Köln. In Köln können Astronauten auf einer nachgebauten Mondoberfläche trainieren. Unser Autor konnte einen Blick hinter die Kulissen werfen.

Zum Mond führt eine schnöde weiße Stahltür. Es riecht etwas nach Farbe, irgendwo wird gebohrt. Ein Hausausweis, höchste Sicherheitsstufe, öffnet die Tür. Dahinter 700 Quadratmeter Sand, Staub und Gestein nebst künstlicher Sonne in einem tiefschwarzen Raum, Format Turnhalle. Willkommen in Luna, dem wohl spektakulärsten Projekt von Europas Raumfahrtagentur Esa und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) auf Erden, genauer: in Köln. Idealer Trainingsort für die nächste Mondlandung.

Rechts steht Astronaut Matthias Maurer in einem weißen Schutzanzug, den Luftfilter umgeschnallt, einen Spezialhelm unter dem Arm. Er hat das Projekt maßgeblich vorangetrieben. „Das hier kommt dem Mond auf der Erde am nächsten“, schwärmt er. Die Trainingsmöglichkeiten für Astronauten seien besser als selbst bei der US-Raumfahrtbehörde Nasa. Vieles gebe es auch an anderer Stelle in Japan oder Amerika, aber nicht an einem Ort vereint. Und vor allem nicht so groß.

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Astronaut Mattias Maurer hat das Projekt maßgeblich vorangetrieben.  © Björn Hartmann  | Björn Hartmann 

Künstlicher Mond in Köln: Jeder Schritt kann meterhoch Staub aufwirbeln

Hinter ihm wölben sich 900 Tonnen fein gemahlenes weiß-graues Gestein aus der Vulkaneifel zu einem Tal und größeren Hügeln, alles sauber glattgezogen. Verteilt sind spitze Steine unterschiedlicher Größe. Die Brocken stammen aus dem Nördlinger Ries, vom Ätna und von den Lofoten. Betreten der Oberfläche ist streng verboten. Jeder Schritt könnte feinsten Staub meterhoch aufwirbeln. Alle Besucher müssen Schutzmasken tragen, dazu kommen Haarnetze und spezielle Schuhüberzüge, um nichts auf den Mond zu bringen, das dort nicht hingehört. Grassamen zum Beispiel.

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Das Material aus der Eifel, Bayern, Italien und Norwegen kommt dem auf der Mondoberfläche am nächsten. Es gibt auch noch 20 Tonnen Sand aus Grönland, die in einem Extraraum lagern, der „Staubbox“. Hier können die Experten später testen, wie sehr der Staub technischen Geräten zusetzen kann – ein Problem, dass zum Beispiel frühere Mondmissionen zu schaffen machte.

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Auch Bohren kann auf der künstlichen Fläche geprobt werden

Was wie ein großer Sandkasten aussieht, ist ein riesiges Testgelände für Astronauten, die einmal den Mond betreten sollen. Unter kühlen Reinraumbedingungen, deshalb brummt im Hintergrund dauerhaft die Lüftung. Im Sand versteckt sind verschiedene Gesteine und Hohlräume. Ein Teil des Bodens lässt sich gefrieren, sodass Astronauten in voller Ausrüstung üben können, wie es ist, den Mond anzubohren.

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Der Mond auf Erden: 900 Tonnen fein gemahlenes weiß-graues Gestein bilden die Mondlandschaft nach. © Björn Hartmann  | Björn Hartmann 

Eine Rampe kann stufenlos auf bis zu 50 Grad angehoben werden. Hier lässt sich proben, wie Astronauten in ihren Raumanzügen solche Steigungen bewältigen können und ob sie, sollten sie abstürzen, selbst wieder hochkommen. Kein Problem, sollte man meinen in der schön ausgeleuchteten Halle. Doch dann erlischt das Deckenlicht, die „künstliche Sonne“, ein Strahler, wirft sehr harte Schatten. Der Sandkasten wirkt plötzlich, als sei er voller Löcher.

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50 Millionen Euro hat der Mondnachbau gekostet

Maurer hat die Anlage bereits mit einem etwa 25 Kilogramm schweren Raumanzug getestet. „Man sackt beim ersten Schritt schon mal 25 Zentimeter ein“, sagt er. Der Astronaut war bereits einige Zeit in der Internationalen Raumstation ISS, will bei der nächsten Mondmission von Nasa und Esa mit auf den Erdtrabanten. Artemis III, wie die Mission heißt, ist bereits geplant. Damit die Astronauten vorbereitet sind, sollen sie hier in Luna am südwestlichen Rand Kölns trainieren.

Die Halle, außen weiß verkleidet, steht auf dem DLR-Gelände nahe des Flughafens. Der Rasen ist gemäht, Kiefern bewegen sich leicht im Wind. Gegenüber im ESA-Zentrum trainieren bereits die europäischen Astronauten für Einsätze. Gut 50 Millionen Euro kostet der Mondnachbau. 25 Millionen schießt das Land Nordrhein-Westfalen zu, den Rest teilen sich Esa und DLR. Vorgesehen ist, die Anlage auch anderen zur Verfügung zu stellen. Universitäten etwa oder Firmen. „Wir können hier Rover von der Größe eines Schuhkartons bis zu der eines Quads testen“, sagt Jürgen Schlutz, auf Esa-Seite für Luna verantwortlich.

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Auf dem Mond soll ein Dorf entstehen

Noch ist die Halle nicht ganz fertig. So fehlt noch die richtige künstliche Sonne an der Rückwand, vollbeweglich, sodass über Luna auch Auf- und Untergang simuliert werden können. Unter der Decke ist eine Anlage geplant, an der die Astronauten dann mit Kabeln hängen. Sie soll ihnen fünf Sechstel ihres Gewichts abnehmen und die geringere Anziehungskraft des Mondes abbilden. Der Prototyp soll im nächsten Jahr kommen.

Auch ein Anbau an die Halle ist geplant: ein langgestrecktes Wohnmodul für vier Astronauten mit Bad, Küche, Aufenthaltsraum und Schlafkojen in einem zwölf Meter langen Standard-Container. Die Möbel sind aus dem 3D-Drucker, die runde Außenhaut ebenfalls. Die dänische Firma Saga hat das Modul entwickelt. Auch ein Gewächshaus wird noch geliefert. Eden ISS des DLR versorgte fünf Jahre lang die Wissenschaftler der Station Neumayer III in der Antarktis mit frischem Gemüse. Und bald eben Astronauten in Köln. „Wir können dann auch eine Sieben-Tage-Mission auf dem Mond simulieren“, sagt Maurer.

Nasa und Esa planen im Zuge des gemeinsamen Artemis-Programms ein Dorf auf dem Mond, ebenso China. Eine solche Station ist wichtig, wissenschaftlich, um den Mond besser zu erforschen, gar Kenntnisse über die frühe Erdgeschichte zu gewinnen, und wirtschaftlich, falls etwa Rohstoffe dort abgebaut werden sollen oder für Flüge zum Mars. Doch das ist alles noch Zukunft. Am Mittwoch wurde der Mondnachbau offiziell eröffnet. Den Rest des Jahres werde getestet, sagt Schlutz. Komplett einsatzfähig ist der künstliche Mond dann in zwei Jahren.