Évian-les-Bains. Der ehemalige Schalker Julian Draxler begeistert nicht nur Bundestrainer Löw. Gegen die Slowakei im EM-Achtelfinale war Draxler der beste Spieler.
Der Ball gehorcht. Von Julian Draxlers Fuß gesteuert, fliegt er sanft über die beiden Gegenspieler hinweg in den Fuß des Mitspielers. Zentimetersache im Vormittagstraining der Fußball-Nationalmannschaft in Évian. Es ist nur ein Pass, aber einer, der zeigt, wie viel gegenseitige Liebe in der Beziehung Draxler/Ball steckt.
„Manchmal im Training bin ich sehr, sehr begeistert“, sagt Bundestrainer Joachim Löw und schwärmt, „was für immens große Fähigkeiten der Jule“ hat.
Das ist ein Lob, definitiv, aber ihm ist auch eine winzige Dosis Gift beigemischt. „Mal unglaublich gut, mal weniger“, sagt Löw über Draxlers Leistungen. Aber er hat die berechtigte Hoffnung, dass sich der Profi des VfL Wolfsburg gerade verwandelt. Vom Trainings-Jule zum Turnier-Draxler. Oder vielleicht schon verwandelt hat?
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Gegen die Slowakei im EM-Achtelfinale war Draxler der beste Spieler auf dem Platz. So gut, dass man sich manchmal fragen wollte, wen man dort ins deutsche Trikot mit der Nummer 11 gesteckt hatte. So gut war er beim DFB noch nie gewesen. Gegen Italien musste er seinen Platz in der Startformation aus taktischen Gründen räumen, aber als im dramatischen Elfmeterschießen mutige Männer gefragt waren und der Bundestrainer Draxler fragte, ob er schießen möge, da sagte er: „Klar, Trainer, ich gehe in jedem Fall.“ Auf dem Weg zum Kreidepunkt raste sein Puls.
Der Moment vor dem Elfmeter
So eine Drucksituation, sagte er hinterher, habe er noch nicht erlebt. Draxler traf entschlossen. Ein Schuss wie seine Geisteshaltung im Moment. „Jule macht einen unheimlich konzentrierten Eindruck“, lobt Verteidiger Benedikt Höwedes, der ihn als Mitspieler in Schalke erlebte, wo Draxler als 17-Jähriger zu den Profis stieß und die größtmögliche Projektionsfläche für königsblaue Träume wurde.
Als er einst seinen Vertrag verlängerte, fuhren Lkw mit seinem Konterfei durch die Stadt. „Er hatte in Schalke als ganz junger Spieler vielleicht ein bisschen zu viel Verantwortung und Druck“, glaubt Löw. Die vielen Jahre ohne Meisterschaft ummantelten Draxler wie ein Kokon. Er ging vor einem Jahr nach Wolfsburg, auf dem Weg zum Glück scheint er erst jetzt in Frankreich zu sein. „Er arbeitet an sich und ist gewillt, großartige Spiele zu machen“, meint Höwedes.
„Ich verspreche mir noch eine sehr gute Turnierleistung von ihm“, formuliert der Bundestrainer seine Erwartungshaltung an den gebürtigen Gladbecker so deutlich wie selten zuvor in der Öffentlichkeit. Aber Löws Planspiele mit dem schlafenden Riesen gehen weit über dieses Turnier hinaus.
Löw über Draxlers Zukunft
Der Dortmunder Marco Reus hätte eigentlich auf der linken Seite spielen sollen bei diesem Turnier, er verletzte sich jedoch. Der fünf Jahre jüngere Draxler steht in der Hierarchie also schon auf Platz zwei. Tendenz derzeit: steigend.
Eine gute Ausgangsposition für die Zukunft, wenn er schafft, was sich Löw wünscht. „Was ihm manchmal gefehlt hat, ist die Konstanz. Wenn er die erreicht, dann wird er in den kommenden Jahren ein sehr, sehr wichtiger Spieler in der Nationalmannschaft sein.“
Der Draxler, der im Training alle beeindruckt und in wichtigen Spielen zu selten auftaucht, soll der Vergangenheit angehören. Nächste Chance, die Verwandlung zu belegen: am Donnerstag in Marseille.