Essen. . Für zahllose Frauen wurde die Silvesternacht in Köln zum Alptraum. Die massiven Übergriffe lösten Aufregung und Verunsicherung aus - bundesweit.
Sexuelle Nötigung, Vergewaltigung, Diebstähle: Für zahllose Frauen wurde die Silvesternacht 2016 in Köln zum Alptraum. Hunderte Männer belästigten Frauen am Hautbahnhof massiv. Die Skandalnacht wuchs sich zu einer Vertrauenskrise aus gegenüber Polizei und dem staatliche Gewaltmonopol. Auf Facebook wird zu Bürgerwehren aufgerufen, im Landtag NRW gerät die rot-grüne Landesregierung unter Druck, Oppositionsparteien fordern NRW-Innenminister Ralf Jäger zum Rücktritt auf. Die wichtigsten Ereignisse rund um die Silvesternacht in einer Chronik aus den ersten Wochen.
Neujahr, 1. Januar 2016, Freitag - Silvesterfeiern in Köln waren laut Polizei "friedlich"
In einer Pressemitteilung berichtet die Kölner Polizei, die Silvesterfeiern in Köln seien „weitgehend friedlich“ gewesen, die Stimmung in der Stadt wird als „ausgelassen“ beschrieben. Kurz vor Mitternacht habe der Bahnhofsvorplatz an den Treppen zum Dom geräumt werden müssen, „um eine Massenpanik durch Zünden von pyrotechnischer Munition bei den circa 1000 Feiernden zu verhindern“. Die Einsatzlage habe sich letztlich „entspannt“ gestaltet, „auch weil die Polizei sich an neuralgischen Orten gut aufgestellt und präsent zeigte“.
2. Januar, Samstag - Kölner Polizei gründet Ermittlungsgruppe
Dass es in der Silvesternacht vor und im Hauptbahnhof zu massiven sexuellen Übergriffen gekommen war, macht über soziale Medien bereits an Neujahr die Runde. Die Kölner Polizei reagiert erst am Nachmittag des 2. Januar mit einer erneuten Pressemitteilung. Die Mitteilung, um 16.58 Uhr veröffentlicht, unterscheidet sich diametral von der Mitteilung vom Neujahrs-Tag: „In der Silvesternacht nutzten Tätergruppen das Getümmel rund um den Dom und begangen Straftaten unterschiedlicher Deliktsbereiche. Die Polizei Köln hat eine Ermittlungsgruppe zur Aufklärung der Fälle eingerichtet. (...)“ Knapp 30 Betroffene hätten Anzeige erstattet. Zeugen hätten die Täter als „nordafrikanisch aussehend“ beschrieben. Auf Anfrage heißt es in der Leitstelle der Kölner Polizei, die Anzeigen dürften sich noch häufen, die Vorfälle insbesondere am und im Hauptbahnhof seien massiv gewesen.
3. Januar, Sonntag - Mehrere Verdächtige in Köln festgenommen
Die Polizei berichtet, nach den Übergriffen in der Silvesternacht seien vor dem Hauptbahnhof fünf Verdächtige festgenommen worden, nachdem die Polizei am frühen Sonntagmorgen gegen 4 Uhr über den Notruf 110 alarmiert worden sei. „Die Männer hatten weibliche Reisende bedrängt. Bei einem weiteren Geschädigten entwendeten die Täter ein Mobiltelefon.“ Ob sie auch in der Silvesternacht aktiv waren, sei noch zu ermitteln.
4. Januar, Montag - Polizeipräsident beklagt "Straftaten einer neuen Dimension"
Silvester-Übergriffe in KölnDie Kölner Polizei lädt zu einer Pressekonferenz zu den Übergriffen in der Silvesternacht. Inzwischen gibt es 80 Strafanzeigen von Betroffenen, darunter 60 wegen Sexualdelikten und Diebstählen. Polizeipräsident Wolfgang Albers spricht von "Straftaten einer völlig neuen Dimension" und "Sexualdelikten in sehr massiver Form". Rund 1000 stark alkoholisierte Männer hätten sich in der Silvesternacht am Bahnhof völlig enthemmt, aggressiv und gänzlich unbeeindruckt von der Polizei verhalten. Albers sagt, "es ist ein unerträglicher Zustand, dass mitten in der Stadt solche Straftaten begangen werden". Frauen seien begrapscht, belästigt und ausgeraubt worden, auch von einer Vergewaltigung ist die Rede. Bei den Tätern solle es sich um Männer handeln, die "dem Aussehen nach aus dem arabischen oder nordafrikanischen Raum" stammen. Die Männer sollen zwischen 15 und 35 Jahre alt sein. Konkreteres weiß die Polizei am Montag nach eigenen Angaben nicht. In den überregionalen Medien wird erst langsam die Dimension der Übergriffe klar. Das ZDF steht in der Kritik, weil die "heute"-Sendung dem Geschehen in Köln nur einen Kurzbeitrag einräumt.
5. Januar, Dienstag - Kölner OB sorgt mit "Armlänge"-Ratschlag für Empörung
Nun gibt es bereits 90 Strafanzeigen nach den Übergriffen in der Silvesternacht in Köln. Auf dem Nachrichtensender ntv berichtet eine Augenzeugin: „Wir waren umzingelt von zehn, zwanzig ausländischen Männern. Die haben uns überall angepackt, ins Dekolleté gefasst, an die Beine“. In anderen Medienberichten sind noch abscheulichere Erlebnisse zu lesen. Zudem wird bekannt, dass es Silvester ähnliche Vorfälle auch auf der Hamburger Reeperbahn gegeben hat.
Die Ereignisse lösen bundesweit Empörung aus. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) fordert eine umfassende Aufklärung und warnte zugleich davor, die Vorfälle mit der Flüchtlings-Debatte zu vermischen. Auch Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker mahnt, es sei "absolut unzulässig", Flüchtlinge mit den Taten in Verbindung zu bringen. NRW-Innenminister Ralf Jäger fordert harte Strafen gegen die Täter: „Wir nehmen es nicht hin, dass sich nordafrikanische Männergruppen organisieren, um wehrlose Frauen mit dreisten sexuellen Attacken zu erniedrigen“. Reker verspricht: „Wir haben Maßnahmen entwickelt, die dazu führen sollen, dass es solche Vorfälle nie wieder gibt“. Beim bevorstehenden Karneval werde man sich das Feiern nicht verbieten lassen. Reker löst aber auch Kritik und Empörung aus, weil sie Frauen rät, „eine Armlänge“ Abstand zu halten, um sich vor Übergriffen zu schützen. Am Abend sorgt Bundesinnenminister Thomas de Maizière für Kritik, weil er die Kölner Polizei angreift. In den ARD-"Tagesthemen" sagt er: "Da wird der Platz geräumt - und später finden diese Ereignisse statt, und man wartet auf Anzeigen. So kann die Polizei nicht arbeiten."
6. Januar, Mittwoch - Gewerkschaften nehmen Kölner Polizei in Schutz
Kölns Polizeipräsident Albers schließt in einem Hörfunkinterview mit dem WDR einen Rücktritt aus. Die Polizei berichtet, es gebe nun konkrete Hinweise zu vier männlichen Tatverdächtigen aus der Silvesternacht. Zwei Beschuldigte, die am Sonntag im Hauptbahnhof einen Reisenden bestohlen haben sollen, seien zudem in U-Haft. Die Zahl der gestellten Strafanzeigen zur Silvesternacht steige weiter, auf inzwischen mehr als 100. Das NRW-Innenministerium teilt mit, drei Verdächtige seien ermittelt. Die Kölner Polizei hat unterdessen ihre Ermittlungsgruppe auf 80 Mitarbeiter auf. Ein Polizeigewerkschafter berichtet über Missstimmung zwischen Bundespolizei und Landespolizei am Kölner Hauptbahnhof geben. Für den Bereich im Bahnhof und bis 30 Meter davor sind die Bundesbeamten zuständig, das weitere Umfeld gehört zum Bereich der Landespolizei. In der Silvesternacht hielten sich viele Täter vor, aber auch im Bahnhof ab.
Polizeigewerkschafter nehmen indes die Polizei in Köln in Schutz. Bundesinnenminister de Maizière warnt vor Pauschalurteilen gegenüber Flüchtlingen und Migranten, fordert aber auch, falls Flüchtlinge unter den Tätern gewesen seien, dürfe das nicht tabuisiert werden. Andere Spitzenpolitiker fordern „Härte gegen die Täter“. FDP-Chef Christian Linder sieht die Übergriffe in Köln als Beleg einer verfehlten Flüchtlingspolitik und wirft Kanzlerin Angela Merkel vor, sie habe mit ihrer nicht abgestimmten Grenzöffnung "unseren Kontinent ins Chaos gestürzt".
7. Januar, Donnerstag - Polizei soll Herkunft der Verdächtigen verschwiegen haben
Laut Polizei gibt es nun 16 Tatverdächtige und 121 Strafanzeigen. Aus einem internen Bericht der Bundespolizei geht hervor, die Polizeispitze sei schon früh über das Ausmaß der Übergriffe informiert gewesen. Demnach waren zu wenige Beamte im Einsatz. Das Angebot, Verstärkung zu schicken, haben die Kölner Polizei jedoch ausgeschlagen. Auch in Düsseldorf und Dortmund mehren sich Strafanzeigen, wegen Übergriffen in der Silvesternacht. Der Druck auf Polizeipräsident Wolfgang Albers wächst, ihm wird vorgeworfen, er hätte bereits an Neujahr von den Vorfällen gewusst, sie jedoch nicht veröffentlichen lassen. Medienberichte legen zudem nahe, dass die Polizeiführung in Köln die Herkunft der in der Silvesternacht kontrollierten Personen verheimlicht hat: Demnach soll der Polizei bereits früh in der Nacht klar gewesen sein, dass es sich bei vielen der jungen Männer am Bahnhof um Syrer, Iraker und Afghanen handelte, die erst seit kurzem in Deutschland leben. GdP-Landeschef Arnold Plickert beklagt eine generelle politische „Beschönigungsrhetorik“ in NRW.
8. Januar, Freitag - NRW-Innenminister entlässt den Kölner Polizeipräsidenten
NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) versetzt Polizeichef Wolfgang Albers (60) in den einstweiligen Ruhestand. Das hatte am Vortag u.a. Landtagsfraktionsvize der CDU, Peter Biesenbach, gefordert. Kölns Oberbürgermeisterin Reker erklärte zuvor, sie gehe „auf Distanz“ zu Albers. Die Bundesspitze der CDU beginnt eine zweitägige Klausurtagung in Mainz und verlangt schärfere Gesetze gegen kriminelle Ausländer. Die Kölner Polizei fügt ihrer Pressemitteilung vom 1. Januar einen Nachtrag zu. Die Inhalte dieser Mitteilungen „sind inhaltlich nicht korrekt“. Polizeipräsident Wolfgang Albers habe bereits am 5. Januar in einer öffentlichen Stellungnahme „den Fehler eingeräumt“. Die Meldung bleibt „aus Gründen der Transparenz“ jedoch online.
9. Januar, Samstag - Ausschreitungen bei Pegida-Demo in Köln
Die Bundes-CDU gibt ihre „Mainzer Erklärung“ zu ihren künftigen Zielen in der Flüchtlingspolitik bekannt. Inhalt u.a. schärfere Gesetzte gegen kriminellen Ausländer und schnellere Abschiebung von Flüchtlingen und Asylbewerbern. In Köln ziehen die Silvesterübergriffe nun den rechten Mob auf die Straße. Die Polizei löst die gewalttätige Demonstration von Rechtsextremisten und Pegida-Anhängern schließlich auf. Hooligans bewarfen Polizei und Journalisten mit Flaschen und Steinen. Zugleich demonstrieren einige Hundert Bürger friedlich gegen Rassismus und Sexismus. Inzwischen zählt die Polizei 400 Strafanzeigen zu den Vorfällen in der Silvesternacht.
10. Januar, Sonntag - Rechter Mob geht in Köln auf Ausländer los
Aus der Bundesregierung kommen Forderungen nach mehr Polizei und schnellerer Justiz. Sie will das Asylrecht verschärfen. Die Kölner Polizei meldet nun 516 Strafanzeigen, etwa 40 Prozent der Fälle unter anderem wegen Sexualdelikten. In Köln greifen Unbekannte mehrere Ausländer an. Sechs Pakistanis und ein Mann aus dem arabischen Raum wurden von einer Übermacht angegriffen, heißt es. Die Aktion sei von einem Rockerclub ausgegangen und über eine geheime Facebookgruppe organisiert worden. Auch Hooligans hätten sich angeschlossen und Leute aus der Türsteher-Szene.
11. Januar, Montag - Innenminister Jäger gibt Kölner Polizei Hauptschuld
Stand der Strafanzeigen zur Silvesternacht in Köln: 553. Mittlerweile wird gegen 23 Verdächtige ermittelt. Frauenrechtlerinnen starten unter dem Hashtag #ausnahmslos einen Aufruf gegen sexualisierte Gewalt und Rassismus. Im Landtag ruft der Innenausschuss eine Sondersitzung ein und fühlt NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) auf den Zahn: Der erstattet dem Ausschuss Bericht über die Vorfälle. Jäger wirft der Kölner Polizeiführung gravierende Fehler vor und sieht die Hauptverantwortung für die chaotischen Zustände in der Silvesternacht in Köln dort. Das Bild, das die Kölner Polizei in der Silvesternacht abgegeben habe, sei "nicht akzeptabel". Die Polizeiführung vor Ort habe "gravierende Fehler" begangen. So seien insgesamt nur 143 Polizeibeamte am Hauptbahnhof in Köln im Einsatz gewesen. Die Polizei in Köln habe wegen "fehlender Information und mangelnder Kommunikation" untereinander angebotene Verstärkung nicht abgerufen und auch keine angefordert, kritisierte der Minister als oberster Dienstherr der Landespolizei. Die Kräftezahl vor Ort sei zu gering gewesen, um den Tätern Einhalt zu gebieten. Die Tatverdächtigen der Übergriffe seien fast nur Menschen mit Migrationshintergrund, sagte Jäger. Er habe keine Anweisungen gegeben, Informationen zu unterdrücken. Die Ermittlungen seien äußerst komplex. Wie viele Verurteilungen es geben werde, sei ungewiss, sagt Jäger. Die CDU-Opposition ordnet die Übergriffe aus der Silvesternacht in Köln als „einen Höhepunkt des Staatsversagens“ ein. Im Land mache sich zunehmend "ein Gefühl der Rechts- und Führungslosigkeit breit", sagt der CDU-Abgeordnete Theo Kruse. Der Innenminister löst unterdessen Wirbel aus, weil er eine Verantwortung an den Vorgängen in Köln von sich weist – mit einem mindestens unglücklichen Vergleich: Das Ministerium führe nicht das operative Geschäft der Polizei. Das wäre so, als ob die Gesundheitsministerin selbst einen Blinddarm herausoperiert. Am Abend äußert sich erstmals NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) in breiter Öffentlichkeit zu den Vorfällen. Im TV-Talk "hart aber fair" erklärt sie, das Geschehene "tut mir unendlich leid. Ich kann mich in die Situation der Frauen hineinversetzen“. Es seien jetzt Konsequenzen zu ziehen, erklärt Kraft: „Ich hab' zumindest die Macht und die Aufgabe (...), als Vertreterin des Staates dafür zu sorgen, dass sowas nicht geschieht.“
12. Januar, Dienstag - Polizei in Köln zählt inzwischen 653 Strafanzeigen
Die Zahl der Strafanzeigen steigt weiter. Die Polizei in Köln spricht inzwischen von 653 gemeldeten Übergriffen zur Silvesternacht. In fast der Hälfte der Fälle gehe es um Sexualdelikte an Frauen. Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamts sagt in einem Radiointerview, die Taten seien vermutlich verabredet gewesen. Von organisierte Kriminalität hingegen könne nicht gesprochen werden. Der Fachbegriff "taharrush gamea" kommt in die Öffentlichkeit: So werde in arabischen ländern eine gemeinschaftlich begangene sexuele Belästigung von Frauen in der Öffentlichkeit bezeichnet. In Deutschland sei dieses Phänomen bis dato unbekannt gewesen. In der Politik wird über die Auswirkungen der Übergriffe auf den inneren Frieden in Deutschland diskutiert. Hans-Peter Friedrich, vormals Bundesinnenminister und jetzt für die CSU im Bundestag sagt dazu: „Die Vorgänge in Köln am Silvesterabend und die damit verbundene Verunsicherung der Bevölkerung lassen für den sozialen Frieden Schlimmeres befürchten als viele heute wahrhaben wollen“. Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags sagt, „die Ereignisse rund um die Silvesternacht in Köln, aber ebenso die – offensichtlich als Reaktion darauf erfolgten – Übergriffe auf Syrer und Pakistaner in Köln sind deutliche Alarmsignale“. Wenn Bürger den Eindruck hätten, dass bestimmte öffentliche Orte nicht mehr sicher sind, müsse dringend gehandelt werden. „Es darf keine No-Go-Areas in deutschen Städten und Gemeinden geben.“ Unterdessen entschuldigt sich der NRW-Innenminister für seinen Blinddarm-Vergleich bei der Präsentation des Berichts am Montag im Innenausschuss des Landtags: „Mir lag vollkommen fern, das schreckliche Leid der sexuell belästigten Frauen in der Silvesternacht in Köln mit einer Blinddarm-OP zu vergleichen. Sollte dieser Eindruck entstanden sein, bedaure ich dies.“ Eine in Düsseldorf via Facebook gegründete Bürgerwehr patroilliert öffentlichkeitswirksam durch die Altstadt, löst sich allerdings vorerst wieder auf.
13. Januar, Mittwoch - NRW-Innenminister wird in Bundestags-Ausschuss befragt
Die massiven Übergriffe in der Silvesternacht in Köln sind auch Thema im Deutschen Bundestag. Der NRW-Innenminister wird dazu im Innenausschuss des Bundestages befragt. Minister Jäger rudert dabei mit seiner Kritik zurück und nimmt die Polizisten in Schutz, die in der Silvesternacht in Köln Dienst hatten. „Die, die da waren, haben alles gegeben. Aber es waren zu wenige“, sagte Jäger. In der Polizeiführung seien die Fehler zu verantworten. Die politischen Folgen der Ereignisse in Köln nehmen größere Formen an. Forderungen nach einem Untersuchungsausschuss im NRW-Landtag häufen sich. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) verurteilt ausländerfeindliche Hetze als Reaktion auf die Silvester-Übergriffe. Das Triumphgeheul der Populisten sei widerlich, sagt er. "Die Krawalle von rechtsradikalen Hooligans am Montag in Leipzig sind genauso empörend wie die Vorfälle in Köln." Die Hilfe für Millionen Flüchtlinge dürfe nicht durch einige hundert Kriminelle infrage gestellt werden, warnte Maas. Parteiübergreifend hat der Bundestag am Mittwoch ein schärferes Sexualstrafrecht und einen besseren Schutz von Frauen gefordert. In einer Debatte über die Konsequenzen aus den Übergriffen in Köln in der Silvesternacht sagten Abgeordnete der Regierungs- und Oppositionsfraktionen, dass Gesetzeslücken geschlossen werden müssten, um Belästigungen und Gewalt gegen Frauen konsequenter bestrafen zu können. Allerdings warnten vor allem die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, und Linkspartei-Chefin Katja Kipping, Straftaten durch Ausländer nun in der Flüchtlingsdebatte zu instrumentalisieren.
14. Januar - Donnerstag - Rücktrittsforderungen gegen Innenminister werden lauter
Der Landtag NRW kommt zu einer Sondersitzung auf Antrag der Opposition zusammen. Dort fordern vor allem FDP-Fraktionschef Christian Lindner und der Vorsitzende der Piraten-Fraktion, Michele Marsching, den Innenminister zum Rücktritt auf. Jäger selbst lehnt einen Rücktritt nach wie vor ab und muss erstmals einräumen, dass er bereits am Neujahrstag darüber informiert war, dass in der vorangegangenen Silvesternacht bei der Kölner Polizei einiges aus dem Ruder gelaufen war. Von der tatsächlichen Dimension der Übergriffe habe er zu diesem Zeitpunkt aber noch keine Vorstellung gehabt. Ministerpräsidentin Kraft stellt in der Sitzung ein 15-punktiges Maßnahmenpaket vor für mehr Sicherheit und bessere Integration. Unter anderem sollen zu dem in diesem Jahr ohnehin geplanten knapp 2000 neuen Polizeianwärtern 500 weitere Polizisten auf die Straße werden, auch in dem Beamte die jetzt aus dem Dienst ausscheiden würden, freiwillig ihre Dienstzeit verlängern können. Die Staatsanwaltschaft Köln hat erstmals eine Belohnung ausgelobt: 10.000 Euro für Hinweise, die zur Aufklärung der Straftaten in der Silvesternacht dienen.
15. Januar, Freitag - Untersuchungsausschuss soll Vorfälle in Köln beleuchten
Der Skandal um die massenweisen Übergriffe in der Silvesternacht in Köln hat nun ein parlamentarisches Nachspiel. Auf Antrag der Oppositionsparteien CDU und FDP soll der Landtag einen Untersuchungsausschuss einsetzen. Er soll die Ursachen für den missglückten Polizeieinsatz ermitteln und möglichst noch im Januar mit der Arbeit beginnen. Inzwischen haben 793 Personen Strafanzeige bei der Kölner Polizei gestellt.
16. Januar, Samstag - Großrazzia im Düsseldorfer "Maghreb-Viertel"
Bei einer großangelegten Razzia rund um den Düsseldorfer Hauptbahnhof kontrolliert die Polizei am späten Samstagabend 18 Cafés, Spielcasinos und Shisha-Bars. Die Aktion sei schon 2015 geplant worden – also weit vor den Silvester-Übergriffen von Köln, teilte die Polizei mit. 300 Polizeibeamte sind im Einsatz, etwa gleich viele Menschen werden in den Stunden bis Mitternacht überprüft, 40 werden vorläufig festgenommen. Im Fokus stehen kriminelle Nordafrikaner, die in der Gegend, von der Polizei Maghreb-Viertel genannt, leben oder/und verkehren. Bereits vor einem Jahr gab es eine ähnlich große Razzia, weil die Gegend laut Polizei-Projekt "Casablanca" Rückzugsraum für kriminelle Ausländer ist.
Bei den Neujahrstreffen von CDU und FDP werden Forderungen nach einer Rückkehr zu wirksamen Grenzkontrollen laut.
18. Januar, Montag - Jäger wusste schon an Neujahr von Übergriffen
Bereits in der Sondersitzung des Landtags gestand NRW-Innenminister Jäger, dass er über die Vorfälle in Köln bereits am Neujahrstag informiert worden war. Sein Stand am Neujahrstag sei gewesen, dass es in der Kölner Silvesternacht auf dem Bahnhofsvorplatz zu mindestens einer Vergewaltigung durch eine 40- bis 50-köpfige Tätergruppe nordafrikanischer Herkunft gekommen ist. Das gesamte Ausmaß der Übergriffe sei ihm an dem Tag jedoch nicht bekannt gewesen. Am Montag nun greift die Nachrichtenagentur dpa diese Meldung auf. Unterdessen führt die Polizei am Abend auch in Köln eine Razzia durch, die die kriminelle Szene gebürtiger Nordafrikaner im Fokus hat. Die Polizei erhofft sich dabei auch Hinweise auf die Übergriffe in der Silvesternacht.
19. Januar, Dienstag - Neuer Kölner Polizeipräsident wird vorgestellt
NRW-Innenminister Ralf Jäger präsentiert den neuen Kölner Polizeipräsidenten: Jürgen Mathies. Er kommt aus Duisburg, war dort bisher Direktor des Landesamts für Zentrale Polizeiliche Dienste und ist gelernter Polizist. Mathies erklärte, er wolle mit verstärkter Polizeipräsenz und mehr Video-Überwachung nach den Silvester-Übergriffen Vertrauen zurückgewinnen. Jäger lobte Mathies als einen Mann, "der die Herausforderungen anpackt". Unterdessen steigt die Zahl der Anzeigen nach den Silversterübergriffen in Köln weiter. Inzwischen liegen 809 Strafanzeigen vor, darunter 521 wegen Sexualstraftaten.
20. Januar, Mittwoch - Wieder neuen Zahlen zu den Übergriffen
Die Zahl der Strafanzeigen zur Silvesternacht in Köln und andernorts steigt und steigt. Ein Bericht von NRW-Innenminister Jäger wird öffentlicht, der neue Zahlen präsentiert - die ebenfalls noch nicht der endgültige Stand bleiben dürften. Verdächtige seien überwiegend Nicht-Deutsche aus Marokko und Algerien, heißt es.
21. Januar, Donnerstag - NRW-Polizeichef überrascht Innen-Ausschuss des Landtags
Im Streit über die sexuellen Übergriffe in der Silvesternacht in Köln sorgt der oberste Polizeichef im NRW-Innenministerium, Wolfgang Düren, für eine handfeste Überraschung. Düren räumt im Innenausschuss ein, dass er schon Neujahr bei der Sicht der ersten Polizeimeldung ein „ungutes Gefühl“ und die Sorge gehabt habe, dass die Übergriffe später Gegenstand im Innenausschuss werden könnten. Dagegen beharrt der unter Druck geratene Innenminister Ralf Jäger darauf, dass das Ausmaß der sexuellen Übergriffe erst am 4.Januar erkennbar war.
23. Januar, Samstag - BKA-Lagebericht zählt bundesweit Hunderte Übergriffe
Nach einem vertraulichen Lagebericht des Bundeskriminalamtes, der am Samstag bekannt wird, hat es in der Silvesternacht in elf Bundesländern sexuelle Übergriffe auf Frauen gegeben. Das berichten Süddeutsche Zeitung, WDR und NDR. Demnach gab es in dieser Nacht weitaus mehr Fälle von sexueller Gewalt und Trickdiebstahl oder Raub, als bisher bekannt. In Hamburg sind bislang 195 Anzeigen eingegangen, der Großteil ausschließlich wegen Sexualdelikten; die Polizei konnte acht Verdächtige ermitteln. In Köln, Düsseldorf und Bielefeld sind 1076 Taten bekannt, dem Bericht zufolge 692 Fälle von Körperverletzung, Diebstahl oder Raub und 384 Sexualdelikte, 116 davon in Verbindung mit Diebstahl oder Raub. In dem Bericht ist die Rede von 72 ermittelten Verdächtigen, zwölf davon mit deutscher, 60 mit anderer Nationalität. Verdächtig sind neben den Deutschen unter anderem Algerier, Iraker, Afghanen und Syrer. Nur in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen seien keine Anzeigen zu diesen Sachverhalten registriert worden.
25. Januar, Montag - Karnevalisten reagieren auf Silvester-Übergriffe
Neben den gesteigerten Sicherheitsvorbereitungen der Polizei versuchen in einigen Karnevals-Hochburgen Vereine und/oder Kommunen, Flüchtlinge das Thema Karneval näher zu bringen - mit Info-Blättern, die in Flüchtlingsheimen verteilt werden sollen bevor der Straßenkarneval beginnt. Die Stadt Mönchengladbach ist dabei besonders deutlich. Dort heißt es in dem vorgesehenen Infoblatt. Straftaten "wie sie zu Silvester in Köln stattgefunden haben, werden nicht toleriert und bestraft".
27. Januar, Mittwoch - Landtag NRW beschließt Untersuchungsausschuss
Die Ereignisse in der Silvesternacht in Köln werden parlamentarisch aufgearbeitet. Der Landtag NRW beschließt, einen Untersuchungsausschuss einzuberufen. Neben CDU und FDP stimmen auch SPD und Grüne dafür. Die Piraten sehen darin ein Wahlkampfmanöver - 2017 ist Landtagswahl in NRW und stimmten dagegen.
29. Januar, Freitag - Mehr als 1000 Strafanzeigen nach Silvesternacht in Köln
Nach den Übergriffen in der Kölner Silvesternacht sind bei den Ermittlern mittlerweile mehr als 1000 Anzeigen eingegangen. Bei 433 davon sei ein Sexualdelikt angezeigt worden, berichtet Benedikt Kortz, Sprecher der Staatsanwaltschaft Köln. Er teilte zudem mit, dass ein weiterer Beschuldigter in Untersuchungshaft gekommen sei. Dabei handele es sich um einen Algerier, dem ein Eigentumsdelikt und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vorgeworfen würden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt damit nach eigenen Angaben nun gegen 44 überwiegend nordafrikanische Beschuldigte. Zehn säßen in Untersuchungshaft.
(mit Material von dpa, epd und Reuters)