Wesel bis Wuppertal. Seit drei Jahren fährt der RE49 von Wesel nach Wuppertal. So der Fahrplan. In der Realität war er nur rund 14 Wochen unterwegs. Woran das liegt
Nein, die Bahn kann nichts dafür, wenn ein betrunkener LKW-Fahrer in eine Eisenbahn in Mülheim-Styrum rasselt. Und auch nicht für das Jahrhunderthochwasser, das die Bahngleise im Essener Süden unterspült. Und die Weltkriegsbombe, die am 7. Juli 2022 entschärft werden musste, hat auch niemand zu verantworten, der heute bei DBRegio, Netz oder VRR im Sessel sitzt.
Und dennoch: Der RE49 ist das Sorgenkind des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr. Auf dieser vor drei Jahren zum Fahrplanwechsel Mitte Dezember eingeführten Verbindung zeigt sich in geballter Form. was alles schief gehen kann im System Bahn.
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Die Bilanz, die der VRR nach drei Jahren zieht, und die ein Bahnenthusiast vom Niederrhein bestätigt zeigt: In den drei Jahren seitdem Fahrplanwechsel 2019 hätte der Zug immer montags bis freitags fahren sollen – also an rund 750 Tagen. Geschafft hat er es gerade einmal an etwas über 70 Tagen. Mit anderen Worten: Nur an einem von zehn Verkehrstagen schafft es der Zug einigermaßen zuverlässig zwischen morgens fünf und abends acht zwischen dem Niederrhein und dem Bergischen Land zu pendeln.
VRR bejubelte vor drei Jahren noch die tolle Direktverbindung
Als Ende 2019 die Verbindung eingeführt wurde, freute sich der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr noch ziemlich lautstark über diesen geschickten Zug: Umsteigefrei vom rechten Niederrhein ins zentrale Ruhrgebiet, auch von Oberhausen oder Mülheim direkt nach Langenberg, Velbert oder Wuppertal. Fahrtdauer ab Wesel: in einer Dreiviertelstunde nach Essen, in knapp anderthalb Stunden nach Wuppertal.
Woran also hat es gelegen, dass der RE49 es beispielsweise im Kalenderjahr 2021 nur an einem einzigen Tag, dem 27. Dezember, schaffte, die gesamte Strecke zu befahren?
Der Zug gilt als leicht ersetzbar, daher wird er schnell gestrichen
Einer der Hauptgründe: Der RE49 gilt als leicht ersetzbar. Wenn also mal wieder zuviele Lokführer krank sind oder die Züge nicht in ausreichender Zahl verfügbar sind, wird als erstes der RE49 gestrichen. Denn überall auf der gesamten Route gibt es zwei weitere Züge pro Stunde und Richtung: zwischen Wesel und Oberhausen den RRX 5 und die RE19, von Oberhausen bis Essen die S3 und von Essen bis Wuppertal die S9. Theoretisch. Denn bei all dem, was auf der Schiene schiefläuft, weiß der Bahnkunde auch: Jeder Umstieg ist ein Abenteuer. Und in Corona-Jahren genießt auch nicht jeder das Leben in vollen Zügen, mehr Abstand wäre da schöner.
Die S-Bahnlinien haben sogar eine gewisse Priorität, denn beim RE steht das E für Express (und nicht für „entfällt“) Und weil der Zug daher zwischen Essen und Wuppertal eine gute Handvoll Halte auslässt, lässt die Bahn lieber die S 9 fahren: die nimmt wenigstens alle Halte mit.
Dabei fing es gut an: In den ersten Tagen ging der RE49 auf die Strecke als moderner Zug mit Wifi, komfortabel. Dann stellte sich raus: die frisch gebackenen Lokführer von Abellio bekamen den Zug im Bergischen nicht nach Fahrplan über die Strecke. Bald darauf führte der Mangel an Lokführern dazu, dass der RE 49 wieder eingestellt wurde – für ein sattes halbes Jahr.
Tanklasterunglück, Hochwasser, Stellwerkschaden, Bauarbeiten, kranke Lokführer
Im Juli fuhr er wieder, doch es folgte am 17. September das Tanklasterunglück von Styrum, das den Zug wiederum für ein Jahr stoppte. Danach ging es nur von Wesel bis Essen: Bis Weihnachten 2021 wurden im Ruhrtal Hochwasserschäden beseitigt. Anfang 2022 fehlte Personal, dann fiel das Stellwerk in Vohwinkel aus, machte Zugbetreiber Abellio Pleite: Vom 8. Januar bis Ende Februar 2022galt ein Notfahrplan.
Danach übernahm DB Regio, zuletzt mit Personalausfällen wegen zu hoher Krankheitsquote. Die übrigens jetzt was neues probiert: Bis Weihnachten fällt die S3 aus zwischen Oberhausen und Essen. Und der RE49 hat nun die ehrenvolle Aufgabe, als einziger Zug die Schienenverbindung zwischen Oberhausen und Mülheim aufrecht erhalten. Tut er auffallend oft.
Und wie geht der RE49 in sein viertes Jahr? Zumindest für die Strecke Wesel-Oberhausen sind Bauarbeiten angekündigt, an rund 120 Tagen. Sie dürfen wetten, welche Linie als erstes geopfert wird.