Genf. Der weltweite Automarkt wächst und wächst - und Europa hat dazu nichts beizutragen. Während die internationalen Zugpferde China und Nordamerika ungebremste Kaufkraft entfalten, können sich die europäischen Autobauer in diesem Jahr einen Rückgang von fünf Prozent auf dem Heimatkontinent vorstellen.

Weltmarkt hui, Europa pfui - so schauen die Hersteller beim Autosalon in Genf auf das Jahr 2012. Der VW-Vertriebsvorstand Christian Klingler erwartet für das laufende Jahr zwar ein weiteres Wachstum, aber in Europa ein Schrumpfen. Momentan gehe der Konzern von einem globalen Wachstum im unteren einstelligen Bereich aus.

Über allem schwebt das Damoklesschwert der Staatsschuldenkrise. "Es gibt noch keine Anzeichen, die uns glauben lassen, dass es in sechs Monaten besser werden könnte", sagte Klingler. Immerhin: Es gebe auch keine, die das Gegenteil andeuteten. In Europa erwartet VW einen Rückgang des Automarktes um fünf bis sechs Prozent. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) sieht das ganz ähnlich. Der Pkw-Absatz in allen Weltregionen werde wachsen, mit Ausnahme von Westeuropa, lautet die Prognose. Hier erwartet der VDA einen Rückgang um fünf Prozent. Die Entwicklung auf den anderen Märkten werde dies aber mehr als kompensieren, sagte Präsident Matthias Wissmann. "Wir werden daran nach aller Voraussicht einen wesentlichen Anteil haben, also unseren Marktanteil halten oder ausbauen", sagte der Verbandschef.

Europageschäft kein Selbstläufer

Der BMW-Vorstandsvorsitzende Norbert Reithofer sagte, das Europageschäft werde "in diesem Jahr kein Selbstläufer". Hier sei auf dem Gesamtmarkt "im besten Fall eine Stagnation" vorstellbar, aber auch ein Rückgang von "bis zu minus fünf Prozent". Gleichwohl geht er davon aus, dass die Münchener gegenüber dem Vorjahr zulegen. Zugpferd seien Auslandsmärkte wie China und Nordamerika

Sein Audi-Kollege Rupert Stadler geht davon aus, dass seine Marke besser als der Markt unterwegs sein wird. Dabei folgt er der Prognose von einem weltweiten Wachstum des Automobilmarktes von vier Prozent. "Wir sind längst international sehr gut aufgestellt, so dass wir eine leichte Schwächephase in Europa sehr gut wegkompensieren."

Der Daimler-Vorstandsvorsitzende Dieter Zetsche sagte, der Konzern plane weltweit weitere Fabriken aufzubauen. Zwar habe der Konzern bereits ein neues Werk in Ungarn und weitere Kapazitäten in China geschaffen. "Das ist aber bei weitem nicht genug", sagte der Daimler-Chef weiter. Zetsche sagte, es gebe noch keine Entscheidung, in welchem Land neue Werke entstehen würden. Klar sei aber, dass Daimler keine neuen Kapazitäten in Deutschland plane. "Wir werden dahin gehen, wo das Wachstum entsteht", sagte er. Das entsteht aber laut allen gegenwärtigen Prognosen nicht in Europa, sondern in Asien oder auf dem amerikanischen Kontinent.

Nissan ist Ausnahmeerscheinung

Eine Ausnahmeerscheinung ist Nissan. Die Japaner kündigten in Genf an, entgegen dem Trend einen dreistelligen Millionenbetrag in ein europäisches Werk in Großbritannien zu investieren. Dort will Nissan ein neues Fahrzeug produzieren, das es mit dem Ford Fiesta oder dem VW Polo aufnehmen soll. Die negativen Prognosen für Europa tun vor allem jenen Konzernen weh, die im Rest der Welt nicht oder nur schlecht aufgestellt sind. Letztlich sahen sich deswegen die Opel-Mutter General Motors und PSA Peugeot Citroën zu einer Zusammenarbeit gezwungen.

Der Opel-Vorstandsvorsitzende Karl-Friedrich Stracke sagte, er wolle das Volumen in diesem Jahr trotz schwieriger Konjunktur halten. "Wenn der Markt weiter absackt, dann wird es nicht möglich sein", fügte er aber hinzu. Stracke versicherte, dass sich der Konzern an die bestehenden Verträge zur Standortsicherung der europäischen Werke halten werde. Diese laufen bis 2014. Allerdings klang es nach einer brüchigen Garantie. Denn gleichzeitig sagte Stracke: "Das ganze Thema ist natürlich für uns insofern schwierig, als das Marktumfeld volatil ist." (dapd)