Köln. Am Freitag startet sie wieder, die große Bundesliga-Show. Wenn Fußballer ins Tor treffen, werden Sie zu Feierbiestern. Eine Sportpsychologin erklärt, welche Menschen hinter den Jubelposen stecken.

Verrückt, diese Isländer. Würde es einen Pokal für die schönste Szene nach einem Tor geben, wären sie wohl Seriensieger. Die Jubelkönige vom Stjarnan FC haben sich bis heute fast mehr Choreografien ausgedacht als der Zirkus Roncalli. Mal haben die Fußballer aus sich selbst ein lebendes Fahrrad gebaut, mal einen Fisch samt Angler. Dann eine Toilette aus Mitspielern, auf der der Torschütze Platz nehmen durfte.

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Ein feierlicher Walzer auf dem Rasen gehörte da noch zu den unspektakulären Szenen. Diese Inselmänner – im internationalen Vergleich die geborenen Fußballzwerge, aber im Jubeln die Größten. Mit einem solchen Showprogramm wird in der Bundesliga auch in dieser Saison eher nicht zu rechnen sein. Dennoch werden uns die Torschützen ganz sicher ab heute wieder mit kleinen Einlagen versorgen. Gemeinsam mit der Kölner Sportpsychologin Kareen Klippel schauen wir hinter die Psychologie des Jubelns.

Wie spontan ist der Jubel?

Er ist oft zweigeteilt. „Im Moment ihres Sieges neigen Sportler spontan zu aggressiven und drohenden Gebärden: hochgerissene Arme und eine hervorgeschobene Brust, Grimassen und Faustschläge in die Luft“, sagt die Psychologin. Forscher aus San Francisco sehen diese Triumphgesten als angeborenen Ausdruck von Emotionen. Ganz spontan, ganz automatisch. Soweit das Vorspiel, es folgt Teil zwei. „So ein Jubel ist lang. Im Profifußball sieht der Zuschauer deshalb durchaus gesteuerte Komponenten", sagt Kareen Klippel. Beispiel Lukas Podolski. Der gebürtige Pole hatte sich bei der Europameisterschaft 2008 nach seinen beiden Toren für die deutsche Nationalmannschaft die Hände vor das Gesicht gehalten und bewusst nicht gejubelt, wie er später erzählte. Denn: Er traf ausgerechnet gegen sein Geburtsland.

Ändern sich Jubelgewohnheiten im Laufe einer Karriere?

Ein klares Jein! „Spontaner Jubel bleibt gleich. Weitere, leicht verzögerte und teils choreografierte Posen ändern sich im Laufe einer Karriere eher“, beobachtet die Expertin. Einfluss nehmen etwa die Rolle eines Spielers in der Mannschaft, die Reaktion auf Jubelposen bei Fans und Mitspielern oder auch die Frage, was der Spieler von sich preisgeben möchte.

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„Einige Sportler haben eine Jubelpose zu ihrem Markenzeichen gemacht. Der Waliser Gareth Bale wollte sich seinen Jubel in Verbindung mit seiner Rückennummer 11 sogar markenrechtlich schützen lassen“, sagt Klippel – Bale formt nach einem Treffer mit Daumen und Zeigefingern beider Hände ein Herz.

Einer trifft – und alle werfen sich auf ihn. Warum begraben die Mitspieler den Torschützen so gerne unter sich?

Aus psychologischer Sicht ist dieser Mannschaftsberg ein interessantes Phänomen. „Jeder Spieler stellt seine maximale Nähe zum Torschützen her. Die Spieler teilen ihre Freude und präsentieren sich nach außen als Einheit.“ Ganz ohne Hintergedanken? Natürlich nicht! Beim Jubeln sind sich Profifußballer ihrer starken Medienpräsenz in der Regel bewusst. Auch Spieler, die sich bei dieser Form von Freude nicht richtig wohlfühlen, werden oftmals ein Teil des großen Ganzen. „Denn wie sieht es aus, wenn ein Spieler ganz allein neben dem jubelnden Mannschaftsberg steht...“

Tänzer und Artisten, Spiderman und andere Superhelden – folgende Typen erwarten uns ab Freitag in der Liga

Mit einer Oscar-Nominierung dürfen die Bundesligastars wohl nicht rechnen, wenn es um ihre Qualitäten als Hauptdarsteller in der Tragikomödie „Der Jubel nach dem Schuss“ geht. Sportpsychologin Kareen Klippel betont, dass der Jubel allein keine Rückschlüsse auf die komplette Identität eines Menschen zulasse. Sehenswert sind die Posen aber trotzdem. Diese Typen gibt es:

King Kong: Er brüllt, ballt die Hände zur Faust, reißt die Arme nach oben. Spezialisten: Thomas Müller, Franck Ribéry (beide Bayern München), Klaas-Jan Huntelaar (FC Schalke). Expertenmeinung: „Das scheint eher ein spontaner Ausdruck zu sein.“

Akrobat: Er nimmt kurz Anlauf, schlägt einen Salto, landet und lacht. Spezialisten: Miroslav Klose (Lazio Rom), Constant Djakpa (Eintracht Frankfurt). Expertenmeinung: „Eher als Markenzeichen zu sehen. Die Art des Jubelns kann Lebensfreude, Perfektion und Leichtigkeit symbolisieren wollen.“

Herzchentyp: Er streckt seine Arme nach vorne und formt mit den Fingern ein Herz. Spezialisten: Rafael van der Vaart (Hamburger SV), Benedikt Höwedes, Sidney Sam (beide FC Schalke), Ivica Olic (VfL Wolfsburg). Expertenmeinung: „Das Herzchen soll als Markenzeichen oder auch als Gruß an jemanden verstanden werden.“

Stangentänzer: Er rast nach dem Tor zur Eckfahne und lässt die Hüften kreisen. Spezialisten: Lewis Holtby (Ex-Schalke, jetzt Tottenham), Bastian Schweinsteiger (Bayern), Anthony Ujah (1. FC Köln). Expertenmeinung: „Auch dieser Stil steht für Lebensfreude und Leichtigkeit.“

Spiderman: Wie aus dem Nichts zaubert er aus dem Stutzen eine Spiderman-Maske und zieht sie sich über den Kopf. Spezialist: Pierre-Emerick Aubameyang (Borussia Dortmund). Expertenmeinung: „Man könnte nur vermuten, dass es sich bei solchen Gesten um eine verlorene Wette handelt oder vielleicht um einen Gruß an ein Kind.“

Grundsätzlich gewähre ein Torschütze, der Grüße an seine Liebsten richtet, Einblicke in seine Welt außerhalb des Profisports – dazu gehören auch der Kuss auf den Ehering, der Daumen im Mund oder das symbolische Babyschaukeln.