Vor 60 Jahren kam es zur Unterzeichnung eines Vertrages zwischen Ferry Porsche und dem italienischen Industriellen Piero Dusio. Es ging um nicht mehr und nicht weniger als die (Rück-)Eroberung des Grand-Prix-Rennsports.

Die damals im österreichischen Gmünd angesiedelte er Porsche KG sollte einen Grand Prix-Wagen für den berühmten Rennfahrer Tazio Nuvolari entwickeln, der bereits vor dem Krieg in Form des Auto Union-Silberpfeils eine Porsche-Konstruktion gelenkt hatte. Jetzt wollte Nuvolari wieder angreifen, es fehlte aber ein konkurrenzfähiges Auto.

Rudolf Hruska hatte den Kontakt zur Firma Porsche hergestellt, Piero Dusio fungierte als Geld- und dessen 1943 gegründete Firma Compagnia Industriale Sportiva Italia (Cisitalia) als Auftraggeber, Carlo Abarth war für den Posten des Rennleiters vorgesehen. Man kannte sich, die Bande untereinander waren eng: Hruska war als ehemaliger Porsche-Mitarbeiter federführend an der Entwicklung des Auto Union-Rennwagens beteiligt gewesen. Nuvolari war auf dieser Porsche-Konstruktion Rennen gefahren. Der als Rennleiter vorgesehene Österreicher Abarth war mit der Sekretärin von Ferrys Schwager, Dr. Anton Piech, verheiratet, und Dusio sollte Porsche Aufträge vermitteln.

Jetzt füllte der Textilkaufmann Dusio mit eigenen Projekten die Auftragsbücher, das erste Honorar diente dazu, die für die Freilassung von Ferdinand Porsche geforderte Kaution zu bezahlen. Der war zu diesem Zeitpunkt wegen seiner Verstrickung in die Kriegsproduktion der Nazis von den Franzosen inhaftiert. Neben der Entwicklung des GP-Rennwagens vom Typ 360 war die Entwicklung eines zweisitzigen Mittelmotorsportwagen (Typ 370) mit 2,0-l-Achtzylinder-Boxermotor, eines kleinen Traktors (Typ 323) und einer Wasserturbine (Typ 285) vorgesehen.

Priorität besaß zunächst der Rennwagen, der gemäß des Grand-Prix-Reglements als Saugmotor über 4,5 Liter Hubraum oder 1,5 Liter Hubraum und Kompressor-Aufladung verfügen sollte. Geplant war, dass Porsche die Konstruktion leitete, während der Bau des Wagens in Turin bei Dusios Firma Cisitalia stattfinden sollte.

Als Vertreter der Mittelmotor-Philosophie (die sich im GP-Sport noch längst nicht flächendeckend durchgesetzt hatte) beruhte der Cisitalia 360 auf den Erfahrungen von Professor Ferdinand Porsche aus der Auto Union-Zeit, war aber nichtsdestoweniger wegweisend. Der Motor, ein längs im Rücken des Fahrers installiertes Zwölfzylinder-Boxertriebwerk, leistete 350 PS bei 10 500/min, die vier obenliegenden Nockenwellen wurden von Königswellen angetrieben.

Ein leichter Gitterrohrrahmen trug die Außenhaut und die seitlich angebrachten, abnehmbaren Tanks. Zur Verbesserung der Traktion wurde ein zuschaltbarer Vorderradantrieb konstruiert, die ratschenähnliche Durchzugsschaltung arbeitete mit nur einer Schaltebene. Um das Gewicht noch gleichmäßiger zu verteilen, wurde das Fünfganggetriebe hinter dem Motor angeordnet – bis heute eine im Rennwagenbau üblich Praxis.

Kurz bevor die Entwicklung zu Ende gebracht werden konnte, geriet Piero Dusio in finanzielle Schwierigkeiten und stoppte Ende 1948 die Arbeiten am Typ 360 Grand-Prix-Wagen. Es blieb bei einem Prototypen, ein zweites Fahrzeug wurde nur noch zum Teil fertiggestellt. Trotz seiner theoretischen Überlegenheit hatte der Cisitalia noch keinen Renneinsatz erlebt.

Im Frühjahr 1949 wanderte Piero Dusio nach Argentinien aus, um dort im Auftrag des Staatschef Peron eine einheimische Automobilindustrie zu etablieren. Die eineinhalb Wagen hatte Dusio mitgenommen, der komplexe und filigrane Motor war jedoch nicht in den Griff zu bekommen, so dass der Cisitalia 360 auch in Übersee über Probeläufe nicht hinauskam und kein reguläres Rennen mehr erlebte. Mit der Einführung eines neuen Grand-Prix-Reglements im 1952, welches den Einsatz der Kompressor-Technik untersagte, hatte sich die Porsche-Konstruktion endgültig überlebt, das Auto wurde von der Nachfolge-Regierung Perons beschlagnahmt.

Die letzte Reise trat der Cisitalia im 1960 an: auf abenteuerlichen Wegen gelang es dem örtlichen Porsche-Importeur, den Rennwagen in die Transport-Kiste eines frisch zu Rennzwecken eingeführten Porsche Spyder und auf dem Seeweg zurück nach Stuttgart zu schaffen. Dort steht er heute im Porsche-Museum.