Düsseldorf. Reiseanbieter Alltours im Umbruch: Inhaber Willi Verhuven stellt neue Zentrale in Düsseldorf vor – und wechselt in Stiftung.
Bevor sich Alltours-Inhaber Willi Verhuven zur FTI-Pleite und den Folgen für seine Branche äußert, nimmt er sich Zeit für eine Baustellenführung. In bester Lage am Rhein – direkt neben Staatskanzlei und Wirtschaftsministerium am Düsseldorfer Mannesmannufer – entsteht gerade eine neue Firmenzentrale für sein Reiseunternehmen. Er plane mit etwa 650 Arbeitsplätzen, für 200 weitere gebe es zusätzlich Platz. „Wir haben noch ein bisschen Expansion eingeplant“, sagt der 73-jährige Unternehmer, der aus einem Ein-Mann-Reisebüro in seiner Heimatstadt Kleve einen bundesweiten Branchenriesen geformt hat.
Die neue, siebenstöckige Firmenzentrale wird ganz nach Verhuvens Vorstellungen gebaut. Die Räume sind lichtdurchflutet, Pflanzen in die Architektur integriert. Für eine der oberen Etagen plant Verhuven einen Fitness-Raum, daneben Orte für Yoga und gemeinsame Koch-Events. Es solle den Beschäftigten leichtfallen, aufs Homeoffice zu verzichten, sagt der Reiseunternehmer. Er habe seine Teams lieber bei sich. Wer aus Düsseldorf kommt, solle ganz aufs Homeoffice verzichten, fügt Verhuven noch hinzu. Ob das nicht ungewöhnlich sei? „Alltours war schon immer ungewöhnlich“, antwortet der Unternehmer.
Mehr als 120 Millionen Euro koste das Gebäude, zu dem auch mehrere Eigentums- und Mietwohnungen gehören, berichtet Verhuven. Probleme mit Bauunternehmen haben zu monatelangen Verzögerungen geführt. Doch jetzt bekommt der Alltours-Inhaber glänzende Augen, wenn er über sein Projekt spricht. „Das Gebäude fügt sich ein, als hätte es so immer hier gestanden“, sagt er, während er auf der Dachterrasse Richtung Altstadt blickt. Er hoffe, dass die Bauarbeiten im Oktober abgeschlossen sein werden.
Verhuven versprüht Aufbruchstimmung – und doch verbindet er den ersten Pressetermin in der neuen Firmenzentrale mit der Botschaft, er werde sich aus dem Alltagsgeschäft seines Unternehmens zurückziehen. Er sei schließlich „nicht mehr der Jüngste“, sagt er. Als Geschäftsführer für die Unternehmensbereiche Touristik und Finanzen stellt Verhuven Jan Mayer vor, der schon bei verschiedenen Flug- oder Reisekonzernen gearbeitet hat, unter anderem bei Condor und auch FTI. „Herr Meyer übernimmt meine Aufgaben“, sagt Verhuven. Gerade laufe eine Übergangsphase. Er wolle sich zunächst auf eine Drei-Tage-Woche beschränken, aber in absehbarer Zeit den Führungswechsel komplett vollziehen.
Alltours-Chef Verhuven: Stiftung wird Inhaberin seiner Unternehmensgruppe
Sein millionenschweres Firmen- und später auch sein Privatvermögen will Verhuven in eine Stiftung einbringen, deren Führung er selbst übernimmt. Die Stiftung werde dann alleinige Inhaberin der Alltours-Unternehmensgruppe. „Wir sind alle nicht ewig auf dieser Welt“, begründet Verhuven seinen Schritt. Durch die Stiftungskonstruktion könne er beispielsweise festlegen, dass Alltours nie verkauft wird. Mit Hilfe der Stiftung wolle er zudem Sozialprojekte nach vorne bringen – etwa für bedürftige Kinder. Die Vorhaben würden aus Gewinnen von Alltours finanziert.
Sein Unternehmen sieht Verhuven auf Kurs. Angesichts der Insolvenz des Konkurrenten FTI rechnet Alltours mit zusätzlicher Nachfrage. Im aktuellen Geschäftsjahr strebt Alltours ein Rekordwachstum von über 20 Prozent an.
Alltours: Modell Pauschalreise habe sich bewährt
Auf das Aus von FTI reagiert Alltours im laufenden Sommer mit deutlich mehr Angeboten für Flüge und Hotels im Kurzfrist- und Lastminute-Geschäft. Für die kommende Wintersaison 2024/25 plant Alltours mit einem deutlich ausgebauten Reiseangebot – unter anderem in der Türkei und in Ägypten, also in Ländern, in denen FTI traditionell stark vertreten gewesen ist. „Der positive Buchungstrend aus dem vergangenen Winter setzt sich in der aktuellen Sommersaison fort“, berichtet Verhuven. „Zusätzlich bietet der Wegfall des insolventen Reiseveranstalters FTI weiteres Wachstumspotenzial.“
Die Pauschalreise sei „der sicherste Weg, eine Urlaubsreise zu buchen“, da der Gesetzgeber alle Pauschalreiseveranstalter – also auch Alltours – dazu verpflichtet habe, die Reisenden gegen eine Insolvenz abzusichern, betont Verhuven. Im Insolvenzfall von FTI werde der millionenschwere Deutsche Reisesicherungsfonds (DRSF) bereits geleistete Zahlungen den Pauschalreise-Kunden zurückerstatten, falls eine Reise nicht durchgeführt werden könne. Der Entscheidungsprozess werde jedoch aufgrund der Vielzahl von betroffenen Kunden einige Zeit in Anspruch nehmen. „Das System ist gut“, urteilt Alltours-Chef Verhuven. Die Pauschalreise habe sich „in einer Zerreißprobe“ bewährt.
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