Maskat. Wo grüner Wasserstoff für den Stahl herkommen soll, fragt sich CDU-Chef Friedrich Merz. Von uns, antwortet der Golfstaat Oman. Wir waren da.

Ist grüner Wasserstoff wirklich die Zukunft für die deutsche Stahlindustrie? Kann sie mit klimafreundlich produziertem Stahl überleben? Die Zweifel daran sind zuletzt gewachsen, auch durch skeptische Äußerungen des CDU-Chefs Friedrich Merz. Eine der zentralen Fragen dabei ist, wo die benötigten riesigen Mengen an grünem Wasserstoff herkommen sollen. Eine mögliche Antwort darauf: Zum Beispiel aus dem Oman.

Der Golfstaat macht sich auf den Weg, den designierten Energieträger der Zukunft in großen Mengen herzustellen und weltweit zu verkaufen, wie ein Besuch vor Ort zeigt. Sonne, Wind und viel Know-how sollen aus dem Sultanat einen verlässlichen Partner für die Energiewende in Deutschland machen. Die Thyssenkrupp-Tochter Nucera sucht im Sultanat bereits geeignete Standorte für seine Elektrolyseure, mit denen dank des Stroms aus erneuerbaren Energien klimaschonend der Wasserstoff gewonnen wird. Auch Universitäten aus Nordrhein-Westfalen engagieren sich bereits vor Ort. Was bisher fehlt: Aufträge aus Deutschland.

Stahl aus Deutschland: Oman verspricht jährlich bis zu 1,5 Millionen Tonnen grünen Wasserstoff

Der Oman treibt die Entwicklung von grünem Wasserstoff als künftigen Energielieferanten mit Nachdruck voran, um wirtschaftlich nicht mehr von den schwindenden Öl- und Gasreserven abhängig zu sein. Das Sultanat kann auf diese Weise ein aussichtsreicher Kandidat für die Unterstützung der Energiewende in Deutschland werden. Denn laut dem Wuppertal Institut, einem Think-Tank für Nachhaltigkeitsforschung, kann 2030 lediglich bis zu einem Sechstel des erwarteten Wasserstoff-Bedarfs hierzulande aus heimischer Produktion gedeckt werden. Weil der Löwenanteil importiert werden muss, werden weltweit Partner gesucht.

Die Internationale Energieagentur (IEA) betont Omans großes Potenzial. Dafür gibt es viele Gründe: mehr als 2000 Kilometer Meeresküste, an denen rund um die Uhr der Wind weht, acht bis mehr als zehn Sonnenstunden pro Tag. Außerdem punktet das Sultanat mit gut ausgebauten Häfen, mit strategischen Positionen und Anlagen zum Entsalzen von Meerwasser.

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Die Strategie der „Vision 2040“ Omans sieht vor, dass ab 2030 jährlich eine bis 1,5 Millionen Tonnen grünen Wasserstoff produziert werden, bis 2050 sollen es rund 8,5 Millionen Tonnen sein. Geschätzte Investitionskosten: rund 150 Milliarden US-Dollar. Bis 2050 will der Oman seine CO₂-Emissionen vollständig reduzieren und hat gerade ein Net-Zero-Center gegründet, um dieses Ziel zu erreichen. Zudem sollen rund 70.000 neue Arbeitsplätze entstehen. 50.000 Quadratkilometer Land stehen in drei ausgewiesenen Zonen des Landes bereits für Wasserstoffprojekte zur Verfügung. Eine dritte Auktion startet jetzt im ersten Quartal 2025. Dabei können sowohl Wasserstoffproduzenten als auch Industrien, die grünen Stahl und Düngemittel herstellen, gleichzeitig bieten. Ab 2030 sollen erste Schiffe mit flüssigem grünem Wasserstoff vom Industriehafen Duqm aus nach Amsterdam fahren, ein Korridor ist geplant.

Die Entwicklung des Wasserstoffsektors im Oman wird von Hydrom koordiniert – einer staatlichen Organisation, die dafür 2022 gegründet wurde. Manager Abdulaziz Al Shidani sieht vielfältige Rollen für internationale Player aus Deutschland: „Sie können Projektentwickler, Finanzpartner, Anbieter von notwendiger Ausstattung und Material, sowie potenzielle industrielle Abnehmer sein.“ Dafür sind gemeinsame Standards und Zertifizierungssysteme innerhalb der Wasserstoffwirtschaft wichtig. Ebenso müssen nachhaltig wirksame, wirtschaftliche Businessmodelle entwickelt werden.

Thyssenkrupp-Tochter Nucera sucht im Oman Standorte für Elektrolyseure

Der Export von Technologien deutscher Firmen kann die grüne Wasserstoffindustrie in Oman weiter vorantreiben. Das Thyssenkrupp-Tochterunternehmen Nucera mit Sitz in Dortmund stellt Elektrolyseure zur Herstellung von grünem Wasserstoff her. Hydrom und Nucera haben eine Absichtserklärung unterzeichnet, um das Potenzial für die Ansiedlung von Montage- und Servicezentren für Wasserelektrolyseure im Sultanat zu prüfen. Bei der Wasserelektrolyse wird Wasser durch elektrische Energie in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. Der Wasserstoff kann dann mithilfe eines Verflüssigers in flüssigen Wasserstoff umgewandelt werden.

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Das Sultanat Oman biete durch den günstigen Zugang zu erneuerbaren Energien ideale Voraussetzungen, sagte Christoph Noeres, Head of Green Hydrogen bei Nucera, dieser Redaktion. „Wir möchten mit Hydrom das Potenzial einzelner lokaler Standorte analysieren. Dafür planen wir nun die nächsten Schritte.“ Neben Nucera haben auch Siemens Energy und Bosch angekündigt, sich beim Bau von Elektrolyseanlagen vor Ort zu engagieren.

Seehafen Duqm Oman
Der Seehafen Duqm im Golfstaat Oman: Von hier aus sollen ab 2030 die Wasserstoff-Tanker ablegen. Oman kündigt Milliardeninvestitionen an, noch aber fehlen die Aufträge. © Natascha Plankermann | Natascha Plankermann

Einzige deutsche Uni auf der Arabischen Halbinsel bietet Master of Science an

Als zentraler Aspekt bei der Entwicklung des Wasserstoffsektors gilt zudem der Know-How-Transfer. Das Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST in Braunschweig Fraunhofer bietet unternehmensnahe Schulungen und Weiterbildungen an, um die Fähigkeiten und das Wissen der lokalen Arbeitskräfte in Oman voranzubringen – und arbeitet in diesem Bereich an einer strategischen Partnerschaft mit der GUTech im Oman. Die German University of Technology (GUtech), gegründet 2007 mit der RWTH Aachen, ist die einzige deutsche Universität auf der Arabischen Halbinsel. Jüngstes Weiterbildungsangebot: ein Master of Science in Wasserstoffwirtschaft und -technologie, der vorwiegend auf Fachleute aus dem Öl- und Gassektor zugeschnitten ist.

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In den Golfstaaten wird die Wasserstoffpolitik größtenteils individuell und unabhängig verfolgt. Dass sich im Vergleich zu den umgebenden Emiraten eine Zusammenarbeit mit dem Sultanat nicht nur aus handelspolitischer Sicht lohnt, betont Dr. Dawud Ansari, der für die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin arbeitet und zugleich gerade Präsident des Think Tank „Majan Council for Foresight, Strategic Affairs and Energy“ mit Sitz im Oman geworden ist. Ansari: „Deutschland hat ein Interesse daran, Beziehungen mit und Wirtschaft in Oman zu stärken, schließlich bildet das Sultanat einen Eckpfeiler in regionalen Friedensprozessen. Dabei ist Oman selbst sehr stabil und sicher – sowohl hinsichtlich der Handelsbeziehungen als auch innenpolitisch und in Bezug auf seine Nachbarn.“

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Nadelöhr ist die Nachfrage: Unternehmen warten auf Sicherheiten der Politik

Das große Nadelöhr der Wasserstoffwende bleibt jedoch die Nachfrage. Experte Ansari: „Obgleich bereits erste Abnahmeverträge mit Ländern wie Korea und Japan in der Region existieren, hatte man insbesondere geplant, Wasserstoff nach Europa zu exportieren. Von dort kamen zunächst große Absichtserklärungen und Anfragen. Die letztendliche Nachfrage blieb jedoch in den meisten Fällen noch aus, auch weil der Industrie Rückversicherungen und Sicherheit seitens der Politik fehlten.“  Für deutsche Wasserstoffabnehmer bietet sich nach seinen Worten hier eine aber bemerkenswerte Gelegenheit: Ein Land, das regelrecht darauf wartet, Wasserstoff zu exportieren, sucht derzeit nach Abnehmern in Projektkonsortien.