Aachen/München. Trotz der Gewinnrückgänge mit Gas- und Kohle nehmen Deutschlands Stadtwerke Milliarden für die Energiewende in die Hand . Die EEG-Novelle hat dem Markt Sicherheit gegeben: Auch mit den aktuellen EEG-Sätzen lässt sich vor allem mit Windanlagen Geld verdienen.
Bei Deutschlands größtem Stadtwerkeverbund Trianel in Aachen geht seit Anfang Juni auch mitten in der Nacht das Licht nicht mehr aus. Die vor kurzem bezogene Firmenzentrale hat jetzt einen Stromhandelsraum, in dem sieben Tage die Woche rund um die Uhr Kontrakte abgeschlossen werden. "Lamentieren über die Probleme hilft nicht, wir müssen die Chancen der Energiewende aufgreifen", sagt Trianel-Chef Sven Becker.
Um die Erneuerbaren in den Strommarkt zu integrieren, hat Trianel den Kurzfrist-Börsenhandel mit den stark schwankenden Wind- und Sonnenstrommengen deutlich ausgebaut. Das Unternehmen sieht neue Chancen in der Betreuung der dezentralen Stromerzeuger, die ihren Strom nach dem Anfang August in Kraft getretenen EEG-Gesetz zunehmend nicht nur einspeisen, sondern am Markt verkaufen müssen.
Trianel setzt auf Wind- und Wasserkraft
Trianel will in den nächsten Jahren drei Milliarden Euro investieren - unter anderem für neue Wind- oder Wasserkraftwerke - und das trotz der branchenweiten Krise und abgestürzten Gewinne in der Stromerzeugung mit Gas und Kohle.
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Die EEG-Novelle war "ein Startschuss für neue Investitionen in erneuerbare Energien, denn jetzt herrscht Rechtssicherheit", sagt der Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU), Hans-Joachim Reck. Die Erträge für Wind- und Sonnenstrom wurden zwar reduziert, es gibt Einschnitte etwa bei der EEG-Befreiung des Eigenstroms, aber "Investitionen in Erneuerbare sind - trotz insgesamt leicht reduzierter Vergütungen - immer noch relativ risikolos", sagt Reck.
So viel Ökostrom, wie ganz München verbraucht
Das sieht auch der Chef der Stadtwerke München (SWM) so. "Mit dem neuen EEG gibt es in Deutschland wieder verlässliche Rahmenbedingungen für Investitionen in Erneuerbare Energien. Dies greifen wir sehr gerne und sofort auf", sagte Florian Bieberbach, als die SVM jüngst eine weitere Investitionen in einen Windpark auf hoher See bekanntgaben.
Die Bayern haben sich ehrgeizige Ziele gesetzt. "Bis 2025 wollen die SWM so viel Ökostrom in eigenen Anlagen produzieren, wie ganz München verbraucht", heißt es bei dem kommunalen Unternehmen. Klappt das, kommen pro Jahr rund 7,5 Milliarden Kilowattstunden zusammen - das ist mit Anlagen in München oder der Region allein nicht zu schaffen. Bis 2025 wollen die SWM rund 9 Milliarden Euro investieren, daheim, aber auch in ganz Deutschland und etlichen europäischen Ländern.
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Zusammen mit Vattenfall geben die Münchner rund 1,2 Milliarden Euro für den Windpark "Sandbank" vor der Küste Schleswig-Holsteins aus. Auch an den Offshore-Windparks Dan Tysk, Gwynt y Môr und Global Tech I beteiligen sich die Bayern, dazu kommen Windparks an Land, etwa in Polen, Schweden oder Frankreich, aber auch das Solarthermie Großkraftwerk Andasol 3 in Spanien.
Novelle vergrößert den Markt
Doch Impulse setzt die EEG-Novelle nicht nur mit der Fortschreibung der Förderungen, sondern mit der Pflicht zur Direktvermarktung des Stroms an der Börse für viele neue Anlagenbetreiber. Hier liegen Chancen vor allem für die Stadtwerke, weil die nah an den kleinen Erzeugern sind, ist Trianel-Chef Becker überzeugt.
Denn die Unternehmen brauchen bei dem komplizierten Geschäft Hilfe. Trianel hat sein Direktvermarktungs-Portfolio in kurzer Zeit schon auf 3000 Megawatt ausgebaut - das entspricht der Leistung von zwei Atomkraftwerken.
"Die Novelle mit der Pflicht zur Direktvermarktung vergrößert den schon bestehenden Markt", sagt auch VKU-Chef Reck. "In diesem Bereich kann man auch verdienen - sonst würden nicht so viele Unternehmen auf den Markt drängen."
Zweite Ausbaustufe für Windpark Borkum geplant
Trianel plant bis 2019 die zweite Ausbaustufe des Windparks Borkum in der Nordsee mit rund 800 Millionen Euro Kosten - trotz mancher schmerzhaften Erfahrung der Vergangenheit. Der Anschluss der ersten Stufe hatte sich um rund zwei Jahre verzögert. Daneben sind vor allem Millioneninvestitionen in neue Windräder im Landesinneren geplant.
"Weit mehr als 100 Stadtwerke sind in Windprojekten engagiert. Das Interesse ist riesig", sagt Eckhard Kuhnhenne-Krausmann, Partner bei der Unternehmensberatung Enervis, die viele Stadtwerke berät. Schließlich lässt bei einem aktuellen EEG-Vergütungssatz von 8,9 Cent pro Kilowattstunde mit Windstrom weiterhin Geld verdienen - der Börsenstrompreis liegt bei etwa 4 Cent oder für viele Future-Kontrakte noch darunter. (dpa)