Auf der IAA in Frankfurt feiert sich die Branche wieder mit etlichen blitzenden Neuvorstellungen und hervorragenden Zahlen. Doch die Schuldenkrise hat die Automobilindustrie bereits eingeholt - und die Absatzzahlen kippen bereits.
Die Artikel über den rauschenden Premierentag der IAA waren noch nicht zu Ende geschrieben, als am 11. September 2001 der Terroranschlag auf die USA schlagartig die PS-Party in Frankfurt beendete. Zehn Jahre und zwei Absatzkrisen später tanzt die Automobilbranche wieder, allen voran feiern die deutschen Hersteller ihre Innovationskraft. Ingesamt 89 Uraufführungen auf Rädern können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Höhepunkt der Erholung nach der Bankenkrise von 2008 bereits überschritten ist.
Die Veranstalter der trotz des Booms in China immer noch bedeutendsten Automesse der Welt lassen sich eingetrübte Aussichten nicht anmerken. Matthias Wissmann, Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA) und Deutschlands oberster Autolobbyist, spricht lieber von 1007 Ausstellern auf der 64. IAA seit immerhin 1897. Die Ausstellungsfläche sei größer als im Rekordjahr 2007. Die damalige Zuschauerzahl von eine Million Autoverrückten wird man nicht erreichen, aber mehr als die 800.000 vom letzten Mal sollen es werden.
Positive Kennzahlen
Tatsächlich sind die Kennzahlen positiv. Dieses Jahr hat man im Inland laut VDA bereits 3,9 Millionen Autos produziert, ein Plus von acht Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die deutsche Stammbelegschaft stieg um 2,5 Prozent auf 724.000.
Doch die Schuldenkrise in den USA und in der EU hat die Autoindustrie bereits eingeholt. Auf allen wichtigen Märkten wird der Absatz 2012 zumindest leicht zurückgehen, außer in Asien. Das erwartet die zur IAA erstellte Konjunkturstudie des Branchenexperten Professor Ferdinand Dudenhöffer, Leiter des CAR Instituts an der Universität Duisburg-Essen.
Hinter Ausnahme Asien steckt die noch immer unbefriedigte Nachfrage Gigant China. Aber auch hier wächst der Bambus nicht mehr explosionsartig Richtung Himmel. Der deutsche Markt hingegen ist schon wieder gekippt. Untrügliches Indiz der schwächelnden Absatzes: Die von Dudenhöffer regelmäßig ermittelten Rabatte im Neuwagengeschäft liegen derzeit schon wieder auf dem hohen Niveau des Vorjahres. Außerdem finden sich unter den Premieren am Main keine volumenträchtigen neuen Massenmodelle im Stil eines neuen Golf.
Als ehesten massenkompatibel von den Premieren erscheint der 3,54 Meter kurze Up, dessen Namen Volkswagen mit einem Ausrufezeichen getunt hat. Der Kleinwagen im Schuhkartonformat nach der Formel „ so hoch wie breit“ ist der erste Vertreter der „New Small Family“-Modellgruppe im Konzern. Außerdem, zumindest in einer abgespeckten Einstiegsversion, gibt es mit dem Up mal wieder ein Volkswagen zum volkstümlichen Preis: knapp unter 10.000 Euro.
Spritsparen bleibt das große Thema
Greenpeace hat nach langen Jahren der gepflegten Feindschaft zu Daimler dieses Jahr das Imperium von Konzernlenker Ferdinand Piech als Zielscheibe auserkoren. Am morgigen Donnerstag soll mit Aktionen in Frankfurt dagegen geklagt werden, dass der mit 930 Kilogramm tatsächlich vergleichsweise leichte Käfer-Epigone Up „unzeitgemäß“ in Sachen Verbrauch sei. Der Beweis für die These steht aber aus. Grundsätzlich würde Volkswagen vorhandene Spartechniken nicht in Basismodellen anbieten. Tatsächlich tut dies kein Autobauer dieser Welt.
Dass Sparen Geld kostet, beweist die Unzahl von neuen Hybridmodellen. Peugeot setzt dabei als erster einen Diesel ein und verlangt 34.150 Euro für die dadurch besonders sparsame Familienlimousine 3008. Viele neue Hybride wie der Audi A8 werden mit leistungsstarken, aber teuren Lithium-Ionen-Batterien hochgerüstet, mit denen der Audi rein elektrisch 100 km/h schnell fahren kann. Das kann der wie der Opel Ampera auch an der Steckdose aufladbare Prius Plug-in ebenfalls. Der mit Lithium-Akkus aufgewertete Hybridpionier kommt aber nur mit dem zusätzlichen Elektromotor 20 Kilometer weit.
Auch der Porsche 911 schluckt weniger - angeblich
Am dem Up entgegengesetzten Ende der Emotionalitätsskala rangiert zweifellos der neue Porsche 911. Die seit seinem Erscheinen 1963 inzwischen siebte Generation des vom Käfer abgeleiteten Sportwagens hat jetzt mindestens 350 PS, soll trotzdem nur 8,2 Liter auf 100 Kilometer verbrauchen und bleibt damit nach der endlos praxisfernen Normverbrauchsangabe, knapp unterhalb eines Kohlendioxidausstosses von 200 Gramm pro Kilometer. Dieser ergrünte Elfer kostet ab 88.000 Euro.
Deutlich langsamer, aber auch viel billiger fällt der neue Zafira aus, dessen Preis Opel kurz vor der IAA bekanntgegeben hat. Mit 23.000 Euro ist es derselbe wie beim bisherigen Modell, das als Classic-Variante weitergebaut wird. Das günstige Angebot kann helfen, dass das IAA-Motto auch auf den Zafira-Standort Bochum zutrifft: „Zukunft serienmäßig“. (gh)