Dschiddah. . Frauen in Saudi-Arabien dürfen nicht Auto fahren. Die Internet-Kampagne Women2Drive ruft nun saudiarabische Frauen auf, sich aus Protest am 17. Juni einfach hinters Steuer zu setzen. Eine Gegenkampagne empfiehlt Männern, fahrende Frauen zu schlagen.
In Saudi-Arabien gibt es im "arabischen Frühling" keine Demonstrationen oder Revolten wie in vielen Nachbarländern. Die reiche Herrscherfamilie hat das Land fest im Griff. Doch nun machen König Abdallah die Frauen Probleme: Nachdem vorerst erneut ein Versuch scheiterte, ihnen das Wahlrecht zu geben, wollen sie nun wenigstens das für sie geltende Autofahrverbot in dem streng islamisch geprägten Land kippen.
Mit Sonnenbrille und schwarzem Kopftuch sitzt Malal el Tscharif am Steuer und fährt durch die Stadt Chobar im Osten Saudi-Arabiens. Die 32-Jährige erzählt in einem Video auf dem Internet-Portal Youtube, wie schwierig es für saudiarabische Frauen ist, von einem Ort zum anderen zu kommen. Sie seien "täglicher Erniedrigung" ausgesetzt, weil sie bei der Fortbewegung auf den guten Willen von Männern aus ihrer Familie oder bezahlte Chauffeure angewiesen seien, sagt sie.
Angeklagt wegen "Anstachelung zum Autofahren"
Für die geschiedene Mutter eines fünfjährigen Jungen sind Einkäufe, Arztbesuche oder Treffen in ihrem Job als Beraterin für Internet-Sicherheit jedes Mal eine logistische Herausforderung. Am 22. Mai wurde Tscharif nach ihrer per Video dokumentierten Fahrt festgenommen. Sie wurde von den Behörden wegen Anstachelung von Frauen zum Autofahren angeklagt. Mehr als 3300 Menschen wandten sich darauf in einer Petition an König Abdallah, um ihre Freilassung zu verlangen. Zudem forderten sie, dass der Monarch "eine klare Entscheidung in der Frage des Rechtes der Frauen auf Autofahren" fällt.
Auf Facebook sprachen mehr als 24.000 Nutzer Tscharif Mut zu. Nach gut einer Woche wurde sie auf Kaution freigelassen. Sie hoffe, dass das Verfahren gegen sie nun eingestellt werde, sagte ihre Anwältin Adnan el Saleh. Am Donnerstag nahm die Polizei in Riad jedoch erneut sechs Frauen wegen unerlaubten Autofahrens vorübergehend fest. Können Saudi-Arabiens Frauen hoffen, dass das Fahrverbot jetzt ganz fällt? Den Druck auf die Regierung wollen Tscharif und ihre Mitstreiterinnen jedenfalls noch erhöhen. Schon vor ihrer Festnahme rief die Internet-Kampagne Women2Drive saudiarabische Frauen auf, sich am 17. Juni möglichst zahlreich hinter das Steuer zu setzen und so gemeinsam gegen das Fahrverbot zu protestieren.
Kein Gesetz, das Autofahren verbietet
Die Organisatorinnen betonen, dass es in Saudi-Arabien kein Gesetz gibt, das Frauen das Fahren verbietet, sondern lediglich eine als Fahrverbot interpretierte Fatwa - ein religiöses Rechtsgutachten. Schon im November 1990 versuchte eine Gruppe, öffentlich gegen das Fahrverbot zu protestieren: 47 Frauen fuhren in 15 Autos durch Riad, bis sie festgenommen wurden. Die Beamtinnen unter ihnen verloren damals ihren Job. Auch jetzt hat die Gegenbewegung längst mobil gemacht. Saudiarabische Männer starteten zu der Aktion am 17. Juni einen Aufruf zur Bestrafung von Frauen. Tausende registrierten sich auf einer Facebook-Seite für die "Kampagne des Ikal" - in Anlehnung an die schwere Kordel, mit der die traditionelle Kopfbedeckung der Männer befestigt wird.
Die Kampagne ruft die Männer dazu auf, die Frauen mit der Kordel zu schlagen, sollten sie es wagen, sich dem Fahrverbot zu widersetzen. Der saudiarabische Romanautor Abdo Chal schrieb in der Zeitung "Okas", er wisse nicht, ob er angesichts der Situation lachen oder weinen solle. In einem Leitartikel in der Zeitung "El Watan" hieß es, autofahrende Frauen sollten lediglich wegen eines fehlenden Führerscheins strafrechtlich verfolgt werden.
Die Gegner des Fahrverbots versuchen auch, über das Ausland Druck zu machen und wandten sich bereits an Riads mächtigen Verbündeten USA. US-Außenministerin Hillary Clinton erhielt Anfang Juni eine Petition von 10.000 Menschen gegen das saudiarabische Fahrverbot. Es sei an der Zeit, dass die USA ihren Einfluss gelten machten, heißt es darin. "Eine öffentliche Erklärung ihrerseits, die saudiarabischen Straßen für die Frauen zu öffnen, hätte eine starke Wirkung." (afp)