Genf. Bei der Automesse Genfer Salon wird klar: Die Begeisterung für SUVs ist noch nicht abgeklungen. Und das obwohl sich zur Zeit so viele Sorgen um das Klima machen. Fast jeder fünfte Neuwagenkunde entschied sich im Januar für einen der großen Brummer. Die Autohersteller reagieren mit neuen Modellen.

Auch auf der ersten großen europäischen Automesse des Jahres sind sie der Mega-Trend: Die bei ihren Kritikern als Spritfresser, Platzverschwender und Protzkarren gebrandmarkten SUVs. Doch die aus den USA herübergeschwappten Sport Utility Vehicles finden selbst im Kombi-Stammland Deutschland immer mehr Kunden. Bei den Neuzulassungen verdrängten sie im Januar erstmals die Kleinwagen von Platz zwei. Auch ohne Eis und Schnee entschieden sich 37.841 Käufer für einen neuen SUV – schon fast jeder fünfte Neuwagenkunde. Mit der Einführung des in Genf erstmals gezeigten neuen Nissan Qasqhai, des Mercedes GLA, des Porsche Macan, des facegelifteten BMW X3 oder des pfiffigen Jeep „Jeepster“ wird der SUV-Boom 2014 weiter angeheizt.

Selbst früher eherne Sportwagenbauer wie Porsche profitieren längst vom Hype um die hochgesetzten Modelle. Der in Genf erstmals präsentierte Macan tritt in die Fußstapfen des extrem erfolgreichen Cayenne. Der in Leipzig gebaute Wagen ist der bislang konsequenteste Versuch, die Vorteile von Sportwagen und SUV zu verquicken. Der 4,68 Meter lange Macan basiert nur lose auf dem Audi Q5, zwei Drittel aller Teile sind laut Porsche neu. Darunter Benzinmotoren mit 340 und 400 PS und der Allradantrieb. Der treibt nämlich im Gegensatz zum Audi-AWD immer auch die Hinterachse an, im Extremfall sogar zu 100 Prozent. Nichts soll - trotz 300 Kilo Zusatzgewicht gegenüber einem 911 -das Sportwagen-Gefühl trüben.

Volkswagen baut Baby-Tiguan

Ebenfalls am Lac Leman Premiere feiert der Mercedes GLA auf Basis der A-Klasse. Mit nur 1,49 Meter Höhe kommt der Sternenwagen geduckt daher. Ohnehin zählt er zu den eher lifestyligen, als Crossover titulierten SUVs. Das stark vom Design beeinflusste Modell ist zwar auf Wunsch mit Allradantrieb zu haben, doch seine Sitzposition unterscheidet sich kaum von der einer Limousine. Die Ur-Idee eines SUV konterkariert die abgedrehte AMG-Version -  mit 360 PS, Rallye-Streifen, Dachspoiler, Zwischengas-funktion samt Launch Control.

Sicherlich auch angestachelt vom bereits 150.000 Mal verkauften Opel Mokka beeilt sich Volkswagen mit der Entwicklung eines Baby-Tiguan. Die in Genf enthüllte Studie T-ROC ist mit 4,18 Meter ein Polo-SUV. 2016 soll der für Wolfsburger Maßstäbe erstaunlich extrovertierte Kraxler anrollen. Als Nachfolger des iX35 hat Hyundai die seriennahe Studie Intrado auserkoren – erstes Werk des Ex-VW-/Audi-Designers Peter Schreyer, der sich zusätzlich zu Kia nun auch um die gute Form der koreanischen Muttermarke kümmert.

Abgasgesetze können SUVs nicht aufhalten

Den Landlust-Faktor nutzen in Genf selbst die nur über Optik-Tuning zu Pseudo-Geländegängern verwandelten Derivate. Volkswagen stellt die leicht geliftete Version des Cross Polo ins Rampenlicht, Opel rollt den Adam Rocks aus, Citroen ist mit dem C5 Crosstourer, Skoda mit dem Octavia Scout und Fiat gleich zweimal mit Panda Cross und Freemont Cross präsent. Für echte Cross Country-Touren eignen sich alle nur bedingt – es reicht der Nimbus der Rustikalität, um sich im urbanen Verkehrsgewühl und leichten Gelände sicherer zu wähnen.   

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Denn SUVs geben scheinbar viele Versprechen auf einmal ab. „Sie erwecken den Eindruck, mit ihrem Besitzer durch dick und dünn zu gehen, ihn auch bei einem kleinen Abenteuer nicht im Stich zu lassen“, versucht der Psychologe und Marktforscher Jens Lönneker das Phänomen zu erklären. In einer „multi-optionalen“ Gesellschaft erwärmten sich immer mehr Menschen am Trutzburg-Gefühl der Hochsitz-Modelle. Vor allem die Damenwelt – man schaue nur, wie viele SUVs morgens vor Kitas und Grundschulen Halt machen. Dass die Autos schwerer und aerodynamisch ungünstiger sind, stört die meisten nicht. Sorgen doch verstärkter Leichtbau, ein europaweiter Diesel-Anteil von 80 Prozent und neue Plug-in-Hybridantriebe – wie jetzt von BMW an einem X5 gezeigt - dafür, dass selbst strengere Abgasgesetze der Spezies (noch) genug Überlebensraum lassen.

SUV im VW Up-Format

Und so wird die SUV-Welle zumindest bis zum Ende dieser Dekade kaum abebben. BMW zeigt schon bald nach Genf im April in New York den geschrumpften X6 namens X4. Konkurrent Audi plant bis 2020 eine Verdoppelung seiner Q-Palette von heute drei auf sechs. Allein bis 2017 haben alle Hersteller rund 50 neue Modelle angekündigt. Ferdinand Dudenhöffer, Analyst der Uni Duisburg/Essen, prognostiziert einen Anstieg des SUV-Marktanteils in Deutschland von heute 16,5 auf 28 Prozent in 2020 – und das sei sogar noch konservativ berechnet.

Denn selbst Luxusmarken wie Jaguar, Bentley, Maserati und Lamborghini werden schon in den nächsten beiden Jahren SUV-Modelle ausrollen. Sogar bei Aston Martin und Rolls-Royce ist das Thema nicht mehr tabu. Sogar am unteren Ende der Auto-Pyramide wird angebaut: VW hat den Taigun in der Schublade, ein im Vergleich zum in Genf gezeigten T-ROC nochmals geschrumpfter Baby-SUV. Der primär für Brasilien, Indien und andere Schwellenländer gedachte Wagen könnte auch nach Deutschland kommen. Mit 3,86 Meter Länge wäre er der erste SUV im VW Up-Format.