Geseke. Nach Rekordumsätzen verdoppelt der Büromöbelhersteller Sedus die Produktion im südwestfälischen Geseke, um der Nachfrage gewachsen zu sein.

Die gute Nachricht: Im Büro wird alles schicker und wohnlicher. Davon ist Daniel Kittner überzeugt. Das enorme Wachstum der Sedus Stoll AG bestätigt ihn.

Kittner ist Vorstand bei Sedus, des nach eigenen Angaben größten Büromöbeleinrichters der Republik mit Werken in Dogern (Kreis Waldshut) und Geseke (Kreis Soest). Deutlich über 20 Prozent Umsatzwachstum im vergangenen Jahr stehen unter dem Strich, die Auftragsbücher sind prall gefüllt, die Aussichten auf gute Geschäfte rund um den Büro-Arbeitsplatz der Zukunft erscheinen rosig.

Wohnmöbelhersteller im Tief

Die Laune beim Office-Ausstatter in Südwestfalen ist beinahe ausgelassen. Ganz im Gegenteil zur deutschen Wohnmöbelbranche. Beinahe flächendeckend erlebt die Möbelindustrie in Deutschland gerade massive Einbrüche, wenn es um die privaten vier Wände geht – und sucht nach Erklärungen.

Die Inflation, Leere im Portemonnaie, steigende Zinsen auch für Verbraucherkredite und Unsicherheit beim Blick in die nahe Zukunft sind einige davon. Beim Sideboard und Sofa wird gespart – jedenfalls im Privaten. „Wir gehen für die deutsche Möbelindustrie in diesem Jahr von einem Umsatzrückgang von fünf bis sieben Prozent aus“, sagte Jan Kurth, Geschäftsführer der Verbände der deutschen Möbelindustrie vor wenigen Tagen. Noch schlechter sieht es aktuell mit den Auftragseingängen in der Branche aus, also dem Geschäft in naher Zukunft.

Daniel Kittner, Sprecher des Vorstands der Sedus Stoll AG, bei der Einweihung der neuen Fertigungslinie „Futura2“ in Geseke: „Corona ist der Turbo für alle Trends gewesen. Die Veränderung, die wir jetzt in zwei, drei Jahren erlebt haben, dauert in der zähen Bürowelt normalerweise fünfzehn Jahre.“
Daniel Kittner, Sprecher des Vorstands der Sedus Stoll AG, bei der Einweihung der neuen Fertigungslinie „Futura2“ in Geseke: „Corona ist der Turbo für alle Trends gewesen. Die Veränderung, die wir jetzt in zwei, drei Jahren erlebt haben, dauert in der zähen Bürowelt normalerweise fünfzehn Jahre.“ © FUNKE Foto Services | Jakob Studnar

Für Sedus gilt das alles nicht. Die Coronapandemie und die Entwicklung, wenn möglich von zuhause aus zu arbeiten, hatte daran seinen Anteil, aber anders als man denken könnte.

Die Ausstattung von Mitarbeitern für das Homeoffice in Pandemiezeiten sei gar nicht der Wachstumstreiber gewesen – Sedus-Kunden sind eher Unternehmen als Privatleute. Und doch spielt das Corona-Virus, das viele Büros zwischenzeitlich leerfegte, eine große Rolle. „Die Firmen wollen jetzt ihre Beschäftigten wieder zurückholen“, nennt Kittner ein Kriterium. Das gelinge leichter, je attraktiver die Büros seien. Zweiter Punkt: Der Wettbewerb um Fachkräfte. Wo es schön ist, bleibt man lieber. Schicke Schließfächer sind in Zeiten von geteilten Arbeitsplätzen (Shared Desk) gerade ein Renner. „Am stärksten wachsen wir im Moment mit Cube. Da gibt es einen wahnsinnigen Boom“, sagt der Sedus-Chef. Cubes sind Rückzugsräume in Großraumbüros – für Telefonate, Konferenzen, Aufnahmen von Podcasts beispielsweise. Die gibt es bei Sedus nicht als einfache Kiste, sondern in ziemlich schick, beinahe futuristisch.

„Wir haben schon 2016 den Trend zu immer mehr Kollaboration am Arbeitsplatz gesehen“, sagt Kittner. Bürofläche werde zwar heute – nach Corona – immer weniger, aber die Entwicklung gehe zu hochwertigen, modernen Arbeitswelten mit Begegnungsinseln, behaglichen, attraktiven Aufenthaltsorten.

„Corona ist dann der Turbo für alle diese Trends gewesen. Die Veränderung, die wir jetzt in zwei, drei Jahren erlebt haben, dauert in der zähen Bürowelt normalerweise fünfzehn Jahre“, schätzt der Experte, der schon beinahe drei Jahrzehnte in der Branche zuhause sei.

Größte Investition in der Firmengeschichte

Dass Sedus am Standort Geseke die Produktionskapazitäten enorm erweitern würde, und nach eigenen Angaben mit rund 21 Millionen Euro die größte Investition in der immerhin schon mehr als 150 Jahre langen Firmengeschichte tätigte, stand schon vor Pandemiezeiten fest.

Blick hinter die Kulissen: Die neue Halle, in der die Fertigungslinie „Futura2“ in Betrieb genommen wurde. Rund 21 Millionen Euro hat Sedus zuletzt am Standort Geseke investiert.
Blick hinter die Kulissen: Die neue Halle, in der die Fertigungslinie „Futura2“ in Betrieb genommen wurde. Rund 21 Millionen Euro hat Sedus zuletzt am Standort Geseke investiert. © FUNKE Foto Services | akob Studnar

9500 Quadratmeter Fläche haben die neuen Fertigungs- und Lagerhallen in Geseke. Mittendrin die „Futura2“, die neue Fertigungslinie, die die Produktionskapazität mit weniger Personal ab sofort kurzerhand verdoppelt, um „das zu erwartende Umsatzwachstum abzusichern“, wie es von Sedus heißt.

Ungefähr die Hälfte aller Büromöbel sei übrigens weiß, sagt Daniel Werhahn, Geschäftsführer Technik am Standort Geseke. Hier können jetzt täglich bis zu 2400 Teile produziert werden. 3000 Tische, 2200 Schränke, rund eintausend Bürocontainerverlassen das Werk pro Woche – komplett zusammengebaut. „Ich frage mich selbst, wer so viele Möbel braucht“, sagt Werhahn – ausgelassen. Er verantwortet die Integration der neuen Anlage in den insgesamt 36.000 Quadratmeter großen Produktionskomplex in Geseke.

Perspektivisch könnte Sedus seine Kapazität am Standort noch ein weiteres Mal verdoppeln. Platz ist in der neuen Halle ausreichend vorhanden. Für den Moment ist man in Geseke froh, dass die neue Linie läuft – vor allem aber, dass man im Büromöbelsegment unterwegs ist, und sich nicht auf dem Wohnmöbelmarkt mit Küche, Couch und Co. behaupten muss.