Köln. . Die Diva und die Knackis. Annette Frier gerät als überdrehte Opern-Sängerin ins Schleuderprogramm des Lebens: gestern noch obenauf, heute unten durch. Ein Gefangenen-Chor erweist sich unerwartet als ihre zweite Chance.

„Danni Lowinski“ ist für Annette Frier Fluch und Segen zugleich. Ein Segen: Die Billig-Anwältin mit dem goldenen Herzen ist ihr anderes Ich. Frier gelang mit der Figur eine Art Quadratur des Kreises: „Danni Lowinski“ ist, trotz des Überangebotes der modernen Fernsehwelt, unverwechselbar. Und dennoch ist die TV-Juristin auch ein Fluch für die Kölner Schauspielerin. Person und Rolle können mit andauerndem Erfolg verschmelzen – und es Annette Frier schwer machen, Vielseitigkeit zu zeigen. Kein Wunder, dass die Bekenntniskölnerin gegensteuert. Jetzt mimt sie eine Opern-Diva, die ins „Schleuderprogramm“ (Donnerstag, ZDF, 20.15 Uhr) des Lebens gerät: Wer gestern oben war, kann heute ganz unten liegen. Und dann?

Die Dame im Designer-Fummel muss zu Vati in den Plattenbau ziehen

Die Geschichte: Ella Herbst macht auf ihrer Tournee durch die Opernhäuser der Welt Station in ihrer Heimatstadt Köln. Und eine scheinbare Kleinigkeit, in einer Pause zwischen zwei Auftritten, bringt das Leben der Gesangsgöttin völlig durcheinander: Ihr verwitweter Vater teilt ihr mit, dass seine Putzfrau in seiner kleinen Vorstadt-Wohnung tot am Leben liegt. Und das Verhängnis nimmt seinen Lauf.

Die Diva stürzt ab. Das Publikum ist erbost, der Opernregisseur sauer, ihr Manager verbittert. Ella Herbsts Liebhaber macht sich auf und davon – ihr Vermögen hat er längst verjubelt. Die Dame im Designer-Fummel muss – so viel Lowinski muss wohl sein – beim zunehmend dementen Vater (Péter Franke) im Plattenbau einziehen, und die Nachbarin (Caroline Dibbern) von unten mit ihren Kindern nervt zunächst. Das Fernsehen wird zur moralischen Lehranstalt. Ella Herbst wird auf dem Hartz-IV-Rost gegrillt. Doch die einstige Star-Sopranistin verbrennt dabei nicht, sondern entsteigt schließlich der Asche wie der griechische Sagenvogel Phoenix. Ein paar Knackis (tolles Ensemble: Pasquale Aleardi, Christof Wackernagel, Patrick von Blume, Stefan Richter und Michael Keseroglu) aus dem Kölner „Klingelpütz“ helfen dabei.

Peter Prager gibt als Knast-Chef den verträumten Menschenfreund

Der Diva macht den Gefangenenchor wettbewerbsreif, für einen öffentlichen Wettbewerb. Der JVA-Chef (Peter Prager als verträumter Menschenfreund) gibt ihr die Chance. Und die Gefangenen sorgen dafür, dass die hochmütige Künstlerin wieder Bodenkontakt erhält, allen voran der italienische Heiratsschwindler Angelo, ein charmanter Lockenkopf aus Napoli – für Aleardi die beste Rolle seiner bisherigen Schauspiel-Karriere.

Natürlich bedient die Figur von Bestseller-Autorin Hera Lind und Drehbuch-Schreiber Martin Rauhaus Italo-Klischees von „Opera“ und „Amore“. Aber Aleardi würzt seinen Part mit einem ordentlichen Schuss Herzblut und einer Prise Augenzwinkern. Und so entspinnt sich eine der schönsten Fernsehromanzen der letzten Jahre.

„Schleuderprogramm“ riecht aprilfrisch

Regisseurin Katinka Feistl führt das Duo Frier/Aleardi so, dass sie sich vorsichtig, ganz vorsichtig annähern. Ein Wendepunkt markiert die Szene, in der romantische Anti-Held der gefallenen Diva eine selbst geschreinerte Holzrosen-Brosche schenkt. Wunderbar auch die Szene, in der sie ihm Notenblätter durchs JVA-Gitter zuschiebt – und sich ihre Fingerspitzen vorsichtig berühren. Es knistert zwischen Frier und Aleardi, obwohl oder gerade weil die Knast-Situation mit durchgehender Beobachtung durch andere kaum mehr als kleine Gesten zulässt.

Das zeichnet die öffentlich-rechtliche Komödie aus. „Schleuderprogramm“ überdreht nicht. Im Gegenteil: Die Geschichte von Ella Herbst riecht aprilfrisch.