Teheran. Er war einst Architekt des islamischen Systems im Iran, wird aber seit Jahren vom selben System als Regimekritiker abgestempelt. Als ungewollter Oppositionsführer will Rafsandschani nun wieder Präsident werden.
Im Iran werden Präsidentschaftswahlen auch dazu genutzt, um mit einem bestimmten Kandidaten gegen das System zu protestieren. Das war 1997 der Fall mit Mohammed Chatami und 2009 mit Mir Hussein Mussawi. "Die Wahlen wurden damals von den Wählern als ein Referendum gegen das Establishment benutzt", sagt ein Politologe, der seinen Namen nicht nennen möchte, in Teheran. Seiner Auffassung nach könnte sich das mit Akbar Haschemi Rafsandschani bei der Wahl am 14. Juni wiederholen.
"Politischer und wirtschaftlicher Alptraum"
"Die letzten acht Jahre waren sowohl politisch als auch wirtschaftlich ein Alptraum für das Volk, nun könnten sie ihren Frust mit der Wahl von Rafsandschani auch kundtun", sagt der Politologe. Obwohl sich mehr als 450 Kandidaten um das Präsidentenamt bewerben, zählte für die Bürger und die iranische Presse nur eine Frage: Kommt Rafsandschani oder nicht? Frei nach William Shakespeare schrieb die Nachrichtenagentur ISNA: "(Rafsandschanis) Kommen oder Nicht-Kommen, das nur ist hier die Frage." Seine Last-Minute-Kandidatur hat den anderen Kandidaten die Show gestohlen.
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Rafsandschani war fast drei Jahrzehnte lang die ideologische Säule des islamischen Systems im Iran. Aber nach der Präsidentschaft Mahmoud Ahmadinedschads 2005 wurde er immer mehr ins politische Abseits gedrängt. Seine Unterstützung für die Gegenkandidaten bei der Wahl 2009 brachte ihn sogar in die Oppositionsecke. Nicht nur von Ahmadinedschad, sondern auch vom Klerus wurde er als Regimekritiker abgestempelt. Auch Irans oberster Führer, Ajatollah Ali Chamenei, stellte sich 2009 demonstrativ gegen ihn und hinter Ahmadinedschad.
Nachdem Ahmadinedschad das Land politisch und wirtschaftlich immer tiefer in eine Krise gestürzt hatte, machte der Name Rafsandschani wieder die Runde. Ein Krisenmanager musste her. Der einzige, der diesbezüglich ein positives Zeugnis vorweisen konnte, war nun einmal der Ex-Präsident (1989-1997). Unbestätigten Berichten zufolge gab es dann auch wieder eine Annäherung an Chamenei. "Das war eine Genugtuung für den alten Mann, der von Anfang an vor Ahmadinedschad gewarnt hatte", sagt ein iranischer Journalist.
Wahlsieg Rafsandschani wäre das Ende Ahmadinedschads
Was der 78 Jahre alte Kleriker Rafsandschani im Falle eines Wahlsiegs besser machen will, ist unklar. Ein ausländischer Diplomat in Teheran sagt: "Klar ist aber, dass ein Wahlsieg Beleg für die falsche Politik der letzen acht Jahre wäre und das endgültige Ende Ahmadinedschads im Iran bedeuten würde."
Beobachter sagen, mit Rafsandschani würde sich die Grundpolitik des Irans zwar nicht ändern. Im Gegensatz zu Ahmadinedschad wolle er aber weder eine Provokation des Westens und der arabischen Welt noch eine Konfrontation. Für seine Anhänger, die ihm die Kandidatur regelrecht aufdrängten, ist Rafsandschani weitaus mehr als nur ein Präsidentschaftskandidat - sie preisen ihn als "Erlöser des Volkes". (dpa)