Essen. Das Grundgesetz sieht zwar vor, dass ein Bundespräsident seines Amtes enthoben werden kann. Dass Christian Wulff aber so aus seinem Amt gedrängt wird, ist so gut wie ausgeschlossen. Er müsste gegen ein Gesetz verstoßen. Auch ein Rücktritt ist nicht so schnell zu erwarten.

Bundespräsident Christian Wulff seines Amtes zu entheben ist mit juristischen Mitteln möglich, aber sehr unwahrscheinlich. Um ein solches Verfahren einzuleiten, muss dem Präsidenten ein Verstoß gegen das Grundgesetz oder ein anderes strafrechtlich relevantes Gesetz nachgewiesen werden.

Dass sich Wullf mit seinem Drohanruf bei der Bild-Zeitung dem Tatbestand der versuchten Nötigung schuldig gemacht hat, wie es die Linke sieht, ist kaum denkbar. Auch, dass er gegen die Presse- und Meinungsfreiheit, wie sie Artikel 5 des Grundgesetzes garantiert, verstoßen hat, trifft nicht zu.

Anklage vor dem Bundesverfassungsgericht

"Die Chancen dafür sind minimal", urteilt auch Prof. Dr. Stefan Marschall, Politikwissenschaftler an der Heinrich Heine Universität Düsseldorf. Für denkbar hält er aber, dass er gegen das Ministergesetz des Bundeslandes Niedersachen verstoßen hat, aber "das wäre auch kein strafrechtlicher Vorgang."

Und selbst, wenn Christian Wulff ein Gesetzesverstoß nachgewiesen werden könnte, bleibt eine Amtsenthebung immer noch äußerst unwahrscheinlich. Die Hürden, die der Grundgesetz-Artikel 61 vorsieht, sind extrem hoch. Dort heißt es konkret, dass der Bundestag oder der Bundesrat den Bundespräsidenten "wegen vorsätzlicher Verletzung des Grundgesetzes oder eines anderen Bundesgesetzes vor dem Bundesverfassungsgericht anklagen" können.

Verfassung setzt hohe Hürden für eine Amtsenthebung

Die verfassungsrechtlichen Hürden, um dieses Verfahren einzuleiten, sind aber extrem hoch. Entweder muss ein Viertel der Mitglieder des Bundestages oder des Bundesrates einen Antrag auf Anklageerhebung stellen. Anschließend ist aber auch noch die Zustimmung von zwei Dritteln der Bundestags- oder Bundesratsmitglieder nötig.

Nachdem auf parlamentarischem Wege der Antrag gestellt wurde, muss das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Die Richter in Karlsruhe können, sofern sie einen Gesetzesverstoß feststellen, den Bundespräsidenten seines "Amtes für verlustig erklären".

Rücktritt würde die Regierungskoalition belasten

Ob Christian Wulff zurücktreten wird, ist sicherlich noch fraglich. Der Druck auf ihn hält weiter an, aber er kämpft darum, Glaubwürdigkeit und Autorität zurückzugewinnen. Er will mit aller Kraft zum Alltagsgeschäft zurückkehren. "Bislang hat er sich so orientiert, dass er weiter im Amt bleiben will", meint auch der Politologe Stefan Marschall.

Zudem dürfte es in der Schwarz-Gelben-Koalition wohl auch kein Interesse geben, den Bundespräsidenten abzusetzen. Die Frage nach einem Nachfolger, die sich nach einem Rücktritt stellen würde, könnte zur Zerreißprobe für die Regierung werden.

Keine Mehrheit in der Bundesversammlung

Schwarz-Gelb hat zurzeit nur eine knappe Mehrheit von wenigen Stimmen in der Bundesversammlung. Hinzu kommt, dass die genaue Mitglieder-Zahl, die jedes Bundesland entsendet, erst aktuell von der Bundesregierung anhand der Einwohnerzahl berechnet wird.

Und schon die Bundesversammlung, die am 30. Mai Christian Wulff zum Bundespräsidenten wählte, war eine Zitterpartie für das Regierungslager. Erst im dritten Wahlgang setzte sich Wulff gegen den Rot-Grünen-Kandidaten Joachim Gauck durch. Der Vorsprung der Regierung gegenüber der Opposition ist seitdem noch weiter geschrumpft.

Die Landtagswahlen am 6. Mai in Schleswig-Holstein sind ein weiterer Faktor, der zu einer ungewissen Situation für die Regierung beiträgt. Auch die unklare Regierungssituation im Saarland könnte zum Problem werden.

Kein gemeinsamer Kandidat in Sicht

Wenn es zu einem Rücktritt kommt, dann wird es schwer, dass CDU/CSU und FDP alleine einen Kandidaten wählen. Sie müssten sich mit anderen Parteien auf einen Nachfolger verständigen. "Es ist aber kein Kandidat in Sicht, auf den man sich zurzeit einigen könnte", erklärt der Politikwissenschaftler Prof. Andreas Blätte von der Universität Duisburg-Essen.

Die Kandidaten, die im Moment im Gespräch sind, hält er für problematisch. Joachim Gauck war Kandidat von SPD und Grünen. Die Bundeskanzlerin könnte mit ihm ihre Autorität verlieren, wenn die CDU Gauck unterstützen würde. "Angela Merkel könnte nur ihr Gesicht wahren, wenn sie sich Gauck als Kandidaten zu eigen macht", urteilt Blätte. Das hält der Politologe aber für unwahrscheinlich.

Ebenso sind der frühere Umweltminister Klaus Töpfer (CDU) und Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) kaum Personen, die dazu in der Lage wären, die Opposition wirklich zu überzeugen. Zu markant ist der CDU-Stallgeruch. "Die Situation ist verfahren, aber es gab auch in der Vergangenheit immer Überraschungen", so der Duisburger Politikwissenschaftler. Dass das Schwarz-Gelbe Bündnis an einem Rücktritt von Wulff auch scheitern könnte, will Prof. Blätte auch nicht ausschließen.