Berlin. Ob Flüchtlinge, Krieg oder “neokoloniale Realitäten“ - das Berliner Theatertreffen gibt sich diesmal betont politisch. Für Aufsehen sorgt aber vor allem die Auswahl eines modernen Klassikers.
Die umstrittene "Baal"-Inszenierung von Frank Castorf wird zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Damit wolle das Festival auch ein Zeichen setzen, damit die Produktion des Münchner Residenztheaters ohne Einschränkungen gezeigt werden kann, wie die Jury am Montag bei der Bekanntgabe der Auswahl für das 52. Theatertreffen (1. bis 17. Mai), erklärte. Der Suhrkamp Verlag will weitere Aufführungen verbieten lassen. Es handele sich dabei "um eine nicht-autorisierte Bearbeitung" des Stückes.
Für das wichtigste deutschsprachige Bühnentreffen wurden zehn Stücke ausgewählt, die sich Fragen wie Krieg, Flucht und Vertreibung widmeten, wie Leiterin Yvonne Budenhölzer sagte. Die Jury sah dafür knapp 380 Inszenierungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Aus dem Wiener Burgtheater kommt "Die lächerliche Finsternis" von Wolfram Lotz (Regie: Dusan David Parizek), mittlerweile eine "Kultinszenierung", die sich an den Film "Apocalypse now" von Francis Ford Coppola und Joseph Conrads Erzählung "Herz der Finsternis" anlehnt. Ebenfalls von der "Burg" kommt "die unverheiratete" von Ewald Palmetshofer (Regie: Robert Borgmann), das um die Frage des Verrats in der NS-Zeit kreist.
Zwei weitere Inszenierungen aus Berlin
Vom Schauspiel Hannover wurde "Atlas der abgelegenen Inseln" von Judith Schalansky (Regie: Thom Luz) ausgesucht, ein "Theaterschatz", wie die Jury lobte. Aus Berlin wurden zwei Inszenierungen eingeladen: "Common Ground" von Yael Ronen als Autorin und Regisseurin aus dem Maxim Gorki Theater, sowie Samuel Becketts "Warten auf Godot" (Regie: Ivan Panteleev), eine Koproduktion des Deutschen Theaters mit den Ruhrfestspielen Recklinghausen.
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Das Familiendrama "Das Fest" nach dem dänischen Film von Thomas Vinterberg kommt vom Schauspiel Stuttgart (Regie: Christopher Rüping). Die Jury lobte die "ganz eigene, verrückte Bildersprache" der Inszenierung.
Vom Thalia Theater Hamburg wird "Die Schutzbefohlenen" von Elfriede Jelinek gezeigt. Regisseur Nicolas Stemann lässt dabei Lampedusa-Flüchtlinge mit Profi-Darstellern auftreten. Vom Deutschen Schauspielhaus wird "John Gabriel Borkman" von Henrik Ibsen eingeladen. Die Jury lobte Karin Henkels Inszenierung als "ungeheuerliche, komische Show zweier Mutter-Monster".
Von den Münchner Kammerspielen kommt "Warum läuft Herr R. Amok?" nach einem Film von Rainer Werner Fassbinder. Susanne Kennedy habe ein hochartifizielles Stück geschaffen, das verfremdete Menschen als Gefangene ihrer kleinbürgerlichen Verhältnisse zeige. (dpa)