Washington. Schock für Chinas Autobauer: USA planen ab 2027 einen Mega-Bann – wegen Spionageangst. Sorge vor Datenklau, Manipulationen, Cyberangriffen.
Als Moritz Schularick im Frühjahr den Begriff der „Spione auf vier Rädern” im Zusammenhang mit chinesischen Elektro-Autos von staatlich geförderten und weltweit expandierenden Konzernen wie BYD, MG oder Nio in die Debatte warf, hörte kaum jemand hin. Seit Montag haben die Worte des Präsidenten des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel neues Gewicht.
Amerika will noch vor Ablauf der Amtszeit von Präsident Joe Biden im kommenden Januar die Weichen für einen De-facto-Bann chinesischer Autos mit bestimmter Soft- und Hardware stellen. Das betrifft auch Lastwagen und Busse. Und mittelbar auch die deutsche Auto-Industrie, die in China wichtige Absatzmärkte hat.
China-Autos versus Nationale Sicherheit
Dabei stehen zum ersten Mal nicht rein ökonomische Gesichtspunkte im Fokus. Denen kommen die USA bereits heute mit Importzöllen von 100 Prozent auf Billig-Fabrikate aus Fernost bei. Diesmal geht es um das Primat der Nationalen Sicherheit.
Weil Artikel 7 und 14 des chinesischen Geheimdienstgesetzes Unternehmen zur Weitergabe von Nutzerdaten an staatliche Behörden verpflichtet, sehen die USA nicht nur das Risiko, dass sensible Daten über die Verhaltensmuster bei US-Autofahrern abgesaugt und weitergereicht werden können. Handelsministerin Gina Raimondo spricht auch offen von der Gefahr, dass perspektivisch Millionen chinesischer Autos auf amerikanischen Freeways aus der Ferne manipuliert oder gar abgeschaltet werden könnten. „Autos sind heutzutage mit Kameras, Mikrofonen, GPS-Systemen und anderen Technologien ausgestattet, die mit dem Internet vernetzt sind”, sagt die Demokratin aus Rhode Island, „die Gefahren durch Cyberangriffe liegen auf der Hand.”
Signal an die heimischen Autogewerkschaften
Raimondo legte bisher keine Beweise für schädliches Verhalten Chinas vor. In ihrem Ministerium wird aber von Indizien gesprochen. So sammelten chinesische Hersteller entschieden mehr Daten über ihre Kunden als dies andernorts getan würde.
Das Ganze hat natürlich sieben Wochen vor der Präsidentschaftswahl eine stark politische Komponente. Donald Trump und Bidens Nachfolgerin bei der Kandidatur, Kamala Harris, überbieten sich mit Ansagen, die heimischen Hersteller zu schützen und China den Marktzutritt zu erschweren. Hinter der Auto-Industrie stehen nicht zuletzt Millionen Gewerkschafter und potenzielle Wähler.
Einfuhrverbot soll ab 2027 gelten
Binnen 30 Tagen können Industrie, Verbände und Interessierte Einwände gegen den Ukas vortragen. Danach soll die Verordnung in Kraft treten. Sie würde dafür sorgen, dass mit Übergangsfristen ab 2027 keine chinesischen Fahrzeuge mehr in den USA verkauft werden können. Ob davon auch Joint-Venture-Produktionen betroffen sind, die etwa BMW und Mercedes in China unterhalten, ist noch unklar.
Bidens Chef-Beraterin in Wirtschaftsfragen, Lael Brainard, machte am Montag bei einer Rede vor Fachleuten im ehemaligen Auto-Mekka Detroit/Michigan deutlich, dass es sich um eine weitreichende Präventivmaßnahme handele. „Bevor eine Flutwelle von Billig-Autos aus China die Fähigkeit der US-Autoindustrie untergräbt, auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig zu sein”, müsse das Thema geregelt sein. Hintergrund: Im Großraum Detroit sind seit Beginn der 2000er Jahre über 55 000 Arbeitsplätze bei General Motors & Co. weggefallen.
Das nächste Kapitel im Technologiekrieg
Was die Biden-Regierung veranstaltet, ist nach Angaben von Analysten in Washington die Ausdehnung des existierenden „Technologiekriegs” der beiden Super-Mächte. Bereits bei den Abwehrkämpfen gegen den Telekom-Ausrüster Huawei stand der Vorwurf im Mittelpunkt, China könne in kritischer IT-Infrastruktur, etwa im 5G-Handy-Netz, heimlich Abhör- oder Abschalteinrichtungen integrieren.
Bei der Vorgabe an den Social Media-Riesen Tiktok, bis Ende des Jahres seine chinesische Eigentümerschaft zu beenden, (oder verboten zu werden) lautet der US-Vorwurf, dass andernfalls weiter enorme Datenmengen über das Verhalten von US-Kunden unkontrolliert nach China fließen würden. So liegt auch der Fall beim chinesischen E-Commerce-Giganten Temu, der sich seit sechs Monaten einer Sammelklage ausgesetzt sieht. Tenor: Über eine spezielle Spionage-Software in der Handy-App würden US-Nutzer ausgeforscht.
Tesla schon überholt
Ähnlich problematisch finden Abgeordnete des Kongresses in Washington, das 200 große Kräne des chinesischen Staatsunternehmens ZPMC (Shanghai Zhenhua Heavy Industries) an amerikanischen Häfen mit Sensoren und Übertragungstechnologie ausgestattet wurden, obwohl die Vertragsunterlagen dazu keine Erklärung geben.
Im Fall Auto-Industrie verabschieden sich die USA nun vollends von der unter Richard Nixon entwickelten Strategie „Wandel durch Handel”. Seit der chinesische Hersteller BYD mehr vollelektrische Autos verkauft als der amerikanische Marktführer Tesla (rund 390 000 verkaufte Modelle in China seit Jahresbeginn) wird einer gezielten Eindämmung des Pekingers Expansionsdrangs das Wort geredet; zumal China auch der führende Anbieter von Einzel-Komponenten für Autos ist, die etwa auf autonomes Fahren setzen.
China empört über diskriminierende Praktiken
Dass Peking fortlaufend beteuert, den Datenschutz zu gewährleisten und den fairen und freien Wettbewerb zu gewährleisten, wird in Washington nicht mehr geglaubt. Hier herrscht die Meinung vor, dass nur eine Entkoppelung von den aus Fernost dominierten Lieferketten eine langfristige Dominanz Chinas verhindern könne.
Peking erklärte unterdessen, dass man die pauschale Verallgemeinerung des Konzepts der nationalen Sicherheit und die diskriminierenden Praktiken der USA gegenüber chinesischen Unternehmen und Produkten ablehnt“. Das Wirtschaftsministerium fordert Washington auf, ein „offenes, faires, transparentes und diskriminierungsfreies Geschäftsumfeld“ für chinesische Unternehmen zu schaffen.
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