Essen. Nach Angela Merkesl wohl atemberaubendsten politischen Wende: Kommt der schnelle Abschied von der Kernernergie? Bei Maybrit Illner im ZDF trafen sich Tempomacher wie Umweltminister Norbert Röttgen und Verzögerer wie Eon-Chef Johannes Teyssen.

Für die einen kann es nicht schnell genug gehen, andere stehen auf der Bremse - kommt der schnelle Abschied von der Kernenergie? Bei Maybrit Illner im ZDF trafen sich Tempomacher wie Umweltminister Norbert Röttgen und Verzögerer wie Eon-Chef Johannes Teyssen.

Das war eine ereignisreiche Woche für Bundesumweltminister und CDU-NRW-Chef Norbert Röttgen. Zuerst lassen die Münsteraner Verfassungsrichter mit ihrer Abfuhr für die rot-grüne Schuldenpolitik Neuwahlen in NRW ein Stück wahrscheinlicher werden – Neuwahlen, die Röttgen nicht will, weil er damit rechnen muss, anschließend als Oppositionschefs in Düsseldorf zu landen. Dann vollführt seine Kabinettschefin Angela Merkel die wohl atemberaubendste politische Kehrtwende der letzten Jahre – und Röttgen muss mit den anderen CDU-Oberen einer staunenden Öffentlichkeit erklären, warum die gleichen Atommeiler, deren Laufzeit die Regierung doch gerade durchgeboxt hatte, nun ratz-fatz per Moratorium vom Netz genommen werden. Und nun sitzt der Mann, der mit seinem telegenen George-Clooney-Gesicht so smart wie kein anderer Berliner Minister in den Talk-Shows rüberkam, bei Maybrit Illner – und irgendwie weiß man nicht so recht, wer da sitzt.

Ist es der CDU-Mann Röttgen, dessen Partei die Kernenergie und die Betreiber der Meiler viele Jahre lang gefördert und gepampert hat? Oder ist es der Umweltminister, der Merkels Laufzeitverlängerung zumindest in dieser Form eigentlich gar nicht wollte und dafür auch verbale Prügel aus den eigenen Reihen bezog? Oder sitzt da der schwarz-grüne Vordenker, der jetzt seine Truppen in der Partei vorschickt, um für einen Ausstieg zu trommeln, der sogar noch eher kommen soll, als Rot-Grün es einst festlegte?

„Das Unvorstellbare ist eben doch passiert“

„Kernenergie war immer die Kampffrage“, sagt Röttgen und erklärt, dass er den Kampf nun gern aus der Debatte um die Zukunft der Atomkraftwerke heraushalten würde. Man brauche vielmehr „ein Innehalten“, um alle Anlagen zu überprüfen. Denn der Maximal-Störfall Fukushima zeigen: „Das Unvorstellbare ist eben doch passiert.“

Stimmt. Aber was sind die Lehren? Und sind die Energie-Konzerne bereit, Merkels neuen Atomkurs samt Moratorium mitzugehen? Johannes Teyssen, Chef des größten deutschen Energieversorgers Eon, ist deutlich anzumerken, dass ihm die schwarz-gelbe Volte nicht besonders sympathisch ist – auch wenn er es nicht ausdrücklich sagt. Ob er schon eine Schadenersatzklage gegen die Bundesregierung vorbereite, will Illner von ihm wissen. Teyssen wiegelt ab. Das sei doch gar nicht die Frage. Schade, hätte einen schon interessiert.

Stattdessen demonstriert Teyssen die neue Nachdenklichkeit der Atom-Bosse: „Wer jetzt nicht nachdenkt“, so Teyssen, „der sollte keine Verantwortung tragen.“ Man müsse nun „neu nachdenken“, gerade habe ein „offener Prozess“ begonnen. Aber Teyssen lässt auch keinen Zweifel an seiner Überzeugung, er habe „aktuell keinen Zweifel“ an der Sicherheit eines Eon-Atommeilers. Unterstützung bekommt er von BDI-Präsident Hans-Peter Keitel: „Wir brauchen diese Zeit.“

Wenig angriffslustig: Renate Künast

Seltsam blass und wenig angriffslustig gibt sich Mitdiskutantin Grünen-Frontfrau Renate Künast. Natürlich haben die Grünen immer vor den Gefahren der Kernkraft gewarnt und natürlich müssen sie sich nach der Katastrophe von Japan bestätigt fühlen. Künast will nun „möglichst schnell aussteigen“ aus der Kernenergie. Bis wann? Bis Ende 2018, so Künast, könne Deutschland den Ausstieg schaffen.

Immerhin schafft Künast damit die konkreteste Aussage der gesamten Illner-Runde. Aber sie steht ja derzeit auch nicht in der Regierungsverantwortung. Der Rest ist Talk-Show-Routine. Der Eon-Boss beschwört noch einmal, man brauche jetzt Zeit (Wir haben es ja verstanden, Herr Teyssen), die Ober-Grüne will noch einmal so schnell aussteigen wie möglich (Da ist die Tür, Frau Künast) und Norbert Röttgen gelingt mit dem „großen Chancenprozess“, der nun anstehe, ein neue Wortschöpfung. Maybrit Illner nutzt die Chance und gibt den Stab weiter an Markus Lanz und seinen Talk. Dort sitzt weder Röttgen noch Künast, sondern Modeschöpfer Karl Lagerfeld mit schwarzer Sonnenbrille, spricht über Mutter Theresa, Karl-Theodor zu Guttenberg und von früheren Nachtclub-Begegnungen und sagt: „Ich denke nie an das was ich gemacht habe.“ Höchste Zeit für ein Moratorium.

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