Düsseldorf. . NRW-Innenminister Ralf Jäger hat am Donnerstag zugegeben, dass er bereits am Neujahrstag über die sexuellen Übergriffe in Köln informiert wurde.

  • NRW-Innenminister Ralf Jäger musste einräumen, dass er frühzeitig über das Ausmaß der Übergriffe in Köln informiert war
  • Die Opposition im Landtag hat Jäger erneut einen Rücktritt nahegelegt
  • NRW-Ministerpräsidentin Kraft hatte in der Aussprache den Innenminister in Schutz genommen

NRW-Innenminister Ralf Jäger musste am Donnerstag einräumen, dass er frühzeitig über das Ausmaß der Übergriffe in Köln informiert war. In der Sondersitzung des NRW-Landtags erklärte Jäger, er habe bereits erstmals am Neujahrstag um 14.36 Uhr persönlich aus einer Polizeimeldung von den sexuellen Übergriffen erfahren - zu diesem Zeitpunkt sei von elf Fällen die rede gewesen. Dass es sich um eine größere Dimension handelte, wurde ihm bereits am Neujahrstag um 21.40 Uhr mitgeteilt. Ebenfalls erfuhr er, dass es eine Ermittlungsgruppe der Kölner Polizei gibt.

Das Innenministerium erklärte, daraus habe der Minister die Dimension der Vorfälle nicht erkennen können. Warum das Land trotzdem tagelang nicht aktiv wurde, soll wohl ein Untersuchungsausschuss des Landtags klären.

Damit steht Jäger umso weiter unter Druck, dem die Landtags-Opposition vorhält, erst vier Tage nach dem Geschehen erstmals öffentlich Stellung zu den massiven Übergriffen bezogen zu haben.

"Wenn Sie Charakter haben, dann treten Sie zurück"

Nach den Gewaltverbrechen in der Silvesternacht in Köln hat die Opposition NRW-Innenminister Jäger unterdessen erneut einen Rücktritt nahegelegt. "Wenn die Polizeibehörden versagt haben, wenn der Staat versagt, dann hat auch der Innenminister versagt", sagte FDP-Fraktionschef Christian Lindner am Donnerstag in der Landtags-Sondersitzung. Auch CDU-Fraktionschef Armin Laschet hatte zuvor erklärt, der nötige Neuanfang sei mit Jäger nicht möglich.

Jäger sei die Innere Sicherheit bereits weitgehend entglitten, kritisierte Lindner. Die Versäumnisse gingen weit über das Einsatzdebakel der Kölner Polizei in der Silvesternacht hinaus. "Nordrhein-Westfalen ist ein Paradies für Taschendiebe, ein El Dorado für Salafisten", sagte Lindner. "Wenn Sie Charakter haben, dann stellen Sie sich jetzt Ihrer Verantwortung", appellierte er an Jäger. "Für Ihre eigene Koalition sind sie nur noch ein Klotz am Bein."

Lindner forderte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) auf, die Innere Sicherheit "zur Chefinnensache" zu machen. "Wenn Sie an Minister Ralf Jäger festhalten, dann wird auf Dauer in Nordrhein-Westfalen die Wunde der Silvesternacht sichtbar sein."

Staatsanwaltschaft Köln lobt 10.000 Euro Belohnung für Hinweise aus

NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hatte in der Aussprache Innenminister Ralf Jäger in Schutz genommen und ein Maßnahmenpakt für mehr Sicherheit und bessere Integration vorgestellt. Es umfasst 15 Punkte:

  • 1. Einrichtung einer zentralen Anlaufstelle im Bereich der Justiz für die Opfer der Straftaten aus der Silvesternacht.
  • 2. Personelle Verstärkung innerhalb der Staatsanwaltschaften für die noch zügigere Bearbeitung der anhängigen Verfahren.
  • 3. Auslobung von 10.000 Euro Belohnung für Hinweise, die zur Ermittlung oder Ergreifung der Täter aus der Silvesternacht in Köln führen.
  • 4. Konsequente Verfolgung von Straftaten mit rassistischem und fremdenfeindlichem Hintergrund durch rechtsradikale Banden und Gruppierungen.
  • 5. Intensive Nutzung des besonders beschleunigten Strafverfahrens insbesondere in den Großstädten des Landes.
  • 6. Möglichst schnell sollen 500 Polizisten zusätzlich an den Kriminalitätsbrennpunkten der Ballungsräume eingesetzt werden.
  • 7. Ausweitung der Videobeobachtung.
  • 8. Prävention aller Formen von sexualisierter Gewalt.
  • 9. Intensivierung des Datenaustausches von Polizei und Justiz mit Behörden und Gerichten im In- und Ausland.
  • 10. Sicherheitskonferenzen in Großstädten.
  • 11. Beschleunigung der Asylverfahren.
  • 12. Das Land will Koordinierungsstellen bei den zentralen Ausländerbehörden einrichten, um die Kommunen bei Abschiebungen und freiwilligen Ausreisen effektiver zu unterstützen.
  • 13. NRW will gemeinsam mit dem Bund auf die Beseitigung von Abschiebungshindernissen hinwirken und sich an der neuen Organisationseinheit für die Passersatzpapierbeschaffung beteiligen.
  • 14. Die kommunalen Integrationszentren sollen die Wertevermittlung als zentrale Aufgabe wahrnehmen.
  • 15. Finanzierung von 3600 zusätzlichen Plätzen in Basissprachkursen.

NRW-Innenminister Ralf Jäger widersetzte sich vor dem Landtag den Rücktrittsforderungen, die auch Piratenpartei-Fraktionschef Michele Marsching in aller Deutlichkeit an den Minister richtete. Jäger bemüht sich zwei Wochen nach den Übergriffen jedoch erstmals um einen neuen Ton: Weniger breitbeinig-selbstgewiss, mehr mitfühlend mit den überfallenen Frauen. Er sei ja auch Vater einer Tochter und Ehemann, sagte er. Neu war auch die Tonalität gegenüber der von ihm zuletzt so gescholtenen Polizei: Jeder Beamte im Einsatz habe alles gegeben; ja, es seien Fehler in der Führung unterlaufen, es stehe für eine offene Fehlerkultur, sagte Jäger.

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(WE/mit dpa)