Düsseldorf. Thyssenkrupp-Chef López wirbt eindringlich für seinen Umbauplan, sonst könne die Lage beim Stahl „schnell existenzbedrohend werden“.

Miguel López zeigt sich entschlossen, Thyssenkrupp grundlegend umzubauen. „Viel zu lange ist viel zu wenig passiert bei Thyssenkrupp“, sagt der Vorstandschef vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung (WPV) im Düsseldorfer Industrie-Club. Der Handlungsdruck sei hoch – insbesondere in der Stahlsparte mit rund 27.000 Beschäftigten und großen Standorten in Duisburg, Bochum, Dortmund und Südwestfalen.

Es gehe darum, Deutschlands größten Stahlhersteller „zukunftsfähig“ zu machen. „Das ist mehr als nötig“, betont López, „denn die Lage ist kritisch und ohne entschlossenes Gegensteuern kann sie schnell existenzbedrohend werden“.  Die Stahlindustrie habe in Duisburg und im Ruhrgebiet „mehr als 200 Jahre lang eine starke Basis“, so López, „weil hier das Zentrum der Industrialisierung Europas war, und weil hier die heimische Kohle als Energieträger lag“. Doch: „Beides ist für die Zukunft nicht mehr gegeben.“

Der Stahl-Vorstand unter der Leitung von Spartenchef Bernhard Osburg erarbeite derzeit einen neuen „Businessplan“, berichtet López. Zum Zeitplan macht der Manager allerdings noch keine genauen Angaben. Das Konzept solle „so schnell wie möglich“ vorliegen, sagt er lediglich. „Es geht um eine sehr große Veränderung“, betont der Thyssenkrupp-Chef, ohne Details zu nennen. So ist unter anderem die Zukunft des Duisburger Stahlkonzerns Hüttenwerke Krupp Mannesmann (HKM) offen. Thyssenkrupp Steel ist an dem Unternehmen mit 50 Prozent beteiligt.

Thyssenkrupp-Chef Miguel López: „Das Stahlgeschäft darf andere Geschäfte des Konzerns nicht belasten.“
Thyssenkrupp-Chef Miguel López: „Das Stahlgeschäft darf andere Geschäfte des Konzerns nicht belasten.“ © FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Ziel der „Neuausrichtung“ sei, die grüne Transformation anzugehen und die Profitabilität des Stahlbereichs zu steigern, sagt López. Auch eine Reduzierung der aktuellen Produktionskapazität sei erforderlich. Bislang sind die Anlagen auf eine Jahresproduktion von rund 11,5 Millionen Tonnen ausgelegt. Künftig sollen es lediglich neun bis 9,5 Millionen Tonnen sein. Es werde einen „noch nicht bezifferbaren Abbau von Arbeitsplätzen“ geben, hatte Thyssenkrupp Steel bereits vor einigen Wochen mitgeteilt. Als eine Faustformel in der Stahlindustrie gilt: „Eine Million Tonnen gleich 1000 Arbeitsplätze.“

Entscheidung per „Doppelstimme“ in der Stahlsparte nicht möglich

Thyssenkrupp sei ein Industriekonzern mit „vielen verschiedenen Geschäftsfeldern“ und rund 100.000 Mitarbeitenden, betont López. „Davon arbeiten fast drei Viertel, genauer gesagt 73.000, außerhalb des Stahlbereichs – Kolleginnen und Kollegen, die uns ebenfalls sehr wichtig sind“, so der Konzernchef. „Das Stahlgeschäft darf andere Geschäfte des Konzerns nicht belasten. Es muss sich, wie alle anderen Segmente auch, aus eigener Kraft tragen.“

Der „Businessplan“ für die Stahlsparte werde, „wenn er dann steht“, mit dem Betriebsrat und dem Aufsichtsrat von Steel Europe „eingehend beraten“, erklärt López. Das Unternehmen hat eine sogenannte Montanmitbestimmung – anders als der Gesamtkonzern Thyssenkrupp. Hier hatte der Aufsichtsratschef Siegfried Russwurm kürzlich bereits zwei Mal wichtige Entscheidungen gegen das Votum der Arbeitnehmervertreter mit seiner „Doppelstimme“ herbeigeführt. Bei Thyssenkrupp Steel, wo der ehemalige Vizekanzler Sigmar Gabriel den Aufsichtsrat führt, wäre ein solches Vorgehen nicht möglich. Bei Deutschlands größtem Stahlkonzern gibt es einen „neutralen“ Vertreter im Aufsichtsrat, nämlich Wilhelm Schäffer, der früher als Staatssekretär im NRW-Arbeitsministerium tätig war.

Thyssenkrupp-Chef: „Möglichst sozialverträglich“

„Unser Ziel ist es, die geplanten Anpassungen möglichst sozialverträglich umzusetzen und betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden“, betont López vor der WPV. „Das war bei Thyssenkrupp immer so, und das soll auch so bleiben.“

López treibt auch seine Pläne für einen Teilverkauf der Stahlsparte voran. Gegen die Stimmen der Arbeitnehmervertreter im Konzern hat der Aufsichtsrat bereits entschieden, dass der tschechische Geschäftsmann Daniel Kretinsky mit seiner Firma EP Corporate Group (EPCG) bei Thyssenkrupp Steel einsteigen kann und zunächst rund 20 Prozent der Anteile übernehmen darf. Das Ziel sei die Schaffung eines Gemeinschaftsunternehmens, an dem beide Seiten jeweils 50 Prozent der Anteile halten, sagt López.

Bilanzielle Belastungen durch die Stahlsparte in der Bilanz von Thyssenkrupp will López in Zukunft verhindern. Der Kretinsky-Deal solle eine sogenannte De-Konsolidierung der Stahlsparte in den Thyssenkrupp-Büchern bewirken, sagt er.

López: „Ich führe keinen Krieg gegen die IG Metall“

Der langjährige Siemens-Manager López hat die Führung von Thyssenkrupp vor einem Jahr von Martina Merz übernommen und ist mit einem Drei-Jahres-Vertrag ausgestattet. „In den vergangenen Monaten haben wir gezeigt, dass es auch anders geht. Es bleibt nicht mehr beim Ankündigen, es wird gehandelt“, hebt López hervor. „Dabei gilt es, große Skepsis zu überwinden, intern wie extern. Ja, unser Handeln schlägt erst einmal hohe Wellen, aber ein ,Weiter wie bisher‘ darf und wird es nicht mehr geben.“

Im Mai haben Beschäftigte von Thyssenkrupp vor der Essener Konzernzentrale demonstriert. Vorstandschef Miguel López wurde teils mit Buhrufen empfangen.
Im Mai haben Beschäftigte von Thyssenkrupp vor der Essener Konzernzentrale demonstriert. Vorstandschef Miguel López wurde teils mit Buhrufen empfangen. © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen

Die IG Metall hat López in den vergangenen Wochen bei Kundgebungen und in Flugblättern den Kampf angesagt. Er könne die Sorgen der Beschäftigten gut verstehen, beteuert der Thyssenkrupp-Chef und fügt hinzu: „Ich führe keinen Krieg gegen die IG Metall.“ Er stehe zu seinem Kurs. „Ich habe keine Sekunde etwas bereut“, sagt López.

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