Essen/Bonn. Das Kartellamt hat Verfahrnen gegen Stadtwerke eingeleitet. Sie stehen im Verdacht, ihre Monopolstellung für zu hohe Preise missbraucht zu haben.

Haben Stadtwerke zu stark an der Preisschraube für ihre Fernwärme gedreht? Das Bundeskartellamt hat diesen Verdacht: Gegen sechs Stadtwerke und Fernwärmeversorger haben die Wettbewerbshüter ein Verfahren wegen des Verdachts auf missbräuchlich überzogene Preissteigerungen eröffnet. Es geht um den Zeitraum von Januar 2021 bis September 2023. Da die Fernwärmeanbieter in ihrer Stadt jeweils ein Monopol besitzen, fordern Verbraucherschützer schon lange, den Markt kritisch zu durchleuchten. Dass die Bonner Behörde dies nun tut, sei „ein gutes Signal für fairere Preise“, sagte Christina Wallraf, Energieexpertin der Verbraucherzentrale NRW, unserer Redaktion.

Auch auf mehrfache Nachfrage sagte das Kartellamt nicht, um welche Stadtwerke es sich handelt. Ein Sprecher betonte aber, diese Verfahren hätten Pilotcharakter für die gesamte Branche: Es gehe darum, klare Regeln für eine faire und vor allem transparente Preissetzung zu finden. Wie Strom, Gas und andere Heizenergie ist auch die Fernwärme in den vergangenen beiden Jahren deutlich teurer geworden. Auch Anbieter im Ruhrgebiet wie Eon, einzelne Stadtwerke und die Steag-Tochter Iqony haben ihre Preise teils mehr als verdoppelt.

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Die Preissetzung bei der Fernwärme ist ungleich komplexer als etwa bei Strom und Gas. Denn die so genannten Anpassungsklauseln geben den Versorgern gewisse Spielräume. Sie müssen zum einen die tatsächlichen Kosten für die Erzeugung der Fernwärme berücksichtigen als auch die allgemeine Preisentwicklung am Wärmemarkt. Für beides können sie allgemein verfügbare Preisindizes verwenden.

Kartellamt betont Monopolstellung der Stadtwerke

Entscheidend ist auch Sicht des Kartellamts, dass für die tatsächlichen Kosten auch jene Energieträger herangezogen werden, die zur Erzeugung der Fernwärme genutzt wurden. Dass etwa nicht der in den vergangenen Jahren besonders stark gestiegene Gaspreisindex stärker gewichtet wird als das tatsächlich für die Wärmeerzeugung eingesetzte Gas. Und umgekehrt Preisindizes günstigere Wärmequellen schwächer gewichtet werden als sie zur Fernwärmeerzeugung beitrugen.

Die Monopolstellung der Stadtwerke lässt die vom Gesetzgeber gewährten Spielräume aus Sicht der Wettbewerbshüter heikel erscheinen. „Fernwärmeversorger verfügen in ihren jeweiligen Netzgebieten über eine Monopolstellung. Die Verbraucherinnen und Verbraucher können den Anbieter nicht wechseln. Deshalb unterliegen die Versorger auch dem kartellrechtlichen Missbrauchsverbot“, betont Kartellamtspräsident Andreas Mundt.

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Seine Behörde prüft im jetzt gestarteten Missbrauchsverfahren insbesondere, „ob die konkret verwendeten Preisanpassungsklauseln gegen rechtliche Vorgaben verstoßen und so zu höheren Preisen für Verbraucherinnen und Verbraucher geführt haben.“ So werfe es Fragen auf, „wenn ein Unternehmen den Fernwärmepreis an die Entwicklung des Gaspreises angepasst hat, obwohl tatsächlich auch andere günstigere Alternativen für die Wärmeerzeugung verwendet wurden.“

Habeck will Fernwärme massiv ausbauen

Fernwärme kann durch Gas, Kohle, Holz, Müll, erneuerbare Energien wie Biogas und Industrie-Abwärme erzeugt werden. In der Hoffnung, dass die Wärmequellen immer grüner werden, setzt die Bundesregierung bei ihrer Wärmewende ganz besonders auf die Fernwärme, sie soll in 20 Jahren knapp die Hälfte der in den deutschen Haushalten benötigten Heizenergie liefern. Gerade in Ballungsräumen wie dem Ruhrgebiet soll Fernwärme massiv ausgebaut werden.

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Spätestens seit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) dieses ehrgeizige Ziel ausgegeben hat, steht die Preisgestaltung der Stadtwerke unter verstärkter Beobachtung. Denn wer einmal zur Fernwärme wechselt, kann anschließend seinen Anbieter nicht mehr wechseln – im Gegensatz etwa zum Stromversorger, dessen Preis die Kosten einer neuen Wärmepumpe bestimmt. Die Kommunen sind derzeit dabei, ihre Wärmepläne so aufzustellen, dass jeder Hauseigentümer die beste Heizungsart für sein Gebäude wählen kann.

Kartellamt: Verdacht „deutlich überzeichneter“ Preisindizes

Das Kartellamtes erklärte, in den nun verfolgten Fällen bestehe meist der Verdacht, dass durch die Auswahl der Preisindizes die tatsächliche Entwicklung der Kosten „deutlich überzeichnet wird“. Manche Klausel knüpfe beispielsweise ausschließlich an einen Erdgas-Index an, während der Versorger tatsächlich „zu einem substanziellen Anteil andere Energien, wie zum Beispiel erneuerbare Energien, bei der Wärmeerzeugung einsetzt“. Außerdem gehe es um den Verdacht, dass die allgemeine Preisentwicklung zu gering gewichtet werde, um die Preise stärker anheben zu können. Laut Bundesgerichtshof müsse dieser Marktfaktor den gleichen Rang in der Preissetzung haben wie der Kostenfaktor.

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„Viele Preisformeln für die Fernwärme sind für Verbraucher nicht zu verstehen. Damit ist schwer nachvollziehbar, warum die Preise steigen“, findet Verbraucherschützerin Christina Wallraf. Es sei genau der richtige Ansatz, dass die Wettbewerbshüter nun genau prüfen, welche Brennstoffe von einem Stadtwerke eingesetzt und welche für den Preis herangezogen wurden, sagt sie.

Landeskartellbehörden geben Zuständigkeit an Bundeskartellamt ab

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Vor allem begrüßt Wallraf, dass das Bundeskartellamt nun die Richtung vorgibt. Eigentlich sind für Fernwärmenetze innerhalb eines Bundeslandes die Landeskartellbehörden zuständig. „Aufgrund der grundsätzlichen und bundesländerübergreifenden Bedeutung“ hätten diese aber ihre Zuständigkeit an das Bundeskartellamt abgegeben, teilte die Bonner Behörde mit. Das erleichtere auch den Verbraucherschutzzentralen die künftige Argumentation in Sachen Fernwärme, sagte Wallraf.