Essen. Der Bürgerkrieg in Libyen ist beendet, aber die medizinische Versorgung der verletzten Kämpfer und Zivilisten ist ein großes Problem. Seit Mitte Oktober werden deshalb Verwundete nach Deutschland geflogen. 111 Menschen werden zurzeit hier in den Kliniken betreut, unter anderem im Ruhrgebiet. Sechs weitere Intensiv-Patienten sind im Anflug, vier von ihnen werden in NRW behandelt.

Seit dem 20. Oktober ist der Bürgerkrieg in Libyen beendet. Nun lässt der Nationale Übergangsrat schwer verwundete Kämpfer ausfliegen und in deutschen Kliniken behandeln. 111 Schwerverletzte, zumeist Männer, sind bisher hier gelandet, bis zu 300 könnten es in den nächsten Wochen werden.

Am 18. Oktober, noch vor dem Ende der Kriegshandlungen, waren die ersten 39 Patienten in Deutschland gelandet. Eine Transall-Maschine der Bundeswehr brachte sie her, zurzeit werden sie in verschiedenen Bundeswehrkliniken in der ganzen Bundesrepublik gepflegt.

Für alle weiteren Flüge und die Koordination der erforderlichen medizinischen Versorgung ist die Privatfirma Almeda aus München zuständig. Das Unternehmen, eine Tochtergesellschaft des Versicherungskonzerns Munich Re, ist spezialisiert auf weltweite Krankentransporte. In Absprache mit dem Nationalen Übergangsrat koordiniert Almeda die Verteilung der Verletzten auf deutsche Fachkliniken, die Betreuung vor Ort und den . späteren Rücktransport.

Nach Angaben des Unternehmens werden fast täglich vier bis 20 Patienten nach Deutschland gebracht, unter anderem nach Köln. Auch Kliniken in Nordrhein-Westfalen nehmen Libyer auf. Bisher werden sie Verletzte in Bottrop, Dortmund, Essen, Bedburg, Bonn und Köln behandelt.

„Schnelle und praktische Hilfe leisten“

Die Initiative zu dieser Hilfsaktion hatte das Auswärtige Amt schon im September, Wochen vor dem Ende der Kämpfe gegen die Truppen des damals noch flüchtigen Machthabers Gaddafi, ergriffen. Ein „Arbeitskreis Gesundheit“ in Berlin, dem auch Vertreter der Wirtschaft und der libyschen Botschaft angehören, entwickelte Pläne zur Versorgung von Schwerverletzten im Ausland. Ein libyscher Arzt ist seit Oktober im Auftrag des Nationalen Übergangsrats als Koordinator an der libyschen Botschaft in Berlin dabei.

„Nach dem Ende des Gaddafi-Systems geht es nun darum, schnelle und praktische Hilfe zu leisten, um einen demokratischen Wiederaufbau Libyens voranzutreiben“, erklärte jetzt Außenminister Guido Westerwelle (FDP). Und weiter: „Dazu gehört auch die Unterstützung beim Wiederaufbau des Gesundheitssystems und der Versorgung Verwundeter. Die medizinische Behandlung schwerverletzter libyscher Patienten in Deutschland ist ein sichtbares Zeichen unserer Solidarität mit dem neuen Libyen.“

Der Vorsitzende des NÜR-Exekutivrates, Mahmud Dschibril, war am 27. Oktober im Auswärtigen Amt in Berlin zu Gast. Er dankte bei einem Gespräch Westerwelle ausdrücklich für die deutsche Hilfe. Das effiziente Zusammenwirken deutscher, libyscher und tunesischer Stellen beim Ausfliegen schwerverletzter Libyer aus Tunesien sei eine große Hilfe für Libyen, sagte er.

Scouting-Teams besuchen die Kliniken vor Ort

Die Flüge aus Nordafrika nach Deutschland und in andere Länder Europas übernimmt die Almeda GmbH in München. Dort wird auch täglich neu geplant, welche Verletzten auf welchem Flughafen und in welcher Klinik landen.

„Drei Scouting Teams – je zwei Ärzte mit Dolmetscher, Logistiker, Fahrer und bei Bedarf Sicherheitspersonal – sind zurzeit im Krisengebiet unterwegs. Sie klären vor Ort, welche Verletzungen zu behandeln sind und ob die Patienten transportiert werden können“, sagt Michael Blasius, Prokurist und Sprecher des Unternehmens, auf Anfrage von DerWesten. Die Experten erledigen außerdem die Erteilung der temporären Visa und die Kostenübernahme für Transporte, Klinikaufenthalt und Reha-Maßnahmen.

Fünf Millionen Euro hat Libyen zunächst freigegeben

Rund fünf Millionen Euro hat die neue libysche Regierung zunächst für die medizinische Behandlung in Deutschland bereit gestellt. Das Geld stammt unter anderem aus einem Bundes-Darlehen und aus „eingefrorenen“ Geldern des Gaddafi-Regimes. „Wir schauen auch darauf, dass das Geld zielgerecht eingesetzt wird“, so Blasius.

Außerdem geht er davon aus, dass es mehr werden wird. „Zwei bis drei weitere Scouting-Teams sind im Aufbau, die Zahl der schwer verletzten Erwachsenen und Kinder, die im Ausland behandelt werden müssen, dürfte damit steigen.“

Auch für die rund 400 Almeda-Beschäftigten ist der Libyen-Auftrag mehr als ein Routine-Einsatz. Zusatzschichten statt Überstunden-Abbau ist angesagt für Piloten, Ärzte und alle weiteren Experten und Helfer. Blasius: „Alles was fliegen, schauen, schreiben kann, ist im Moment im Einsatz.“