Noschowitz. . Den Automobilmarkt hat die Krise bisher verschont. Die Produktion läuft auf Hochtouren, zusätzliche Arbeitskräfte werden eingestellt. Tschechien zieht mit niedrigen Steuern, schwachen Gewerkschaften und guter Infrastruktur Investoren an.
Von einem ins Stottern geratenen Weltwirtschaftswachstum ist bei den Autobauern in Mitteleuropa nichts zu spüren: Die Fertigungsstraßen laufen auf Hochtouren, einige Autohersteller steigern die Produktion gar und stellen neue Mitarbeiter ein. Der südkoreanische Autobauer Hyundai führte im September eine dritte Schicht in seinem Werk nahe der tschechischen Stadt Noschowitz im Nordosten des Landes ein, um rund um die Uhr für den europäischen Markt SUVs und Sedans herstellen zu können. Trotz der Schuldenkrise in der Eurozone ist die Nachfrage nach Neuwagen von Niedrigkosten-Werken wie das in Noschowitz ungebrochen. "Wir rechnen mit keinen Problemen beim Autoabsatz in Deutschland und Europa in der nahen Zukunft", sagte Werkssprecher Petr Vanek.
Absatzsteigerung von 19 Prozent
Allein in Deutschland habe es von August 2010 bis August 2011 einen Absatzanstieg von 19 Prozent gegeben. Billige, aber gut ausgebildete Arbeitskräfte, niedrige Steuern, schwache Gewerkschaften und gute Infrastrukturanbindungen machen Tschechien und seine Nachbarländer so attraktiv für Autobauer wie Hyundai. Diese Mischung lockt Investoren umso mehr in Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs, wenn in den entwickelten Märkten Westeuropas Kosten eingespart werden müssen.
Tschechien ist strategisch günstig im geografischen Herzen Europas gelegen: unweit der größten Volkswirtschaften des Kontinents und der Schwellenländer im Osten wie Russland. Das 1,12-Milliarden-Euro-Werk in Noschowitz hat seit Inbetriebnahme vor drei Jahren seine Produktion stetig gesteigert - trotz weltweiter Finanzkrise und Rezession. 2010 wurden in 48 Ländern 200.010 i20-Kleinwagen, i30-Kompaktwagen und ix35-SUVs der Marke Hyundai verkauft. Mit Einführung der dritten Schicht und Einstellung weiterer 755 Mitarbeiter hofft der südkoreanische Autobauer für dieses Jahr auf einen Absatz von 240.000 und für das kommende von 300.000 Einheiten.
Auch in "Detroit East" laufen die Fließbänder auf Hochtouren
Auf der anderen Seite der Grenze von Noschowitz, in der slowakischen Stadt Sillein - auch als "Detroit East" bekannt - brummt das Geschäft ebenfalls: Der südkoreanische Autobauer Kia Motors, Teil von Hyundai Motor, eröffnete jüngst ein 100-Millionen-Euro-Werk und stellt derzeit 1.000 neue Mitarbeiter ein, um Anfang 2012 ebenfalls eine dritte Schicht einzuführen. "Bislang haben wir genügend Aufträge", sagt Werkssprecher Dusan Dvorak. In der slowakischen Hauptstadt Bratislava produziert Volkswagen seit August seinen Kleinstwagen Up. Hier wird schon der Volkswagen Touareg, der Audi Q7 und die Karosserie des Porsches Cayenne Hergestellt.
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In Bratislava laufen auch Kleinwagen für die Volkswagen-Marken Skoda und Seat vom Band. Eine Investition im Volumen von 308 Millionen Euro schaffte 1.500 neue Arbeitsplätze und soll die Gesamtproduktion nach Konzernangaben von 144.000 im Jahre 2010 auf 400.000 im kommenden Jahr steigern. Skoda verzeichnete in den europäischen Schlüsselmärkten und asiatischen Volkswirtschaften Absatzsteigerungen. Der weltweite Absatz dürfte dieses Jahr nach Unternehmensprognosen zweistellig auf einen Rekord von weit mehr als 800.000 Fahrzeugen wachsen. Natürlich ist Mitteleuropa nicht immun gegenüber des wirtschaftlichen Abschwungs weltweit.
Mitteleuropa nicht immun gegen Wirtschaftsabschwung
Erste Anzeichen sind schon sichtbar: Ein Werk des französischen Autobauer Peugeot Citroen in der slowakischen Stadt Tyrnau kündigte vergangene Woche einen neuntägigen Produktionsstopp an. Zwischen dem 28. Okotober und dem 18. November sollen die Fließbänder demzufolge stillstehen wegen eines Nachfragerückgangs angesichts "einer angespannten wirtschaftlichen Lage und sozialer Unruhen in Europa". Am Mittwoch wurden angesichts der Absatzschwierigkeiten Einsparungen von 800 Millionen Euro angekündigt.
Die Großinvestitionen in die Autobranche in der Region schüren auch Sorgen vor einer Blase, die bald platzen könnte. Der stellvertretende tschechische Industrie- und Handelsminister Tomas Huner erklärte, dass Autos mehr als 20 Prozent der Gesamtproduktion in Tschechien ausmachten. Das sei "das Maximum für die Branchenstabilität".
"Wenn mehr Autowerke gebaut würden, würde die Branche nicht mehr davon profitieren", sagte er der Nachrichtenagentur AP. Dennoch bleibt die Stimmung in Noschowitz optimistisch: Ein 27-jähriger Fabrikarbeiter, der trotz Universitätsabschlusses kürzlich eine Stelle am Fließband bei Hyundai antrat, begründete diesen Schritt mit seinen "beruflichen Wachstumsmöglichkeiten". Er sei sicher, dass Hyundai auf Dauer in der Region bleiben werde. (dapd)