London. Entgegen der legendär gutgelaunten Disco-Hits der Bee Gees war der Soundtrack seines eigenen Lebens alles andere als leichtfüßig - bis zum Schluss. Robin Gibb, die hohe Stimme der Band, ist mit 62 Jahren an Krebs gestorben. Er war einer der erfolgreichsten Musiker der Popgeschichte. Doch es gab auch jede Menge Tiefs und persönliche Verluste.
Seine hohe Stimme war das Markenzeichen einer ganzen Ära, doch abseits der Bühne kannte Robin Gibb auch die düsteren Töne. Karrieretiefs, Ego-Rangeleien und persönliche Verluste hat der Bee-Gees-Sänger mit sich selbst ausgemacht. Auf der Bühne hingegen feierte er als einer der erfolgreichsten Musiker der Popgeschichte über ein Dutzend Nummer-1-Hits. Am Sonntag ist der 62-Jährige in London nach einem schweren Krebsleiden gestorben.
Er fühlte sich besser als je zuvor in den letzten Jahren, hatte eine Darmkrebserkrankung, Lebertumore und ein 12-tägiges Koma besiegt. Bee-Gees-Sänger Gibb gab sich noch vor einigen Wochen optimistisch, feilte wie besessen jeden Tag stundenlang an seinem ersten Klassikkonzert zum Jahrestag der Titanic-Katastrophe. Mag sein, dass er, dramatisch abgemagert, längst fürchtete, die Premiere nicht mehr mitzuerleben. Vor der Zeit zu sterben war eine Erfahrung, die ihm durch den frühen Tod seiner Brüder vertraut war. Und entgegen der legendär gutgelaunten Disco-Hits der Bee Gees war der Soundtrack seines eigenen Lebens alles andere als leichtfüßig.
Selbst zu tanzen war Robin Gibb ein Gräuel
Im Manchester begann die sagenhafte Karriere des Trios: Weil ihnen die Schallplatte fürs Kinder-Playback im örtlichen Kino kaputt gegangen war, sangen die drei Gibb-Brüder live - und wurden gefeiert. Ihr Talent für zuckersüßen Harmonie-Gesang gossen sie später erst in Songs im Beatles-Stil wie etwa "New York Mining Disaster 1941", ihrem erster Hit. Der weltweite Durchbruch gelang Robin, seinem Zwillingsbruder Maurice und dem älteren Barry schließlich nach einem Tipp von Eric Clapton. Der empfahl ihnen 1975, ihren dreistimmigen Falsettgesang mit Disco-Beats zu unterlegen.
Der Rest ist Musiklegende: Mit goldenen Satin-Overalls und flauschigen Fönwellen kieksten die Bee Gees sich nach oben in die Charts. 19 US-Nummer-1-Hits, 200 Millionen verkaufte Platten und ein Film-Soundtrack ("Saturday Night Fever"), dessen Absatzzahlen bis heute unerreicht sind - dies sind nur einige Superlative, die Robin Gibb feierte.
"Wir wollten keine Disco-Welle auslösen, sondern nur tanzbare Musik machen", sagte er bescheiden im Rückblick. Selber zu tanzen war ihm ein Gräuel, die Glitzer-Garderobe dagegen einerlei: "Die Klamotten schleppte ein Fotograf an und plötzlich sahen wir aus wie Abba. Uns war egal, wie das ankam - wir waren nur an dem Song interessiert." So allürenfrei die Bee Gees trotz Ruhm und Reichtum blieben, so sehr verbrauchten Robin und Barry Energie im Konkurrenzkampf gegeneinander. Schon 1969 war Robin Gibb vorübergehend aus der Band ausgestiegen, weil der ältere Barry in die Frontmann-Rolle drängte.
Gibb-Brüder gingen sich jahrelang aus dem Weg
Der Niedergang der Disco-Ära, im Zuge dessen die Gibbs viel Häme für ihren "Helium-Sound" aushalten mussten, hatte den Bruderkampf vorübergehend abgemildert. Als Songschreiber bauten sie sich eine neue Karriere auf, bis Robin und Barry ihre Brüder verloren und sich jahrelang aus dem Weg gingen.
1988 starb ihr jüngster Bruder mit nur 30 Jahren nach Alkohol- und Drogenproblemen, 2003 Robins Zwillingsbruder und Bee-Gees-Mitbegründer Maurice. Den Bandnamen gaben sie daraufhin auf. Erst 2009, zu ihrem Bühnenjubiläum, fanden die verbliebenen zwei Gibbs wieder zusammen. Barry war da selber gesundheitlich angeschlagen, Robin nach einer Affäre mit der Haushälterin spät Vater geworden - die Grundmelodie klang nachdenklich: "Manchmal denke ich, dass die vielen persönlichen Verluste der Preis oder das schlechte Karma sind für all das Glück und den Erfolg, den wir genießen durften", so Robin. Ein Jahr später wurde sein Kampf gegen Krebs öffentlich.
Gibb verfolgte seine Solo-Projekte zum Schluss nach eigenem Gusto und ohne Blick auf Massenkompatibilität. Für ihn war die Musikindustrie zu einer "einzigen, großen Karaoke-Maschine" verkommen. Gemeinsam mit seinem 29-jährigen Sohn Robin-John hat er zuletzt eine klassisches Komposition zur Titanic-Katastrophe fertiggestellt, ein Thema, das ihn tief berührte, weil er selbst 1967 ein schweres Zugunglück in Südlondon nur um Haaresbreite überlebt hatte. 49 Menschen starben damals, der Anblick der Schwerverletzten hatte Gibb nach eigenen Angaben nie losgelassen. "Ich habe tagelang nur geheult", so der Musiker in einem seiner letzten Interviews, "nur die Arbeit hat mich wieder auf die Beine gebracht."
Robin Gibb wünschte sich Mozart für seine Beerdigung
Auch das Schaffen an seiner Titanic-Komposition sei ihm eine Rettung gewesen: "Ohne diese Ablenkung ginge es mir schlechter." Bei der Aufführung am 14. April war der strikte Veganer und Anti-Alkoholiker schon zu schwach, um alleine zu laufen; kurz später wurde Gibb vorübergehend ins Koma versetzt.
Vieles andere hatte er sich vorgenommen, noch im Krankenbett Projekte und Pläne in ein altes Notizbuch gekritzelt. Furcht, sich dem ungenehmen Thema Tod zu stellen, hatte Robin Gibb nie. In einem Interview gab er Lesern nach dem vorzeitigen Sterben seiner Brüder mit auf den Weg, bloß nichts aufzuschieben - falls das Leben kürzer als geplant verliefe. Für seine eigene Beerdigung wünschte er sich, dass Mozart und sein alter Hit "How deep is your love" gespielt werden.
Bruderliebe schweißt Bands zusammen