Es gibt Kritiker, die Lady Gaga für oberflächlich halten, für hohl oder für arrogant. Für eine Skandalnudel, die den Tabubruch gezielt instrumentalisiert. In Wirklichkeit ist Lady Gaga mehr als nur Hype. Mehr als Marketing. Die 25-Jährige ist der größte lebende Popstar des Internet-Zeitalters.

Ich habe Lady Gaga getroffen und interviewt – am Ende des Gesprächs hat sie mich geküsst und sich bedankt, dass wir nur über Musik geredet haben. Lady Gaga hat viel zu sagen zum Thema Musik. Sie hat Musik und Songwriting studiert. Hat Lieder komponiert für Britney Spears, New Kids on the Block oder Pussycat Dolls. Natürlich schreibt sie auch ihre eigenen Stücke selbst. Sie kennt das Geschäft und seine Mechanismen. Und sie weiß, was sie will. „Ich will nicht überheblich klingen, aber ich habe es zu meinem Ziel gemacht, die Popmusik zu revolutionieren“, hat sie über sich gesagt.

Über Lady Gaga, ihre Outfits und ihre Auftritte wird viel geschrieben. Nicht aber über ihre Musik, in der sie zahlreiche Spielarten weißer Rockmusik mischt: Glamrock, Hardrock, Inustrial, Trance, Electroclash. Bruce Springsteen hat großen Einfluss auf die Lady gehabt. Aber auch Klaus Nomi, jener Deutsche, der in den 80er Jahren seine Opernstimme mit Synthesizersounds und schriller Maskerade kombinierte. Ebenso Britney Spears, Gwen Stefani und Madonna.

Frühes Talent

Auch interessant

Von DerWesten

Aber nein, Lady Gaga ist keine neue Madonna. Sie sieht, ohne ihre legendären Verkleidungen, durchschnittlicher aus als Madonna. Aber sie hat – wie Madonna – italo-amerikanische Wurzeln. Lady Gaga wird am 28. März 1986 als Stefani Joanne Angelina Germanotta in New York geboren. Obwohl die Familie nicht reich ist, geht Klein-Stefani auf die gleiche katholische Privatschule, die auch die Hotel-Erbinnen Paris und Nicky Hilton besuchen.

Mit vier Jahren lernt sie – ohne Unterricht und nur nach Gehör – Klavier spielen. Mit 13 schreibt sie ihre erste Klavierballade, und mit 14 fängt sie an, in New Yorker Clubs bei „Open Mic“-Abenden (eine Art offene Bühne für junge Talente aus Musik, Comedy und Literatur) aufzutreten — selbstredend mit Mama Germanotta im Schlepptau. Später hat sie, wie Madonna, erste Erfolge in New Yorker Schwulen-Klubs.

Mit 17 wird sie an der New Yorker Tisch School of Arts zum Studium zugelassen. Nach einem Jahr bricht sie wieder ab: „Ich wollte Künstlerin werden, nicht Kunst studieren.“ Sie lebt eine wilde Phase aus, erprobt sich, auf der Bühne und im Privatleben. Und sie konsumiert Drogen. Das sei gut so gewesen, sagt sie heute. Heute seien Kaffee und Zigaretten ihre einzigen Drogen.

Mit 19 kriegt sie einen Plattenvertrag beim renommierten Def Jam-Label, allerdings ist sie nach drei Monaten wieder draußen. Mit dem Produzenten Rob Fusari nimmt sie einige Songs auf.

Gaga - wie Radio Gaga

Fusari ist auch verantwortlich für ihren Namen: Ihr Gesangsstil erinnert ihn an Freddy Mercury, deshalb nennt er sie „Gaga“ – nach „Radio Gaga“, einem Hit der Gruppe „Queen“. Erste Auftritte – auch mit Einlagen als Burlesque-Tänzerin ernten Jubel. 2008 komponiert und textet Lady Gaga ihren ersten Welthit – für sich selbst. „Pokerface“ stürmt Ende 2008 die Charts-Spitze zuerst in den USA, dann 2009 in Großbritannien, Deutschland (13 Wochen lang auf Platz 1) und vielen anderen Ländern. Ein perfekter Popsong, der sogar das totgeglaubte Medium Musikvideo noch einmal zum Leben erweckt. Lady Gaga ist die erste Künstlerin, die im Nach-Musikfernsehen-Zeitalter mit Videos Furore macht.

Auch interessant

Von DerWesten

„Pokerface“ ist ein Song, den man kaum aus dem Kopf kriegt: Das kunstvoll gestotterte „Pa-Pa-Pokerface“ und das „Ma Ma Ma“ fräsen sich via iPod oder Lautsprecherboxen in die Hirnwindungen.

Auch den im Grunde simpel gestalteten Videoclip wird der Zuschauer so schnell nicht los: Gagas platinblonde Perücke, der Latexanzug, der blaue Badeanzug und die Riesendoggen am Pool – erotisch, aber nicht billig. Auf viele wirkt die blonde Lady eher kalt und gefährlich in dem Konstrukt aus Mode und Kunst, das sie um sich errichtet hat.

Dass im Mai Album „Born This Way“ erschien, ist schon jetzt das Pop-Ereignis des Jahres. Die Kritiker schwanken zwischen Jubel und Verriss, aber die Musikkäufer sind begeistert. Von der gleichnamigen Single wurden innerhalb von nur fünf Tagen bei i-Tunes eine Million Downloads verkauft. Thema des Albums ist der Underdog, das Anderssein, das Außenseitertum. Lasst Euch nicht unterkriegen! Jeder darf so sein, wie er will – das ist die Botschaft der Stefani Germanotta. Nerds sind die neuen Normalen. Lady Gaga ist wie eine große Freundin für ihre Anhänger. Wie sie mit den Fans umgeht, nötigt vielen Beobachtern Respekt ab.

Lady Gaga ist immer da - im Netz. Auf Youtube wurden ihre Videos 1,5 Milliarden Mal angesehen, bei Facebook hat sie 33 Millionen Fans, fast 10 Millionen verfolgen bei Twitter ihre News. Die Musikindustrie der Zukunft wird sich um die sozialen Netzwerke des Internets organisieren. Niemand hat das so gut begriffen wie Lady Gaga.

„Alle meine Schulfreundinnen wollten bei google arbeiten“, sagte der Superstar: „Ich wollte gegoogelt werden!“

Die Charts des Jahres:

1993 tanzte sie in einem Musikvideo von Janet Jackson, heute ist Jennifer Lopez selbst ein Weltstar. Gemeinsam mit dem US-Rapper Pitbull erklimmt sie erstmals mit einem Song die deutsche Chartsspitze und führt bislang die Jahreshitparade 2011 an. Dem neuen R&B-Superstar Bruno Mars bleibt nur Platz zwei, wie auch in den Albumcharts. Dort führt mit großem Abstand Adele. Mit feinfühligem Soul verweist sie Grönemeyer und Lady Gaga auf die Plätze.

1.JeLo feat. Pitbull: On The Floor

2. Bruno Mars: Grenade

3. Adele: Rolling The Deep

4. Snoop Dog: Sweat

5. LMFAO: Party Rock Anthem

6. Lady Gaga: Born This Way

7. Sunrise Avenue: Hollywood Hills

8. Pitbull: Give Me Everything

9. Alexandra Stan: Mr. Saxobeat

10. Empire Of The Sun: We Are The People

(Quelle: media control)