Witten. Wittener Start-up bietet Farm-Technik, die Erdbeeren 365 Tage im Jahr liefert. Wie vGreens Importe aus Südländern überflüssig machen will.
Erdbeeren gehören zu den beliebtesten Früchten. Erzeuger in Deutschland können gar nicht so viele anbauen, um die hohe Nachfrage zu befriedigen. Das Wittener Start-up vGreens bietet nun eine Lösung an, die den ökologisch fragwürdigen Import aus wärmeren Ländern überflüssig machen soll.
Maximilian Hartmann hat schon Routine an der Sicherheitsschleuse. Mit Druckluft entfernt ein Kollege auch das kleinste Insekt aus seiner Kleidung. Schuhe aus, Schutzanzug an – in der Erdbeerfarm auf einem Hinterhof im Wittener Stadtteil Herbede ist Hygiene oberstes Gebot. „Wir wollen hier keine Schädlinge eintragen“, sagt der Mitgründer des Start-ups vGreens. Bis auf die Hummeln und Marienkäfer, die gewollt für das junge Unternehmen arbeiten, sollen die Pflanzen der Sorte Favori ideale Bedingungen vorfinden, um 365 Tage im Jahr Erdbeeren zu produzieren.
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Innerstädtische Farmen dieser Art gibt es für Salate und Kräuter inzwischen häufiger. Hartmann und seine drei Mitgründer haben sich aber bewusst auf Erdbeeren spezialisiert. Ernstzunehmende Konkurrenz haben sie in diesem Segment allenfalls in New York und Großbritannien ausgemacht. „Unser Ziel ist es, insbesondere den Import von Erdbeeren aus Marokko oder Spanien zu minimieren und dadurch CO2 einzusparen. Es macht doch keinen Sinn, Früchte um die halbe Welt zu transportieren, wenn man sie auch heimisch produzieren kann“, meint der studierte Betriebswirt.
Deutschland importiert 120.000 Tonnen Erdbeeren
Die Statistik gibt ihm Recht: Im Jahr 2021 wurden in Deutschland im Freiland mehr als 96.000 Tonnen Erdbeeren geerntet. Im geschützten Anbau unter Schutzabdeckungen und im Gewächshaus kamen noch einmal knapp 35.000 Tonnen Erdbeeren dazu. Damit alle Verbraucherinnen und Verbraucher auf ihre 3,7 Kilogramm kommen, die sie pro Jahr und pro Kopf verzehren, mussten 120.000 Tonnen zusätzlich importiert werden.
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In diesem Sommer war der Ertrag so gering wie seit 1998 nicht mehr. Der Grund: die Wetterkapriolen. Viele Landwirte haben sich überdies von Anbauflächen für Erdbeeren getrennt, weil sie kein Personal finden. An beiden Entwicklungen setzt vGreens an. „Gewächshäuser durchgehend im Winter zu beheizen, wäre zu teuer. Mit unserer Software können wir die Farmen so optimiert steuern, dass sie das ganze Jahr über wirtschaftlich und profitabel zu betreiben sind“, sagt Hartmann.
Die vom Start-up selbst entwickelte Software ist das Herzstück des Unternehmens. Sie steuert Bewässerung, Nährstoffzusatz und Temperatur in der Farm. „Unsere Heizung, Lüftung und Klimatechnik, quasi die Wettermaschine, sorgt dafür, dass die Erdbeeren nachts bei zehn Grad und tagsüber bei 22 Grad wachsen können. Das erhöht wiederum den Zuckergehalt“, erklärt der Mitgründer.
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Unter diesen idealen Bedingungen wachsen die süßen Früchte nicht nur ohne Unterlass und nahezu makellos heran. Die Macher von vGreens sind auch von der Nachhaltigkeit ihrer Erdbeerproduktion überzeugt. „Bei der konventionellen Erzeugung von einem Kilogramm Erdbeeren sind durchschnittlich 300 Liter Wasser erforderlich, beim Indoor Farming nur fünf Liter“, versichert Hartmann. Und: „In der Farm können wir den Einsatz von Dünger um 95 Prozent reduzieren. Auf Pestizide verzichten wir ganz.“
Start-up vGreens entstand in einer Wittener Garage
Es ist kein Klischee: Gestartet sind die vier Gründer tatsächlich in einer Garage, die in einem Wittener Gewerbegebiet steht. Nach der Gründung von vGreen im April 2022 und vielen, vielen Tests zeigen sich die jungen Unternehmer zuversichtlich, dass sie ihre Erdbeerfarm im kommenden Jahr auf den Markt bringen können. Doch zuvor steht der Umzug des Start-ups von Witten auf das Gelände der Essener Zeche Zollverein an. In einem Showroom im Gründer- und Unternehmenszentrum Triple Z wollen sie potenziellen Kundinnen und Kunden dann auch zeigen, wie die Erdbeerproduktion im industriellen Maßstab aussehen wird.
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Die Pflanzen, die übrigens alle sechs Monate ausgetauscht werden müssen, sind in mehreren Etagen an sechs Meter hohen Wänden befestigt. Um die Ernte zu erleichtern, sollen sich die Wände auf die Pflückerinnen und Pflücker zubewegen. Damit soll das Ende der technologischen Fahnenstange aber noch nicht erreicht sein. „Mittelfristig wollen wir Roboter auch für die Ernte einsetzen. Durch Künstliche Intelligenz lernen sie, eine Erdbeere von einem Blatt zu unterscheiden und nur reife Früchte zu pflücken“, blickt Hartmann in die Zukunft.
Umzug zur Zeche Zollverein in Essen
Die Verhandlungen mit potenziellen Abnehmern, die voraussichtlich als Franchisenehmer der Farmen ihre eigenen Erdbeeren produzieren wollen, haben bereits begonnen. „Wir sind auch in Gesprächen mit möglichen Kunden aus dem Ausland. Insbesondere Kanada, Singapur oder Dubai könnten hier interessant sein“, berichtet der Mitgründer. Als Nutzer der Farmen sollen große Landwirte, Genossenschaften, aber auch der Einzelhandel selbst in Frage kommen. „Es ist ein Trend, dass die Händler selbst produzieren. Das sehen wir bei Kräutern“, meint Hartmann.
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Beim voraussichtlichen Preis seien die Erdbeeren aus der Farm in jedem Fall konkurrenzfähig. Durch die Automatisierung der Nährstoff- und Wasserzufuhr und den Verzicht auf Erde und Pestizide gehen die Geschäftsführer davon aus, dass ein Kilogramm für sieben bis acht Euro erzeugt werden könne. Die Pläne des Start-ups gehen schon weiter: Erste Tests mit Blaubeeren und Melonen laufen bereits.
>>>Vier Gründer, acht Investoren
Maximilian Hartmann fühlt sich als Gründer im Revier wohl. „Es tut sich viel im Ruhrgebiet. Wir erhalten hier viel Unterstützung und konnten in der Region auch Kapital mobilisieren“, sagt er.
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Die vier Gründer haben inzwischen acht Investoren, darunter Scale Now aus Essen, die Sparkasse Dortmund mit ihrer Tochter Seed Capital Dortmund III und Firmen aus Berlin.