Berlin/Brandenburg. Ein weiteres Kapitel in der Pannenserie rund um den Hauptstadtflughafen: Berlins Bürgermeister Wowereit kritisierte den neuen Kurs der brandenburgischen Landesregierung zu nächtlichen Flugverboten. Brandenburg möchte die Nachtruhe-Regelungen verschärfen.
Der neue Kurs der brandenburgischen Landesregierung zur Nachtruhe am künftigen Hauptstadtflughafen in Schönefeld stößt auf Unverständnis und scharfe Kritik. "Ich bedauere zutiefst, dass Brandenburg offenbar den gemeinsam festgelegten Kurs für die Entwicklung des neuen Flughafens BER verlassen will", sagte Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit am Dienstag an die Adresse seines Amtskollegen, Ministerpräsident Matthias Platzeck (beide SPD).
In den Reihen der Opposition im Brandenburger Landtag, aber auch von Bürgerinitiativen war von einem Ablenkungsmanöver und einem Spiel auf Zeit die Rede. Die Flughafengesellschaft zeigte sich überrascht. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin warnte vor einem "Halbtagsflughafen". Das Bundesverkehrsministerium bekannte sich zum Festhalten an der jetzigen Regelung, wonach das Flugverbot von 0.00 bis 5.00 Uhr gilt mit Ausnahmen in den Randzeiten zwischen 22.00 Uhr und Mitternacht sowie 5.00 und 6.00 Uhr.
Die Brandenburger Fraktionen von SPD und Linke hatten zuvor in Potsdam mitgeteilt, dass sie das in der Mark erfolgreiche Volksbegehren mittragen und sich in Verhandlungen mit Berlin für "mehr Nachtruhe" einsetzen wollen. Die Fluglärmgegner fordern ein striktes Nachtflugverbot von 22.00 bis 6.00 Uhr. Bisher war das nur für die Zeit von Mitternacht bis 5.00 Uhr vorgesehen. Der Landtag soll am 21. März über den neuen Kurs entscheiden.
Wowereit verweist auf Planfeststellungsbeschluss
Wowereit betonte: "Wir brauchen diese limitierte Zahl von Flügen in den Randzeiten für die strategische Entwicklung des neuen internationalen Flughafens." Korrekturen wären ein "Kurswechsel in die falsche Richtung".
Nach Darstellung eines Flughafensprechers gibt es für die volkswirtschaftlich wichtigen Flüge in den Randzeiten bürgerfreundliche Regelungen, die im Übrigen letztinstanzlich bestätigt worden seien. "Daran muss man nicht rütteln", sagte er. Zugleich werde weiter an einer Lärmminderung durch intelligente Nutzungskonzepte für die Start- und Landebahnen, den Einsatz moderner Anflugverfahren und leiser Flugzeuge gearbeitet.
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Die Berliner CDU kritisierte, dass es keine Hinweise auf den Kurswechsel in Potsdam gegeben habe. Weder Berlin noch der Bund hätten Bescheid gewusst, sagte der Abgeordnete Oliver Friederici dem RBB-Inforadio. Zur Sache selbst erklärte er: "Die CDU-Fraktion lehnt eine Ausweitung des Nachtflugverbots am künftigen Großflughafen BER entschieden ab." Der CDU-Bundestagsabgeordnete Frank Steffel forderte sogar den Rücktritt Platzecks vom Aufsichtsratsvorsitz der Flughafengesellschaft.
Der Standort ist das Problem
Die IHK appellierte an den Berliner Senat, den bereits getroffenen Kompromiss zu verteidigen. "Eine Ausweitung der Beschränkungen am BER ist nicht akzeptabel", sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Christian Wiesenhütter. Klaus-Peter Siegloch, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft, sagte: "Wie finden es völlig unverständlich, dass sich die brandenburgische Landesregierung nicht mehr an ihren eigenen Beschluss zu den Flugzeiten halten will, der vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt worden ist."
Selbst die Befürworter eines Nachflugverbotes sahen den Vorstoß von Rot-Rot skeptisch. Platzeck fahre ein "Ablenkungsmanöver", sagte der Chef der Bürgerinitiative Neue Aktion (NA), Ferdi Breidbach. Das eigentliche "Übel" sei der Standort des Flughafens.
Auch Brandenburgs CDU warf der Landesregierung Täuschung vor. Platzeck wolle die Bürgerinitiativen für ein Nachtflugverbot "verschaukeln", sagte Fraktionschef Dieter Dombrowski. Er habe lediglich Verhandlungen und keine Taten angekündigt. Dabei halte die Regierung nichts davon ab, unverzüglich zu handeln.
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Die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen Brandenburg hingegen lobte Platzeck. Er und die SPD-Fraktion betrieben "vorausschauende Politik". Sie stärke den berechtigten Anspruch der Bürger auf Nachhaltigkeit, Gesundheits- und Lärmschutz.
Der Fraktionsvorsitzende der Linken, Christian Görke, sah in der Einigung mit der SPD ein "gutes Ergebnis". Die Linke habe sich seit langem für deutlich mehr Lärmschutz eingesetzt. Nun habe man sich auch in der SPD bewegt. Der Ball liege jetzt in Berlin. (dapd)