Berlin. . Der Chef der Reaktorsicherheit im Umweltministerium war Top-Lobbyist der Atomwirtschaft. Er wird die Überprüfung der Kernkraftwerke leiten. Die SPD traut ihm keine objektive Arbeit zu und fordert seine sofortige Entlassung.

Im Bundestag gehören persönliche Angriffe zum Alltag. Dass die Bundeskanzlerin zur Entlassung eines Spitzenbeamten aufgefordert wird, passiert jedoch vergleichsweise selten. SPD-Chef Sigmar Gabriel hat es am Donnerstag in der Atom-Debatte getan. Laut und vernehmlich. Gerald Hennenhöfer soll weg. „Wenn Sie auch nur einen Funken Glaubwürdigkeit zurückerobern wollen“, sagte Gabriel, „dann müssen Sie den sofort entlassen.“ Gerald wer?

Der 63-Jährige leitet seit 2009 die Nuklear-Abteilung im Bundesumweltministerium (BMU). Er ist also als oberster Aufseher für die Sicherheit kerntechnischer Anlagen, die atomare Ver- und Entsorgung und den Strahlenschutz verantwortlich. Und im Amt ein sehr alter Bekannter...

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Schon unter der damaligen Umweltministerin Angela Merkel (CDU) war er 1994 Leiter besagter Abteilung. Damals setzte er nach Angaben von Oppositionspolitikern das heute marode Atomendlager Morsleben gegen den Rat von Experten durch und verhinderte die Stilllegung des Atomkraftwerkes Biblis A in Hessen.

Röttgen holte Hennenhöfer zurück

Nachdem ihn der damalige Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) 1998 in den einstweiligen Ruhestand versetzt hatte, wechselte Hennenhöfer die Seiten. Er wurde Generalbevollmächtigter für Wirtschaftspolitik beim Energiekonzern Viag, der später gemeinsam mit der Veba in Eon aufging. Für Eon handelte Hennenhöfer unter anderem den Vertrag über den Atomausstieg mit der rot-grünen Bundesregierung mit aus. Die Vereinbarung zum „Atomkonsens“ von 2000 trägt auch seine Unterschrift.

Später trat er in die Kanzlei Redeker ein. Als Mandantin hatte er dort unter anderem die damalige Betreiberin des umstrittenen Atomendlagers Asse, die Münchner Helmholtz-Gesellschaft.

Als Norbert Röttgen 2009 Umweltminister wurde, entließ er den damaligen Reaktorsicherheitsexperten Wolfgang Renneberg, der seit Tagen im Fernsehen in punkto Japan-Katastrophe einer der gefragtesten Atom-Experten ist, und holte Hennenhöfer zurück ins BMU.

Mehrfach Seiten gewechselt

Hennenhöfer hat also seit 1998 zwei Mal die Seiten gewechselt und dort jeweils sein Insiderwissen eingebracht. SPD und Grüne bezweifeln im Zusammenhang mit der Sicherheitsdebatte deutscher Atomkraftwerke massiv, dass ein ehemaliger Chef-Lobbyist der Atomwirtschaft eine Aufsichtspolitik macht, die im Falle eines AKW-Zwischenfalls die Sicherheitsanliegen der Bevölkerung über die Interessen der Atomwirtschaft stellt.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) geht einen Schritt weiter. Sie hält Hennenhöfer wegen seiner früheren Tätigkeit bei AKW-Betreibern „für alle amtlichen Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Betrieb der deutschen Atomkraftwerke für verbrannt“. Und was sagt Hennenhöfer selbst? Wenig. Kritik, er kungele mit der Atomwirtschaft, weist er weit von sich. Die Sicherheit der Kernkraftwerke stehe für ihn stets an erster Stelle.