Essen. Bei der Hauptversammlung von Evonik verteidigt Konzernchef Kullmann seinen Sparkurs. 2000 Arbeitsplätze sollen wegfallen.
Der Vorstandschef des Essener Chemiekonzerns Evonik, Christian Kullmann, stellt die Belegschaft seines Unternehmens auf eine dauerhaft verkleinerte Organisation ein. „Nur kurzfristig Einsparungen einzufahren, reicht nicht aus“, sagte Kullmann während der digitalen Hauptversammlung von Evonik. Der Vorstand plant unter anderem, Arbeitsplätze abzubauen und Hierarchieebenen zu streichen. Kullmann erwägt auch den Verkauf von Logistik-, Technikservice- oder Gebäudemanagement-Aktivitäten an großen Chemiestandorten.
Erstmals in seiner Firmengeschichte hat der erfolgsverwöhnte Konzern im vergangenen Jahr rote Zahlen geschrieben. Anfang März teilte Kullmann mit, bis zu 2000 Arbeitsplätze abbauen zu wollen, davon rund 1500 Stellen auf dem Heimatmarkt Deutschland. Mit dem Programm „Evonik Tailor Made“ – zu Deutsch „maßgeschneidert“ – sollen die jährlichen Kosten des Konzerns künftig um rund 400 Millionen Euro niedriger ausfallen als bisher. Diese Einsparungen entfallen Unternehmensangaben zufolge zu rund 80 Prozent auf Personalkosten und zu rund 20 Prozent auf Sachkosten.
Bei der Hauptversammlung verteidigte Kullmann die Einschnitte. Die Chemiebranche leide unter einer geringeren Nachfrage sowie Kostensteigerungen bei Rohstoffen und Energie. „In dieser Situation mussten wir konsequent handeln und schwierige Entscheidungen treffen“, sagte Kullmann.
Die 1500 Stellen, die in Deutschland wegfallen sollen, entsprechen 7,5 Prozent der bundesweit 20.000 Arbeitsplätze. Weltweit gehören rund 33.000 Beschäftigte zu Evonik. Große Standorte von Evonik befinden sich unter anderem in Marl im nördlichen Ruhrgebiet, in Wesseling bei Köln und am Konzernsitz in Essen.
DSW-Präsident Hocker zum Evonik-Aktienkurs: „Verlorene Jahre“
Das Programm „Evonik Tailor Made“ sei vor sechs Monaten gestartet, sagte Kullmann bei der Hauptversammlung. „Die Analysephase ist jetzt vorbei.“ Künftig werde Evonik „so weit wie möglich“ auf Verwaltungstätigkeiten verzichten, die nicht direkt das Geschäft in den Betrieben unterstützen. So sei beispielsweise geplant, die Hierarchieebenen von zehn auf sechs zu reduzieren. „Evonik wird schlanker, schneller und besser sein als zuvor“, kündigte Kullmann an.
Als Aktionärsvertreter zeigte sich Ulrich Hocker, der Präsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), unzufrieden mit dem Aktienkurs von Evonik. Der Kursverlauf in den vergangenen drei Jahren sei „nicht schön“ gewesen, kritisierte Hocker und fügte hinzu: „Das waren verlorene Jahre.“
RAG-Stiftung nicht mehr Mehrheitsaktionärin von Evonik
Im Mai hatte sich die Essener RAG-Stiftung von einem großen Evonik-Aktienpaket getrennt und damit fast 470 Millionen Euro erlöst. Mit der Abgabe von rund fünf Prozent ist die Stiftung nach wie vor die mit Abstand größte Aktionärin des Chemiekonzerns, aber nicht mehr Mehrheitsaktionärin. Rund 47 Prozent der Anteile hält die Stiftung nun. Stiftungschef Bernd Tönjes leitete als Evonik-Aufsichtsratsvorsitzender auch die Hauptversammlung.
Die Stiftung bleibe „ein starker Ankeraktionär“ von Evonik, betonte Tönjes nach dem Aktien-Deal. Das „Langfristziel“ sei gleichwohl weiterhin, „den Anteil an Evonik kursschonend zu reduzieren“. Die RAG-Stiftung hat die Aufgabe, die Folgekosten des deutschen Steinkohlenbergbaus zu tragen. Daher soll sie ihr Vermögen breit gestreut und sicher anlegen. Im April 2013 war Evonik mit einem Ausgabekurs von 33 Euro an der Börse gestartet. Am Tag der Hauptversammlung lag der Wert der Aktie unter 20 Euro.
Evonik-Chef Kullmann: „Unser Kursverlauf war schlecht“
Evonik-Chef Kullmann stimmte der Kritik am Kursverlauf ausdrücklich zu. Die Kursentwicklung sei „schlecht“ gewesen, sagte Kullmann bei der Hauptversammlung. „Wir müssen härter arbeiten“, räumt der Konzernchef ein.
Dass Evonik in diesem Jahr erneut auf eine Präsenz-Hauptversammlung verzichtet hat, stößt bei Aktionärsvertretern ebenfalls auf Kritik. DSW-Präsident Hocker und auch Tilman Massa vom Dachverband Kritische Aktionärinnen und Aktionäre forderten den Evonik-Vorstand dazu auf, zu Hauptversammlungen in der Essener Grugahalle zurückzukehren, um den Austausch zu verbessern. Vorstandschef Kullmann lehnte dies indes ab. Die virtuelle Hauptversammlung sei „das Format der Zukunft“, sagte er. Denn das Unternehmen spare damit Geld.
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