Berlin. Der Konflikt in Syrien stellt die EU vor eine Zerreißprobe: Wenn sich die EU-Außenminister am Freitag treffen, wird deutlich werden, wie weit die EU von einer offiziell immer angestrebten gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik entfernt ist. Die Minister wollen in Dublin entscheiden, ob sie die syrischen Rebellen weiter mit Waffen beliefern oder nicht.
Wenn sich die EU-Außenminister am Freitag in Dublin treffen, stehen sie vor einer heiklen Aufgabe. Nach dem offenen Streit auf dem EU-Gipfel über Waffenlieferungen an die syrischen Rebellen sind sie es, die einen Kompromiss finden müssen. Ansonsten droht der EU, dass sie wie schon beim Militäreinsatz in Libyen keine einheitliche Position im blutigsten Konflikt in der Nachbarschaft Europas vertreten kann.
Syrien ist somit ein Lehrstück, wie weit die EU noch von einer offiziell immer angestrebten gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik entfernt ist. Denn die beiden ehemaligen Kolonial- und UN-Vetomächte Frankreich und Großbritannien haben deutlich gemacht, dass sie nur dann nach gemeinsamen Spielregeln spielen wollen, wenn die EU ihnen folgt. Ansonsten, das hat Frankreichs sozialistischer Präsident Francois Hollande offen angekündigt, werde man alleine vorgehen - EU hin oder her. Die Frage ist dann nur noch, ob Hollande dann geltendes EU-Recht brechen und die Rebellen sofort mit Waffen bestücken oder ob Frankreich das ohne Einigung im Juni auslaufende Waffenembargo gegen Syrien abwarten würde.
Keiner hat ein Rezept für das Ende des Mordens
Die EU und die USA haben die syrische Opposition bereits als rechtsmäßige Vertreter anerkannt und Präsident Baschar al-Assad zum Machtverzicht aufgefordert. Nur fürchtet etwa die Bundesregierung einen Flächenbrand, wenn die Region mit noch mehr Waffen versorgt wird. Von einer "extrem schwierigen Abwägung" sprechen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Guido Westerwelle. Merkel verwies darauf, "dass der Iran und zum Teil auch Russland vielleicht nur auf ein solches Signal warten und dann ihrerseits Waffen exportieren". Andere vermuten, dass sie dies längst tun. Auch die USA haben nach Angaben von EU-Diplomaten Vorbehalte gegen die französische und britische Position: Um nicht erneut den Eindruck zu erwecken, der christliche Westen wolle wieder einmal einen islamischen Herrscher stürzen, plädiert Washington derzeit dafür, trotz aller Grausamkeiten des Assad-Regimes nicht selbst Waffen an die Opposition zu liefern.
Aber die US-Regierung hat offensichtlich weniger Vorbehalte dagegen, wenn die islamischen Länder Katar und Saudi-Arabien dies tun. Möglicherweise, so heißt es in Brüssel, könnten die EU-Außenminister gesichtswahrend versuchen, die Rebellen mit einer weiteren Kategorie von Gütern auszustatten - unterhalb direkter Waffenlieferungen. Gerade erst hatte sich die EU schon auf "non-lethal goods", also nicht tödliche Güter geeinigt, was defensives Militärmaterial wie Schutzwesten oder Kommunikationsgeräte beinhaltet.
Nationale Egoismen verhindern gemeinsame EU-Position
Zu dem menschlichen Drama in Syrien kommt das diplomatische in der EU. Denn vor allem Hollande wird von vielen EU-Partnern, darunter Deutschland, unterstellt, dass er aus innenpolitischen Gründen agiert. Der französische Präsident ist unpopulär und erhofft sich ähnlich wie bei der Mali-Intervention, dass er nun für ein Zeichen der Entschlossenheit gelobt wird. Dem innenpolitisch von allen Parteien kritisierten britischen Premierminister David Cameron werden ähnliche Motive unterstellt. Innenpolitik bestimmt gerade für Frankreich und Großbritannien derzeit den Kurs in der Außenpolitik, so die Vermutung.
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Erstmals hat sich sogar die sonst so zurückhaltende britische EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton empört: Ganz offen mahnte sie, dass Waffenlieferungen das Töten in Syrien beschleunigten statt es zu verhindern - das ist ein harter Vorwurf gegen den gerne mit humanitären Argumenten operierenden Hollande. Anders als bei Mali bezweifeln die Partner bei Syrien auch eine besondere französische Expertise in dem Konflikt. Auf dem EU-Gipfel zeigten sich viele Regierungen kritisch. Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann, ein Parteifreund Hollandes, wies auf die gefährliche Glorifizierung der syrischen Opposition hin und erinnerte an die Geiselnahme von UN-Blauhelmen auf den Golan-Höhen. Auch die Achse Hollande zu den deutschen Sozialdemokraten ist an dieser Stelle zerbrochen. Eindringlich warnen SPD-Politiker vor Waffenlieferungen.
Fast schon resigniert kritisiert auch die Grünen-Fraktionschefin im Europa-Parlament, Rebecca Harms, dass Hollandes interventionistische Politik sich in nichts von der seines konservativen Vorgängers Nicolas Sarkozy unterscheide. Merkel vermied direkte Kritik, wurde aber ebenfalls deutlich. Es reiche nicht aus, wenn zwei Länder ihre Position änderten und forderten, jetzt müssten 25 andere folgen. "Das wird auch nicht so sein", stellte die Regierungschefin des größten EU-Staates klar.
Soldatinnen in Syrien
Was Syrien aber über den Stand der EU-Integration aussagt, fasste sie in Brüssel mit dem Satz zusammen: "Wenn Sie einmal schauen, wie oft wir zu einer gemeinsamen Steuerrichtlinie kommen, die wir einstimmig zu entscheiden haben, dann würde ich sagen, dass das Feld der Außenpolitik geradezu ein hoffnungsvolles ist, in dem wir uns aufeinander zubewegen."
Einigkeit in der EU-Außenpolitik sei "kein Wert an sich". In den letzten 15 Jahren habe sich doch auf diesem "klassischen Feld eines Nationalstaates" schon viel getan. Damit wollte Merkel um Verständnis für die langsamen Fortschritte in der EU-Außenpolitik werben. Am Ende klang es aber eher sarkastisch. (reuters)