Essen. Nach wochenlangen Verhandlungen haben sich die Union und die SPD auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Unsere Nutzer haben jede Phase der Verhandlungen mitverfolgt und Ihre ganz eigene Meinung zum Thema Große Koalition. Für sie hat sich die SPD von der Union den Schneid abkaufen lassen.

Die Wortmeldungen reichen von totaler Ablehnung und der Forderung nach Neuwahlen bis hin zu Resignation und Fatalismus. Zu wenig Sozialdemokratie und viel zu Union, so lautet der Vorwurf unserer Leser.

„Nun schlägt die Stunde der Pöstchenjäger“

Geht es nach unseren Lesern, so hat die Führungsriege der Sozialdemokraten in den wochenlang andauernden Gesprächen keine gute Arbeit geleistet. „Erst die Wahl vergeigt und nun auch die Koalitionsverhandlungen“, fasst Buttermilchmuffin zusammen.

Die Führungskräfte der SPD stehen besonders im Fokus der Kritik, denn nicht wenige unserer Nutzer werfen ihnen Wählertäuschung vor. „Dabei ist das größte Problem der SPD ihre Führungsmannschaft, die schon in dritter Folge die Bundestagswahlen vergeigt haben und jetzt für ein paar billige Ministerpöstchen die allerletzten Reste sozialdemokratischen Anstands zu Grabe tragen!“, schreibt beispielsweise DerRheinberger.

„Nun schlägt die Stunde der Pöstchenjäger“, schreibt eurofighter4711 und fügt hinzu, „man könnte meinen, dass die wichtigsten Positionen im Staat auf dem Grabbeltisch verschachert werden.“

Zu wenig SPD im Koalitionsvertrag

Der Koalitionsvertrag enthalte zu wenig sozialdemokratische Forderungen, meint bluesbower. Weder die Vermögenssteuer noch die Erhöhung des Spitzensteuersatzes haben es in das Papier geschafft. „Das ist nicht das, womit die SPD in den Wahlkampf gezogen ist“, stellt bluesbower enttäuscht fest.

Auch Bingo53 vermisst einige wichtige Punkte aus dem Wahlprogramm. Seiner Meinung nach haben sich die Genossen weit unter Wert verkauft: „Dieser Koalitionsvertrag ist nicht das, was der SPD Wähler von der SPD erwartet hat. Es wurde ein Koalitionsvertrag gemacht, der die Handschrift der SPD auf ganzer Linie vermissen lässt.“

Besonders der Aufschub des gesetzlichen Mindestlohns, immerhin eine Kernforderung der SPD, schmerzt den Nutzer: „Der Mindestlohn kommt erst 2015. Warum erst so spät? Und warum wird wieder ein Schlupfloch für die Arbeitgeber gelassen, dass sie bis zu den nächsten Wahlen in 2017 auch noch geringere Löhne weiterhin bezahlen können als die von der SPD so großartig angekündigten 8,50€.“ Für Bingo53 ist dieses Vorgehen ein Schlag ins Gesicht eines jeden Wählers, der weniger als 8,50€ in der Stunde verdiene.

Ist Rot-Rot-Grün eine Alternative?

„Am Schluss hat sich die CDU in allen entscheidenden Fragen durchgesetzt. Der von der SPD versprochene Politikwechsel wird nicht kommen“, meint donelvis. Doch was tun? Für donelvis gibt es nur eine Möglichkeit: Eine Koalition bestehend aus der SPD, den Grünen und den Linken. Dieser Vorschlag findet unter unseren Kommentatoren aber nur wenig Fürsprecher. Eine Koalition aus den Parteien Links der Mitte werde es wegen der Vorbehalte der SPD wohl kaum gebenden. Auch einer Koalition aus Union und Grünen räumt unser Leser Nutzer Irabu wenige Chancen ein.

Wer soll das bezahlen?

Chris.GE und Ondramon sprechen in ihren Kommentaren die Probleme an, die ihrer Meinung nach von der Großen Koalition nicht berücksichtigt werden. „Wieder eine Politik des Klein-Klein“, stellt Chris.GE fest. Er fürchtet, dass grundlegende politische Probleme wie die Komplettreform des Rentensystems oder die Erneuerung der Infrastruktur in den nächsten vier Jahren nicht angegangen werden.

Ondramon stellt hingegen die Frage nach der Bezahlbarkeit: „Steuererhöhungen für Besserverdienende werden ja laut Vertrag ausgeschlossen. Und neue Schulden sollen auch nicht mehr gemacht werden, obwohl das Geld so billig ist wie nie zuvor.“ Er befürchtet, dass fehlende Einnahmen über Umwege eingetrieben werden. „Es werden zusätzliche Gebühren sein, eine Maut für die Autobahnbenutzung oder eine Extra-Abgabe auf die Kilowattstunde Strom. Der Koalitionsvertrag ist das Papier nicht wert, auf dem er geschrieben steht.“

Der Koalitionsvertrag

Gesetzlicher Mindestlohn

Der gesetzliche Mindestlohn soll 2015 kommen und bundesweit 8,50 Euro pro Stunde betragen.

Doppelte Staatsbürgerschaft

In Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern sollen sich künftig nicht mehr bis zum 23. Geburtstag für einen der beiden Pässe entscheiden. Die sogenannte Optionspflicht entfällt.

Steuern

Für die Finanzierung der Projekte einer großen Koalition sollen trotz eines milliardenschweren Rentenpakets keine Steuern erhöht werden.

Schulden

Ab 2015 will die große Koalition keine neuen Schulden machen.

Rente

Der Rentenkompromiss sieht so aus, dass die von der SPD geforderte abschlagfreie Rente mit 63 Jahren nach 45 Beitragsjahren und die von der Union versprochene Besserstellung älterer Mütter, die vor 1992 Kinder bekommen haben, zum 1. Januar 2014 eingeführt werden.

Pkw-Maut

Bedingung für die Einführung soll sein, dass die Maut nur ausländische Autofahrer belastet und mit dem Europarecht vereinbar ist.

Erneuerbare Energien

Der Anteil erneuerbarer Energien an der Erzeugung soll bis 2025 auf bis zu 45 Prozent steigen. Die SPD war mit der Forderung von 75 Prozent bis 2030 in die Gespräche gegangen.

Spekulanten

Union und SPD schreiben sich den Kampf gegen Börsen-Spekulation ohne Bezug zur Realwirtschaft auf die Fahnen: "Unsere Finanzmarktpolitik gibt der realwirtschaftlichen Dienstleistungsfunktion des Finanzsektors Vorrang vor spekulativen Geschäften."

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Wie soll die SPD-Basis entscheiden?

Und nun? Was empfehlen unsere Nutzer nun den 475 000 SPD-Mitgliedern, die den Vertrag abnehmen müssen? XXU macht folgenden Vorschlag: „Wäre ich Teil der viel gerühmten SPD-Basis, dann würde ich den Koalitionsvertrag postwendend nach Berlin zurück schicken. Versehen mit einem großen Stempel, auf dem „Dagegen“ steht. In rot natürlich.“