuntergang esse ich meist fettig und Baklava, eine türkische Süßspeise.“ Bis zu fünf Kilo nimmt der ohnehin schon schlanke Mariwan Hasan im Ramadan ab.

Schulferien machen das Fasten leichter

Leyla Okumus, die zwölfjährige Tochter des Inhabers, betritt während des Gesprächs den Laden. Die Pubertät steht ihr noch bevor. Fasten will sie trotzdem. „Im Ramadan komme ich allerdings nur ganz selten hierher“, sagt sie mit einem breiten Grinsen. Zu groß wäre die Versuchung. Zu intensiv der Geruch, der den Appetit schneller anregte als ihr lieb wäre. Und noch eine Tatsache erleichtere ihr die diesjährigen Fastenzeit: die Schulferien. Keine Mitschüler, die genüsslich ins Pausenbrot beißen, keine, die während des Unterrichts an ihrer Trinkflasche nippen.

Während die meisten Muslime also über die langen Sommertage klagen, ist Leyla erleichtert, dass sich der Fastenmonat jährlich um zehn Tage nach vorne verschiebt. Probleme mit verständnislosen Mitschülern habe es im vergangenen Jahr, ihrem ersten Ramadan, aber auch nicht gegeben, betont sie.

Zurück zur Fastenzeit am Dönerspieß. Eine Höchststrafe? Mitnichten. Im Gegenteil: Mariwan Hasan, der Lüner Dönerverkäufer, hat es für sich gar als privilegierte Herausforderung begriffen: „Es ist uns ja höher anzurechnen, da wir im Ramadan mehr Willenskraft aufbringen müssen, als die Leute, die nicht in einem Dönerladen arbeiten.“