Recklinghausen. Auch Orangensaft kostet mehr. Ein Safthersteller aus dem Ruhrgebiet erklärt, woran das liegt und wie sehr der Preis noch in diesem Jahr steigt.

Bevor man die Äpfel an der Recklinghauser Forststraße erblickt, riecht man sie. 30 Tonnen stapeln sich im Apfelsilo neben der Straße. Hier, bei der Familienkelterei Josef Möller, können Privatpersonen ebenso wie Bauern vorbeikommen, ihre Ernte wiegen und zu den anderen Äpfeln legen. Im Hofladen holen sie sich dann eine passende Menge frischen Apfelsaft ab und zahlen eine Verarbeitungsgebühr von 70 Cent pro 0,7 Liter. Für Kunden kostet der Liter im Hofladen 1,50 Euro, im Getränkehandel bis zu 2,50 Euro.

Verbraucherinnen und Verbraucher staunen im Supermarkt schon seit einer Weile über hohe Saftpreise. Besonders der Orangensaft, aber auch der Apfelsaft werden immer teurer. Rhabarbersaft war wegen schlechter Ernten zwischenzeitlich gar nicht verfügbar. Getränketechniker Möller prognostiziert: Der Literpreis wird weiter steigen. Welche Kosten Safttrinker demnächst erwarten und wieso sie mehr zahlen, erklärt er bei einem Besuch seiner Kelterei.

Im Apfelsilo mischen sich an diesem Morgen einige dunkelbraune Exemplare unter die roten, doch das spielt keine Rolle. Das Wasser trennt schließlich die gesunden von den faulen Äpfeln: Erstere schwimmen, letztere sinken. Sie werden dann von einer Pumpe abbefördert, die gesunden wandern weiter in Richtung Presse.

Kelterei Josef Möller in Recklinghausen.
Im Apfelsilo stapeln sich 30 Tonnen Obst. Verfaulte Exemplare sind auch dabei. Vor der Presse werden diese im Wasser von den gesunden Äpfeln getrennt. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

1,4 Kilo Äpfel werden zu einem Liter Saft

Schon im April war Geschäftsführer Josef Möller klar, dass die Apfelernte dieses Jahr zu wünschen übrig lassen wird. Einige Frostnächte haben gereicht, um die Blüte mancher Apfelsorten zu zerstören. Laut vorläufigen Schätzungen des Statistischen Landesamts NRW könnte sich die Erntemenge mit 36.500 Tonnen im Vergleich zu den 71.600 Tonnen des Vorjahrs nahezu halbieren.

In den Hallen der Familienkelterei, die Josef Möller gemeinsam mit seiner Tochter Linda im ländlichen Idyll zwischen Pferdekoppeln betreibt, werden Äpfel innerhalb von 24 Stunden zu Saft. 1,4 Kilo braucht es für einen Liter. Nachdem die gesunden Äpfel von einer Maschine zerkleinert werden, kommen sie in die Presse, die zur einen Seite Apfelsaft und zur anderen Trester ausspuckt.

Kelterei Josef Möller in Recklinghausen.
In der Familienkelterei Josef Möller werden Äpfel von regionalen Bauern gepresst, erhitzt und abgefüllt. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Den Trester, also den Abfall des Apfels, verfüttern Bauern später an ihre Kühe. Den Saft pumpen Schläuche in einen Raum hinter der Presse, wo er für 30 Sekunden auf 85 Grad erhitzt und so haltbar gemacht wird. Anschließend kann der fertige Saft in Flaschen abgefüllt oder in Tanks gelagert werden. „Wir nutzen nur Glasflaschen, auf Boxen mit Plastikbeuteln darin verzichten wir der Umwelt zuliebe“, sagt Möller.

Der Fruchtsaft-Konsum der Deutschen nimmt ab

Nach eigener Aussage trinkt der Geschäftsführer täglich ein bis eineinhalb Liter Apfelsaft – einerseits, um Chargen vor dem Abfüllen zu verköstigen, andererseits handelt es sich um sein Lieblingsgetränk. Damit ist er nicht allein: Laut Erhebungen des Verbands der deutschen Fruchtsaft-Industrie (VdF) ist Apfelsaft nach Orangensaft der zweitliebste Fruchtsaft der Deutschen. Apfelsaftschorle folgt nach Multivitaminsaft auf Platz vier.

Im Ländervergleich mit den Vereinigten Staaten und den Industrieländern Europas trinken die Deutschen mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von 26 Litern am liebsten Saft, Tendenz allerdings sinkend. Lag der Pro-Kopf-Verbrauch 2000 noch bei 40,6 Liter jährlich, trank der Durchschnittsdeutsche 2023 nur noch 26 Liter.

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Seit einigen Jahren steigen die Saftpreise

Der Preis mag für viele Verbraucher bereits heute eine Rolle spielen, sicherlich aber in Zukunft. Ein Blick in Aufzeichnungen der Argrarmarkt Informationsgesellschaft (AMI) verrät einen Aufwärtstrend der Preise: Der Apfelsaftpreis stieg bereits 2023 um 13 Prozent auf durchschnittlich 1,20 Euro an. Beim Orangensaft ist die Entwicklung noch rapider. Von 2021 zu 2022 stieg der Preis, den deutsche Haushalte durchschnittlich für einen Liter gezahlt haben, um zwei, von 2022 zu 2023 dann um 21 Prozent.

Gründe sieht der VdF in globalen Klimaveränderungen, die „erhöhten Schädlingsbefall“ hervorrufen. Für die schwachen Ernten und hohen Preise des Orangensafts verweist Geschäftsführer Klaus Heitlinger auf die Orangenkrankheit Greening in Brasilien und Florida – dort befällt ein Bakterium die Bäume und verhindert die Nährstoffzufuhr.

Im Supermarkt merken das die Leute längst. In einer Filiale einer namhaften Kette liegen die Literpreise für Orangensaft am 9. Oktober zwischen 2,29 Euro für Saft aus Konzentrat und 4,99 Euro für Direktsaft. Die Literpreise für Apfelsaft reichen in derselben Filiale von 0,97 Euro für eine Mehrweg-Plastikflasche, hergestellt aus Konzentrat, bis hin zu 2,70 Euro für Direktsaft aus der Glasflasche.

Um 10 bis 15 Prozent: Apfelsaftpreise könnten weiter steigen

Möller rechnet bis Januar 2025 mit einer weiteren Preissteigerung des Apfelsafts von 10 bis 15 Prozent. Die Frostnächte im April seien Schuld, die Inflation und der steigende Mindestlohn täten ein Übriges. „Wenn ein Fruchtsaftler sagt, ihm gehe es gut, lügt er“, so der Getränketechniker.

Ein Betrieb in NRW sei schon insolvent gegangen, „es werden weitere folgen“. Auch Möllers Kelterei ist aktuell weniger ausgelastet als sonst: In einem Durchschnittsjahr verarbeitet der Betrieb tausend Tonnen Äpfel. 2024 rechnet Möller mit etwa 800 Tonnen Äpfeln – ein Fünftel weniger als in einem durchschnittlichen Geschäftsjahr.

Einige Bauern konnten ihre Äpfel schützen, teurer wird es dennoch

Damit kommt die Familienkelterei laut Aussage des Geschäftsführers noch glimpflich davon: „Wir bekommen unsere Äpfel von Betrieben im Münster- oder Sauerland. Viele von ihnen konnten die Blüte beim Frost beregnen oder mit Hagelnetzen schützen.“ Ihre Ernte sei demnach besser ausgefallen. Zum Vergleich: Thomas Dalbeck, Inhaber der Heiligenhauser Süßmosterei Dalbeck, spricht lediglich von einem Viertel Obstannahme im Vergleich zu Durchschnittsjahren.

So oder so: „Die Preise werden steigen“, prognostiziert Möller. Die Bauern, deren Ernte wegen gelungener Schutzmaßnahmen besser ausfällt, passen die Preise nach oben an, ebenso werde es mit den Saftpreisen laufen: „Sobald ein Mitbewerber die Preise erhöht, ziehen die restlichen Safthändler nach.“

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