Essen. . Für ihre neue Single bekommen Fettes Brot scharfe Kritik von Rechtspopulisten. Ein Interview über politische Songs und ihr erstes Buch.

Seit ihren Hits „Nordisch By Nature“ und „Jein“ Mitte der 90er gehören Fettes Brot zu den beliebtesten deutschen Hip-Hop-Acts. Im April erscheint ihr neues Album „Lovestory“, das im Herbst betourt wird. Vorab stellen Dokter Renz, König Boris und Björn Beton ihr erstes Buch „Was wollen wissen?“ vor – ein Sammelsurium aus kuriosen Ratschlägen, die die Hamburger ihren Fans sonst im Rahmen einer Radiosendung geben. Mit Martin Vandreier alias Dokter Renz sprach Pascal Conrads über das Projekt, Rap-Urgesteine und politische Songs.

Nennt Ihre Mutter Sie auch Dokter Renz?

Dokter Renz: (lacht) Nein, die nennt mich nur Renz. Akademische Höflichkeiten lassen wir weg.

Vier Jahre sind seit dem letzten Album „Teenager vom Mars“ vergangen. Wieso hat es so lange gedauert?

Wir sind zunächst in unsere Vergangenheit abgetaucht und haben nachgefühlt, wie Fettes Brot am Anfang ihrer Karriere klangen. Rausgekommen ist im Dezember 2017 die „Gebäck In The Days“ (Live-Album mit vielen alten Songs, Anm. d. Red.). Dann hat es wirklich noch einmal anderthalb Jahre gedauert, jetzt erfüllt mich die neue Platte mit Stolz. Die Fans bekommen den typischen Sound, den sie von uns kennen, aber auch neue Einflüsse zum Entdecken.

Ein Song wie „Denxu“ erinnert schon fast an 90er-Eurodance à la Blümchen. Inwieweit lassen Sie sich von anderen Künstlern beeinflussen?

Wir sind natürlich schon immer riesige Musikfans gewesen und haben in den Kassetten-Schränken der Eltern nach Inspirationen gesucht. Und Hip-Hop ist schon immer eine Musikrichtung gewesen, die sich aus bereits vorhandener Musik zusammensetzt. Wenn wir dann wirklich ein gutes Sample finden, kann es schon mal passieren, dass wir da etwas ganz Neues draus machen.

Das erste Lied auf dem Album heißt „Ich liebe mich”. Wie liebt man sich selbst, wenn einem nicht 20.000 Fans zujubeln?

Da kann ich gleich mal mit dem Klischee aufräumen , dass sich Künstler durch das Kreischen oder den Applaus des Publikums ernähren. Auch ich musste mein Selbstbewusstsein erst finden und erlernen. Mit dem Song wollen wir ausdrücken, dass man nicht immer so streng mit sich selbst sein soll. Wir wollen den Leuten sagen: „Umarme dich selbst und liebe die Welt“.

In sozialen Netzwerken wird Ihre neue Single „Du driftest nach rechts“ massiv kritisiert. Haben Sie damit gerechnet?

Der Song ist ein Liebeslied, aber auch mit einer politischen Haltung, die zu erkennen ist. Es geht darum, dass Menschen unreflektiert ihren Hass rauslassen. Und wenn dann unter dem Video, das wir bei Youtube hochgeladen haben, genau das passiert, was wir in dem Song beschreiben, ist das natürlich eine Bestätigung. Ich gehe aber immer noch davon aus, dass eine überwältigende Mehrheit der Leute demokratisch und freiheitlich gesinnt ist.

Auch ein rechtspopulistisches Magazin reagierte und bewertet Fettes Brot als „konformistischste Staatskappelle“. Berührt Sie das?

Ich habe jetzt gehört, dass wir genauso verloren sind wie Feine Sahne Fischfilet oder die Toten Hosen. Da fühle ich mich doch in guter Gesellschaft.

Vermissen Sie eine solch klare Haltung bei anderen Künstlern?

Es geht. Es gibt ja auch subtilere Möglichkeiten, Haltung zu zeigen. Ich bin da ein großer Fan der Antilopen Gang. Wenn man dann so etwas sieht wie in Chemnitz, wo in kürzester Zeit eine Veranstaltung wie „Wir sind mehr” entsteht, mache ich mir keine Sorgen und fühle mich mit meiner politischen Einstellung nicht allein gelassen. Das ist es auch, was wir anstreben. Wir wollen, dass die Leute Mut haben, wir wollen den Leuten Mut machen.

Sie gelten als große Fans der Drei ???, haben beim Hörspiel „Im Bann des Voodoo” mitgewirkt. Würden Sie gerne noch einmal etwas in dieser Richtung ausprobieren?

Eher nein. Damit haben wir uns damals einen großen Kindheitstraum erfüllt. „Fettes Brot lässt grüßen” (Konzeptalbum der Band, auf dem die Originalstimmen der Drei ??? die Rahmenhandlung sprechen, Anm. d. Red.) war damals eine Hommage an die Drei ???. Danach haben wir das Angebot bekommen, auf uns zugeschnittene Rollen zu sprechen. Aber damit war dieses Bedürfnis auch befriedigt.

In Ihrer Radiosendung beantworten Sie seltsame Fragen auf kuriose Weise. Hat Sie schon mal ein Anrufer sprachlos gemacht?

Ja, das passiert immer wieder. Aber wir haben zum Glück unsere großartige Co-Moderatorin Anne Raddatz dabei, die dann hilft. Wir sind als Bühnen-Combo natürlich schon so drauf, dass bei uns immer der Gehirnschmalz fließt und finden es lustig, wenn dann auch noch Leute von außen an unseren Gesprächen teilnehmen können. Wir haben auch sehr lustige Zuhörer. Jetzt ist aus diesen Gesprächen eben ein lockeres Buch entstanden.

Sind Sie nicht mittlerweile zu alt für Albernheiten?

Absolut nicht. Ich bin mir auch sicher, dass das nie so sein wird. Ich freue mich schon auf die Rolle des schrägen Opis, der online versaute Witze macht – mit über 80. Unsere Fans wissen aber, dass wir auch echte Gefühle wie Melancholie und andere Dinge ausdrücken können.

Wem würden Sie wahnsinnig gerne mal einen Rat geben und welchen?

Ratschläge sind ja auch Schläge. Daher würde ich Donald Trump raten, dass er abtritt und Platz für Michelle Obama macht. Es war nicht alles golden, was Barack Obama gemacht hat, aber ich habe ihn immer als sehr sozialen Präsidenten empfunden. Und dann kommt da einer und macht sehr schnell alles wieder kaputt.

Der Rapper-Streit um Capital Bra und Bushido bekommt viel Aufmerksamkeit – wie blicken Rap-Urgesteine wie Sie auf die Szene?

Die Szene ist eigentlich genau so, wie wir uns das immer gewünscht haben, sehr vielseitig. Das ist eine krasse Erfolgsgeschichte, die sich nicht mit den Anfängen unserer Karriere deckt. Da wurden wir in Interviews gefragt, wie lange dieser Rap-Hype noch anhält – ob drei oder fünf Jahre.

Wäre nicht mal ein Dino-Beef mit den Fantastischen 4 fällig?

Ich fand den Hohes-C-Werbespot mit den Fantas scheiße (1993 gaben Die Fantatischen 4 ihren Hit „Die Da“ für einen TV-Spot frei, Anm. d. Red.) und zu kapitalistisch. Wenn das für Beef reicht, dann sollen die doch kommen. Ansonsten sind das echt gute Jungs.

Können Sie, Björn und Boris sich bei dieser Fülle an Projekten überhaupt noch sehen?

Ja, aber ab und zu nur mit Sonnenbrille. Wir haben das bisher ganz gut hinbekommen, treffen uns auch privat und laden uns zu unseren Geburtstagen ein.

Gibt es ein Leben nach dem Brot?

Ich hoffe doch. Mit Wolken, salzig-süßem Popcorn und Harfenmusik.

>>> INFO: Fettes Brot auf Lesereise und Live-Tournee

„Was wollen wissen?“-Lesetour: 20.3. Köln (Gloria). Karten ca. 25 €.

Fettes Brot auf „Lovestory“-Konzerttour: 20.10. Dortmund (Warsteiner Music Hall), 1.+2.11. Köln (Palladium, 2.11. ausverkauft). Karten ab ca. 45 €.

Karten für alle Veranstaltungen erhalten Sie in unseren LeserLäden und -services, unter 0201/804 60 60 und auf www.ruhrticket.de.