Jerusalem. Ovadia Jossef galt als einflussreichster Geistlicher Israels. Er starb im Alter von 93 Jahren. Der Begründer der ultraorthodoxen Schas-Partei, die an etlichen Regierungskoaltionen beteiligt war, galt als “Königsmacher“ in der israelischen Politik.

Der Rabbiner Ovadia Jossef, der einflussreichste Geistliche Israels, ist am Montag im Alter von 93 Jahren gestorben. Dies teilte die Hadassa-Klinik in Jerusalem mit, in der der langjährige Großrabbiner seit Ende September aufgrund akuter Herz- und Atemprobleme behandelt worden war. Der Tod des früheren sephardischen Großrabbiners sowie Gründers der ultraorthodoxen Schas-Partei löste Bestürzung und Trauer im Lande aus.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kondolierte der Familie und den Anhängern des Rabbiners mit den Worten, er sei "tieftraurig über den Verlust eines der weisesten Menschen dieser Generation". Er habe "seine Warmherzigkeit und Direktheit immer geschätzt und aus jeder unserer Begegnungen gelernt".

Tausende Ultraorthodoxe auf dem Weg zur Trauerfeier

Präsident Schimon Peres unterbrach spontan ein Treffen mit seinem tschechischen Amtskollegen Milos Zeman, um sich an das Sterbebett Jossefs im westlichen Vorort Ein Kerem zu begeben. Unter Tränen gab der politische Vorsitzende der Schas-Partei, Arje Deri, den Radiosendern Interviews. "Wir sind alleine ohne ihn, er war unser Vater", sagte er. Auch Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, nutzte den Besuch von Knesset-Abgeordneten in Ramallah, um sein Beileid auszudrücken.

Der Gesundheitszustand des Geistlichen hatte sich nach einer kurzzeitigen Erholung seit Sonntagabend wieder rapide verschlechtert. Hunderte Anhänger versammelten sich betend und schluchzend vor seinem Wohnhaus im ultraorthodoxen Stadtviertel Har Nof im Norden Jerusalems. Auf dem benachbarten Friedhof Sanhedria sollte der Verstorbene am Montagabend beigesetzt werden.

Schon am Nachmittag machten sich Tausende Ultraorthodoxe auf den Weg dorthin. Zuvor sollte im Beisein der Führung des Landes eine Trauerfeier in der Talmudschule stattfinden, in der Jossef bis zu seinem 20. Lebensjahr zum Rabbiner ausgebildet worden war.

Schas galt als Zünglein an der Waage bei der Wahl des Regierungschefs

Der Einfluss Rabbi Jossefs, sephardischer Oberrabbiner von 1973 bis 1983, beschränkte sich nicht auf die Glaubensgemeinschaft der strenggläubigen Sepharden , die von der iberischen Halbinsel sowie aus Nordafrika und Asien nach Israel eingewandert sind. Da die Schas-Partei zur Bildung der meisten israelischen Regierungskoalitionen benötigt wurde, galt Jossef als der "Königsmacher" in der israelischen Politik, von dem in den letzten drei Jahrzehnten häufig die Wahl des Ministerpräsidenten abhing.

Trotz seiner angeschlagenen Gesundheit empfing der Rabbiner, dessen Sohn Jizhak Ende Juli zum sephardischen Großrabbiner gewählt wurde, auch in den letzten Jahren regelmäßig die Spitzenpolitiker aller Lager. Bei den jüngsten israelischen Parlamentswahlen hatte die Schas elf der 120 Knessetsitze erhalten, musste aber auf den Oppositionsbänken Platz nehmen. (afp)