Der mit dem Golf tanzt - Das Ende einer Mensch-VW-Beziehung
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Essen. . Volkswagen präsentiert am Dienstag den neuen Golf VII. Unser Autor fuhr selbst jahrelang Golf, Golf III genaugenommen. Obwohl ihm dieser Golf jahrelang treue Dienste leistete, ist der Wolfsburger Volkswagen-Dauerbrenner jedoch keine Alternative zu seinem aktuellen Fahrzeug.
Im Stich gelassen hat er mich nie, das kann ich ihm nicht vorwerfen. Der Golf. Dennoch trennten sich unsere Wege, so wie Beziehungen eben auch mal auseinandergehen können – es war Zeit für was jüngeres.
Dabei war er ein richtiger Hingucker. Damals. Im Jahr 1994 wird es gewesen sein oder kurz davor. Irgendein Lackierer muss sich gedacht haben, dass „Aubergine“ doch eine ziemlich geile Farbe für ein Auto wäre. Mindestens ein anderer wird ihm beigepflichtet haben müssen, denn sonst hätte VW wohl kaum das Sondermodell „New Orleans“ vom Band gelassen. Die Hauptstadt Louisianas stand damals noch für sonniges Traumwetter und nicht für Hurricans und Überschwemmungen. Deshalb bot der Golf III als Sonderausstattung auch ein Schiebedach und keine amphibischen Fähigkeiten. Zudem hatte der Vorbesitzer dem Lila-Laune-Auto noch ein Sportfahrwerk und breitere Reifen verpasst. BBS-Alu. Allesamt keine Hinderungsgründe das Fahrzeug 2004 käuflich zu erwerben. Mein Fiesta war nämlich im Begriff, sich in seine Einzelteile aufzulösen und drohte teuer zu werden. Somit musste gehandelt werden. Der Golf war zu haben. Und er war günstig.
Der Golf hatte eine Straßenlage wie ein Handtuch
Der Wagen lag auf der Straße wie ein Handtuch und wirkte im geparkten Zustand stets wie ein Gepard auf dem Sprung nach seiner Beute. Na ja, vielleicht hinkt der Vergleich mit der Raubkatze ein wenig. Die muss nämlich verdammt schnell sein, um ihr Opfer zu erwischen. Mit 75 PS auf dem Weg zu Terminen entlang der Berg- und Talbahn A45 ging der Karre aber im Nu die Puste aus. Wenn wir der Anschaulichkeit halber trotzdem in der afrikanischen Fauna bleiben wollen: Der Golf verhielt sich also eher wie eine Hyäne. Die wartet bis alte und schwache Tiere ihren Weg kreuzen und schlägt dann zu. Manchmal roch der Golf auch wie ein Aasfresser. Dann musste irgendjemand wohl die Sporttasche inklusive tropfnassen Fußball-Trainingsanzugs und Rasenklumpen im Kofferraum vergessen haben....
Praktisch war der Golf auf jeden Fall. Ein Raumwunder bei Umzügen und verlässlich auf längeren Strecken in den Süden. Jetzt nicht Sizilien oder so, aber Baden-Württemberg war schon drin. Praktischerweise hatte der Dreier noch eine unlackierte Stoßstange. Was heute kleine Stupser mit anderen Verkehrsteilnehmern auf Parkplätzen zu einem teuren Vergnügen machen kann, blieb dem Golf-Fahrer damals dank des ehemals schwarzen von der Sonne ausgebleichten Kunststoff-Puffers erspart. Dafür sah’s natürlich nicht soooo super aus. Aber eben solide. Kein Bolide.
Italien - Deutschland 1:0, die Abwrackprämie bereitet dem Golf ein Ende
Und so verging die Zeit. Deutschland verlor gegen Italien das WM-Halbfinale, Röhrenjeans feierten ihre wundersame Wiederauferstehung und Merkel wurde Kanzlerin und blieb es. Mein Golf hatte ebenfalls Bestand, bis erneut die TÜV-Untersuchung nahte und die deutsche Wirtschaft von der weltweiten Finanzkrise bedroht wurde. Als Rettung hatte sich der Staat eine tolle Sache überlegt, um Deutschlands Autobauer vor dem Bankrott zu schützen. Die Abwrackprämie. 2500 Euro für den Kauf eines Neuwagens geschenkt, wenn der Alte über neun Jahre alt ist. Der Golf war bereits 15 Jahre alt und die Wehwehchen nahmen langsam zu. Erste kosmetische Operationen waren notwendig geworden. Wie das so ist im Leben.
Zum TÜV mit der schrumpeligen Aubergine oder doch lieber einen knackigen italienischen Dosenöffner in Rot? Die Entscheidung fiel relativ schnell, zudem Alfa noch 1800 Euro auf die Staatsprämie drauflegte. Gekauft. Mito Rosso Giulia. Hat ordentlich Durchzug und bereitet großen Spaß, besonders in den Kurven. Da konnte VW leider nicht mithalten. Der Golf blieb zusammen mit Clios, Corsas und anderen Abwrackandidaten auf dem Parkplatz zurück und wartete auf sein Schicksal.
Somit ging erneut ein direkter Vergleich zwischen Deutschland und Italien an die Azurri. Wirklich schlecht habe ich mich deshalb nicht gefühlt.
Aber mal sehen. Man soll ja nie nie sagen. Irgendwann wird jedes Auto alt...schau’ mich jetzt nicht so an Giulia....
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