Essen. Mit renovierten Rheingold-Waggons wirbt die Firma HKX um junge Bahnkunden. Es gibt Startprobleme und keinen schnellen Gewinn. Aber der Preis ist unschlagbar: Kein Angebot der Bahn AG hält bei 17,50 Euro für die Distanz Essen–Hamburg mit. Droht der Bahn dauerhafte Konkurrenz im Fernverkehr?

12.53 Uhr, Essen Hauptbahnhof. HKX 1803 über Gelsenkirchen, Münster, Osnabrück nach Hamburg ist überpünktlich. Zwei Dutzend Fahrgäste – viele junge Leute, auch Väter mit Sohn an der Hand — warten an Gleis 4 auf einen Oldtimer. Auf versprochene renovierte Rheingold-Waggons mit Plüsch-Abteilen, ausziehbaren Sitzen, Schwingtüren, Schminkspiegeln. Auf Retro-Look der 70er-Jahre. Was dann kommt: ein blaugelber Regionalzug, der sonst zwischen Hamburg und Sylt pendelt. „Der Rheingold? Ist zur Revision. Morgen wieder“, tröstet der nette Zugbegleiter.

Das Angebot

Es gibt, natürlich, solche Startprobleme beim HKX. Seit Wochenbeginn versucht der private Hamburg-Köln-Express der Staatsbahn auf dieser Strecke Konkurrenz zu machen. Schon preislich ist das ernst gemeint: Kein Angebot der Bahn AG hält bei 17,50 Euro für die Distanz Essen–Hamburg mit. Auch, wenn das Ticket zu Stoßzeiten 60 Euro kosten kann. In der Woche einmal am Tag, am Wochenende dreimal schickt HKX-Managerin Eva Kreienkamp die Rheingold-Wagen auf die Route. Notfalls eben auch den gemieteten Regionalexpress.

Die Rechnung

Bahn in Deutschland. Das ist, auf den Fernlinien, „Bundesbahn“. Auch wenn sie nicht mehr so heißt. Während private Veranstalter (dabei: Töchter ausländischer Staatsbahnen) inzwischen ein Viertel der Regionalnetze bedienen, rollt eine einzige private Fernbahn-Gesellschaft von Leipzig zur Ostsee. Im Westen der Republik ist der HKX also eine spannende Premiere. Es wird ein mühsames Geschäft. Anders als bei Regionalstrecken, die die Länder im Wettbewerb vergeben und für die sie jährlich sieben Milliarden Euro zuschießen, muss das Unternehmen hier jeden Cent erwirtschaften.

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Von Dietmar Seher

Mit drei Millionen Euro Umsatz rechnet Kreienkamp 2012: „Gewinne werden wir vorerst nicht erzielen“. Hauptinvestor RDC, ein US-Güterbahn-Betreiber, hat aber 16 Millionen Euro in das deutsche Abenteuer gesteckt. Er denkt an ein stabiles Engagement. Mehr wollen das wagen: Die Firma MSM will ab Herbst von Köln nach Berlin und Hamburg fahren. Diesmal via Dortmund und Hannover.

Wie im Flugzeug

Die Bahn AG weigert sich, Privattickets am Schalter zu verkaufen. Doch die einklassigen HKX-Waggons sind gut besetzt. Die Fahrgäste haben meist im Internet gebucht. Am Vortag waren bei der telefonischen Buchung - kostenlose Reservierung ist Pflicht - gerade noch 20 Plätze zu haben. Die Stimmung ist, trotz Ersatzzug, „völlig o.k. hier“, meldet die Frau aus Wagen 1 am Handy nach Hause.

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Die Toiletten: sauber. Die Klimaanlage: funktioniert. Der Ton der jungen Besatzung, Ex-Stewardessen darunter: locker. Sie helfen beim Gepäck, kennen Anschlüsse. „Wir beginnen mit dem Service“ heißt es - so wie im Flugzeug. Zwei Mitarbeiter schieben das Wägelchen. Kaffee mit Sandwich kostet 3,20 Euro, 0,5 Liter Wasser 1,90 Euro. Das DB-Bistro ist teurer. Kreienkamps Zielgruppe sind auch Gelegenheitsfahrer und Schnäppchenjäger.

Das Netz

Trotz der Bahnreform managt die DB das Gleisnetz. Sie muss private Nutzer fair behandeln, die Trassengebühr entrichten. Dennoch fährt HKX 1803 nicht den bis 20 Minuten schnelleren IC einfach hinterher. Bremen lässt er links liegen.

16.15 Uhr. In der Hansestadt ist die Verspätung am Ende auf moderate sechs Minuten geschrumpft. Nach der letzten Baustelle passieren wir die Elbe. Der spektakuläre Blick lohnt alleine die 17,50 Euro: Links liegt die „Queen Mary“