Hagen. Semesterstart: Von Siegen bis Soest und Dortmund bis Wuppertal ringen die Hochschulen um angehende Akademiker. Ausnahme: Die FernUni Hagen.

Den Hochschulen im Land laufen die Erstsemester nicht mehr wie von selbst zu. Das NRW-Wissenschaftsministerium schätzt den Rückgang der Studierenden an Hochschulen im Land aktuell auf rund 2,4 Prozent. Die genauen Zahlen stehen erst im Dezember fest, bis dahin haben Studierende noch die Möglichkeit, sich zurückzumelden. Trends lassen sich aber bereits zum Start des Wintersemesters anhand der vorläufigen Zahlen erkennen.

Vorläufige Studierendenzahlen an Hochschulen in der Region Südwestfalen, Dortmund und Wuppertal.
Vorläufige Studierendenzahlen an Hochschulen in der Region Südwestfalen, Dortmund und Wuppertal. © Manuela Nossutta/Funkegrafik NRW | Manuela Nossutta/Funkegrafik NRW

Das Werben von Industrie und Handwerk um Schulabgänger macht sich nach Ansicht von Hochschulen bemerkbar – und das Deutschlandticket sorgt für eine Veränderung der Zahlen. Wer sich nur wegen des Semestertickets und der freien Fahrt mit Bus und Bahn im jeweiligen Bundesland an einer Hochschule eingeschrieben hatte, fährt aktuell mit dem Deutschlandticket besser – und gehört womöglich nicht zu den Absolventen, auf die die Wirtschaft am Standort Deutschland dringend angewiesen ist.

Das Land braucht neue Lehrerinnen und Lehrer, Ingenieure und Softwareentwickler ebenso wie die nicht-akademischen Fachkräfte. „Es gab nie eine spannendere Zeit für Ingenieure als jetzt“, findet Sönke Gößling. Der gebürtige Herdecker ist seit diesem Sommer Professor für Brennstoffzellen und regenerative Energiesysteme an der Fachhochschule Dortmund und wirbt für eine akademische Laufbahn.

Universität Siegen

Die Uni Siegen muss sich mit sinkenden Zahlen arrangieren. Knapp 15.000 Studierende bedeuten mehr als neun Prozent Minus gegenüber dem Vorjahreszeitraum. 1761 Erstsemester sind dabei „nur“ 4,8 Prozent weniger als 2022. Tatsächlich haben sich in Siegen 2756 Studierende neu eingeschrieben – rund eintausend sind keine Erstsemester. 60 Prozent der „Neuen“ sind übrigens weiblich. Am beliebtesten in Siegen im Wintersemester ist das Grundschul-Lehramt. Mit 278 Studierenden erreichte die Uni hier ein Plus von 29 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das Land unterstützt den Aufbau neuer Studienplätze für das Lehramt. In Siegen wurde um 60 Plätze aufgestockt. „Wir freuen uns, dass wir alle zusätzlichen Plätze trotz einer rückläufigen Zahl an Schulabgängerinnen und Schulabgängern besetzt haben“, sagte Professorin Alexandra Nonnenmacher, Prorektorin für Bildung in Siegen.

An der Fachhochschule Südwestfalen in Meschede sind die meisten Erstsemester auf dem Campus angekommen. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist ihre Zahl von 320 auf aktuell 380 gestiegen.
An der Fachhochschule Südwestfalen in Meschede sind die meisten Erstsemester auf dem Campus angekommen. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist ihre Zahl von 320 auf aktuell 380 gestiegen. © FHSW | C. Klett

Fachhochschule Südwestfalen

An den fünf Standorten der Fachhochschule Südwestfalen in Hagen, Iserlohn, Lüdenscheid, Meschede und Soest hatten sich Ende September bereits 1954 Studienanfänger eingeschrieben. Das entspricht einem Plus von 3,4 Prozent. Insgesamt rechnet man an der der FH mit bis zu 2300 neuen Studierenden, so dass die Gesamtzahl auf gut 11.000 steigen würde. Derzeit liegt sie noch knapp darunter (siehe Grafik). Die FH ist besonders eng mit der heimischen Wirtschaft verzahnt. Die Top-Fünf-Studiengänge sind Wirtschaftsingenieurwesen, BWL/Wirtschaft, Informatik, Maschinenbau und Wirtschaftsinformatik (in dieser Reihenfolge). Dennoch liege die Zahl der Absolvierenden insbesondere in den sogenannten MINT-Studiengängen aber unter der Nachfrage am Arbeitsmarkt, heißt es von der Fachhochschule.

Technische Hochschule Dortmund

Mehr als 5200 Neueinschreibungen bedeuten ein Plus von rund vier Prozent. Die Studierendenzahl liegt aktuell mit rund 30.000 dennoch niedriger als im Vorjahreszeitraum (32.476). Der Bachelorstudiengang Informatik sei am stärksten von ausbleibenden Rückmeldungen betroffen. Allerdings bleibe er mit über 2.800 Einschreibungen der mit Abstand größte Studiengang der Universität – und verzeichne auch in diesem Jahr bei den Erst- und Neueinschreibungen ein Plus. Am meisten Neueinschreibungen zählt die TU für das Lehramt (alle 5 Schulformen) mit mehr als 1.300, gefolgt von Informatik (mehr als 400), Wirtschaftswissenschaften (400), Soziologie (300) und Architektur (200).

FH Dortmund

Die meisten neuen Studierenden haben die Fachbereiche Wirtschaft, Informatik und Angewandte Sozialwissenschaften. Für das Wintersemester 2023/24 haben sich hier bislang gut 2.200 Studierende eingeschrieben. 13.500 Studierende zählt die FH Dortmund aktuell insgesamt, ein leichter Rückgang gegenüber dem Vorjahr. „Die Wirtschaft in der Region stellt das vor weitere Herausforderungen. Während wir unsere Absolventen quasi mit Jobgarantie auf den Arbeitsmarkt bringen können, bekommen wir von den Unternehmen die Komplexität der Fachkräftegewinnung gespiegelt“, teilt die FH mit. Neben der praxisnahen Ausbildung junger Menschen werde daher das Thema Qualifikation und Weiterbildung ein zunehmend wichtigerer Schwerpunkt für die FH.

Uni Wuppertal

An der Uni Wuppertal hofft man noch auf Nachzügler bei den Rückmeldungen. Mit 20.435 Studierenden bleibt die Uni hinter den Vorjahreszahlen zurück (22.509 zum Stichtag 1. Dezember 2022), obwohl die Zahl der Neueinschreibungen mit 2.337 höher als im Herbst 2022 (2.225) liegt.

Dies sei unter anderem mit hohen Absolvierendenzahlen zu begründen. Eine Entwicklung, die Rektorin Professorin Birgitta Wolff in mehrerlei Hinsicht freut: „Für uns als Hochschule mittlerer Größe und vor dem Hintergrund demografisch bedingt rückläufiger Studierendenzahlen muss es darum gehen, durch gute Betreuungs- und Unterstützungsangebote und zeitgemäße Bildungsqualität den Studienerfolg zu steigern. Sprich: Wir müssen noch mehr Studierende zum erfolgreichen Studienabschluss führen.“ Über eine besonders hohe Nachfrage können sich nach derzeitigem Stand die Studiengänge Architektur, Psychologie, Gesundheitsökonomie und Erziehungswissenschaften freuen. Auch das Lehramt bleibe stark. 40 neue Plätze seien hier geschaffen worden. Bei der Abschlussquote liege man hinter Köln und Münster landesweit auf Platz drei bei der Ausbildung neuer Lehrkräfte.

Hochschule Hamm/Lippstadt

Mit gut 5000 Studierenden gehört die HSHL zu den kleineren Hochschulen im Land. Zum Wintersemester haben sich rund 850 Studierende neu eingeschrieben, davon 500 in Hamm. Damit bleibt man etwa auf Vorjahresniveau, spüre aber den Trend zu rückläufigen Studierendenzahlen im ländlichen Raum und bei MINT-Fächern. Besonders beliebt sind die Studiengänge „Interkulturelle Wirtschaftspsychologie“ am Standort Hamm sowie „Electronic Engineering“ und BWL in Lippstadt.

Privathochschule UE Iserlohn

Die Privathochschule UE am Standort Iserlohn (ehemals BITS) ist mit 585 Studierenden überschaubar. 108 Erstsemester zählt man an der UE, die eine Neuausrichtung hin zum Sport- und Gesundheitscampus verfolgt. „Mit dieser Neuausrichtung des UE Campus in Iserlohn hin zum ,Gesundheits, - Wirtschafts- und Sportcampus’ weitet sich das Studienangebot immer mehr auch auf englischsprachige Studiengänge aus. In Zeiten des Fachkräftemangels müssen wir umdenken und Bildung für ein internationales Publikum anbieten. Unsere Absolventen bleiben gerne in der Region Südwestfalen“, erklärt Prof. Dr. Britta Ruhnau, Prodekanin des Fachbereichs Wirtschaft, Psychologie und Sport.

Fernuniversität Hagen

Die Fernuniversität Hagen nimmt eine Sonderstellung ein. Nicht nur, weil sie mit 72.500 eingeschriebenen Studierenden eine der größten Universitäten Deutschlands ist, sondern auch, weil sich hier viele berufsbegleitend qualifizieren, zum Beispiel Profisportler. Die beliebtesten Fächer sind – wie schon in den vergangenen Jahren – Psychologie, Rechtswissenschaften und Wirtschaftswissenschaft. An der Hagener FernUni haben sich in diesem Semester rund 11.500 Wissensdurstige neu eingeschrieben. Ein Plus von 24 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Weil aber auch viele die Uni verlassen, steht unter dem Strich bei der Gesamtstudierendenzahl nur ein Plus von etwa 1,3 Prozent.