Évian-les-Bains. Benedikt Höwedes wird am Donnerstag gegen Frankreich in der deutschen Startelf stehen. “Ich bin bereit“, sagt der Schalke-Kapitän im großen Interview.

  • Benedikt Höwedes wird am Donnerstag gegen Frankreich in der deutschen Startelf stehen.
  • "Ich bin bereit", sagt der Schalke-Kapitän im großen Interview.
  • Höwedes äußert sich auch zur Kritik an der Taktik im Italien-Spiel.

Benedikt Höwedes lässt sich Zeit. Insgesamt fünf Interviewtermine hat die Pressestelle des DFB an diesem Tag vergeben. Und während Mesut Özil, Mats Hummels, André Schürrle und Jonas Hector längst ein Fragengewitter über sich ergehen lassen, wird Höwedes als letzter Nationalspieler vorgefahren. Ob alles in Ordnung sei, wird der Schalker, der beim Training ein bisschen kürzer getreten ist, gefragt. „Alles bestens“, sagt Höwedes. „Ich bin bereit für das große Spiel.“

Monsieur Höwedes, comment peut-on battre la France?

Benedikt Höwedes: Leute, ich hatte zwar ein paar Jahre Französischunterricht in der Schule, aber damit könnt ihr mir doch jetzt nicht kommen.

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Nach einem Monat in Frankreich mussten wir mal mit unserem Schulfranzösisch ein wenig prahlen. Eigentlich wollten wir aber nur eines wissen: wie kann man diese Franzosen schlagen?

Benedikt Höwedes: Puh, das ist auch auf deutsch keine einfach Frage. Die Franzosen werden nach dem 5:2-Sieg gegen Island mit einem extrem großen Selbstbewusstsein auflaufen. Im Viertelfinale hat bei ihnen sehr viel geklappt, die Torschüsse, die Einzelaktionen. Ähnlich wie gegen Italien dürfen wir da einfach nicht viel zulassen. Wir müssen vor allem aufpassen, dass wir Frankreichs starke Individualisten in den Griff bekommen. Auch wenn bei uns einige ausfallen, mache ich mir überhaupt keine Sorgen. Nun müssen andere in die Bresche springen.

Sie werden definitiv von Anfang an dabei sein. Haben Sie eigentlich mitbekommen, was der Bundestrainer über Sie am Montag auf der Pressekonferenz gesagt hat? Benedikt Höwedes sei Gold wert für diese Mannschaft…

Benedikt Höwedes: Ich habe das gelesen, ja. Es freut mich natürlich, dass er meine Leistung so wertgeschätzt hat. Ich glaube auch, dass ich meine Sache gegen Italien ganz gut gemacht habe.

Uns freut, dass Sie so etwas noch in der Zeitung lesen?

Benedikt Höwedes: Naja, ich habe es auch bei Twitter gelesen. Und dann haben mir ein paar Leute noch Artikel zugeschickt. Ich bin aber eigentlich jemand, der nicht so gern den Sportteil liest, das muss ich manchmal nicht haben, denn es wird ja auch nicht immer nur überschwänglich gelobt. Dann lese ich lieber den Rest der Zeitung. Aber unabhängig vom Lob des Bundestrainers bin ich mir jedenfalls sicher, dass wir auch extrem gut auf das Spiel gegen Frankreich vorbereitet sind.

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Höwedes über die Vorbereitung auf Frankreich: "Ich schlafe wie ein Baby" 

Genau darüber würden wir gerne mit Ihnen sprechen: Wie bereitet man sich auf so ein einmaliges Spiel vor?

Benedikt Höwedes: Das macht jeder anders. Ich gehe zum Beispiel gerne am Vorabend gegen 23 Uhr ins Bett, stehe dann am Morgen gegen 9 Uhr auf und frühstücke.

Schlafen Sie ruhig oder verfolgt Sie so ein Spiel schon vorher im Schlaf?

Benedikt Höwedes: Ich schlafe wie ein Baby. Allerdings mag ich es auch nicht, zu lange vor so einem Spiel zu schlafen.

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    Bleiben Sie den ganzen Tag fokussiert oder versuchen Sie sich abzulenken?

    Benedikt Höwedes: Besonders bei einem Abendspiel braucht man am Tag ein bisschen Ablenkung, um den Kopf frei zu bekommen. Ich schaue mir zum Beispiel gerne am freien Vormittag Serien an.

    Welche Serie steht vor dem Frankreichspiel auf dem Programm?

    Benedikt Höwedes: Vikings. Die hat mir unser Medienmann Uli Voigt empfohlen. Das ist so eine Mittelalterserie, so ähnlich wie Game of Thrones. Allzu viele Folgen schaffe ich aber nicht. Wir haben dann ja eine Anschwitzeinheit, ein bisschen Fußballtennis. Nachmittags lege ich mich noch einmal kurz hin und schaue vielleicht noch eine Folge. Der Tag vor so einem großen Spiel zieht sich. Irgendwann fängt dann die Konzentrationsphase an.

    Wie sieht die aus?

    Benedikt Höwedes: Ich mache ein paar Konzentrationsübungen, ein bisschen mentales Training, ein wenig Stretching. Dann schaut man sich noch mal ein paar Videos zum Gegner an.

    Nutzen Sie dafür die extra für die Nationalmannschaft entwickelte App?

    Benedikt Höwedes: Ja, da kann man sich gezielt Videos über seinen Gegenspieler abrufen. Wie bewegt sich der Stürmer? Was für Abläufe hat er? Hat er irgendwas, was er immer macht. Solche Dinge.

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    Gegen Frankreich dürfte Oliver Giroud Ihr direkter Gegenspieler sein.

    Benedikt Höwedes: Genau. Natürlich schaue ich mir alle Offensivspieler an. Aber ein besonderes Augenmerk gilt Giroud.

    Sie sind sich ja schon mal in der Champions League begegnet…

    Benedikt Höwedes (lacht): Champions League ist bei Schalke ja schon eine Weile her.

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      Darauf wollten wir natürlich nicht anspielen. Aber erinnern Sie sich?

      Benedikt Höwedes: Dunkel. In der Saison 2012/13 haben wir gegen Arsenal London gespielt. In London haben wir gewonnen. 2:1, glaube ich. Kann das sein?

      2:0.

      Benedikt Höwedes: Um so besser. Und im Heimspiel müsste das ein 2:2 gewesen sein.

      Stimmt. Arsenals Torschütze: Giroud.

      Benedikt Höwedes: Oha. Aber er ist nun mal auch ein ziemlich guter Stürmer. Besonders im Abschluss ist er unglaublich stark. Unsere Aufgabe muss es sein, ihn möglichst gar nicht erst zum Abschluss kommen zu lassen.

      Die Italiener hatten auch gute Stürmer, waren aber sehr ausrechenbar. Die Franzosen rotieren dagegen permanent.

      Benedikt Höwedes: Die Italiener waren tatsächlich ausrechenbar, aber gleichzeitig bärenstark. Deswegen war aus meiner Sicht auch unsere Wahl der Dreierkette genau die richtige. Das ist aber ein anderes Thema.

      Ein interessantes Thema.

      Benedikt Höwedes: Das kann ich mir denken. Aber ehrlich gesagt weiß ich noch gar nicht, ob wir jetzt noch mal mit einer Dreierkette spielen oder nicht. Gegen Italien war es jedenfalls genau die richtige Idee. Wir wollten einfach nicht so naiv sein wie Spanien und uns nur auf unsere eigenen Stärken besinnen. Italien hatte nur eine einzige Torchance im ganzen Spiel. Frankreich spielt allerdings ganz anders als Italien. Viel variabler, viel weniger Schema F. Jogi Löw wird uns sicher top auf die französische Elf vorbereiten – auch dank der Arbeit von Urs Siegenthaler und der gesamten Scouting-Abteilung.

      Sie spielen allerdings nicht nur gegen elf, sondern gegen 66 Millionen Franzosen. Hand aufs Herz: Ist das nicht auch ein wenig einschüchternd?

      Benedikt Höwedes: Einschüchternd ist das nicht, im Gegenteil, im Halbfinale gegen den Gastgeber, das ist doch etwas ganz Besonderes. Die Stimmung wird großartig sein, das sind Dinge, mit denen ich mich nochmal pushen kann. Das war vor zwei Jahren genauso. Das Spiel gegen die Brasilianer war einmalig, das wird niemals wieder so sein, dass ein Halbfinale mit 7:1 endet…

      Eigentlich haben wir jetzt auch wieder mindestens ein 7:1 erwartet…

      Benedikt Höwedes (lacht): Natürlich habt ihr das. Aber im Ernst: Manchmal scheint es so, dass es in Deutschland eine Selbstverständlichkeit ist, dass wir immer ins Halbfinale kommen. Dabei muss man sich mal vergegenwärtigen, dass wir nun zum sechsten Mal in Folge bei einem Turnier in einem Halbfinale stehen. Davon können Top-Nationen wie Brasilien, Argentinien oder Spanien nur träumen. Und da können andere gern die Spiele schlechtreden wie sie wollen. Fakt ist, dass Deutschland einmalig stark ist in Turnieren.

      In diesem Halbfinale ist aber auch der Gegner wieder ziemlich stark.

      Benedikt Höwedes: Frankreich ist wahnsinnig stark, hat großartige Qualität in der Offensive mit Giroud, mit Payet, mit Pogba, mit Griezmann. Es ist eine Freude gegen den Gastgeber zu spielen. Es wird eine riesen Euphorie im Land und im Stadion sein, jeder wird inbrünstig diese Hymne singen. Das wird ein Gänsehaut-Moment sein für uns alle. Und trotzdem konzentrieren wir uns mit dem Anpfiff nur noch auf unsere Sache.

      Höwedes erklärt, warum er vor dem Spiel keine Kopfhörer trägt 

      Man kann zumindest nicht behaupten, dass Sie gegen Gastgebernationen schlechte Erfahrungen hätten…

      Benedikt Höwedes: Den Halbfinaltag in Belo Horizonte gegen Brasilien werde ich mein Leben nicht vergessen. Die ganze Stadt war damals gelb. Wir fuhren mit dem Mannschaftsbus durch eine gelbe Wand vom Hotel bis zum Stadion. Und ich hatte von der Abfahrt bis zum Abspielen der Nationalhymne eine Dauergänsehaut. Das war phänomenal. Und auch in Marseille werden natürlich Unmengen von Menschen in Blau herumlaufen, "Allez les Bleus" rufen und ihre Mannschaft nach vorne peitschen. Und genau das ist auch geil. Bisher hatten wir immer die Heimspiele, weil unzählige Fans angereist sind aus Deutschland. Diesmal wird es eben andersherum sein.

      Wir haben drauf geachtet: Fast alle Ihrer Kollegen kommen an und haben beim Betreten des Stadions Kopfhörer auf, hören Musik. Sie machen das nicht. Warum nicht?

      Benedikt Höwedes: Ich will die ganze Atmosphäre aufsaugen. Ich will das mitkriegen, wenn die Leute schreien, wenn die den Mittelfinger zeigen, wenn die herumpöbeln. Ich mag das, das ist eine einzigartige Stimmung. Für solche Spiele ist man als Fußballer geboren